Brasilianisches Stahlwerk-Poker Vale lässt ThyssenKrupp hängen
03.06.2012, 15:26 Uhr
Komplett mit Hochofen, Hafen und Kraftwerk: Das Stahlwerk von ThyssenKrupp CSA in der Bucht von Sepetiba weniger Kilometer westlich von Rio de Janeiro.
(Foto: ThyssenKrupp AG)
Es ist eine Immobilie der Extraklasse: In der Nähe von Rio de Janeiro steht an der Atlantikküste ein voll funktionstüchtiges Stahlwerk "Made in Germany" zum Verkauf. Aus aller Welt werfen Interessenten begehrliche Blicke auf die Anlage. Jetzt geht es nur noch um den Preis - und die richtige Strategie.
ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger wird das verlustreiche Stahlwerk in Brasilien wohl nicht an den dortigen Partner los. Eine Sprecherin des Bergbauunternehmens Vale aus Rio de Janeiro sagte, das brasilianische Unternehmen wolle an keinem Stahlwerk die Mehrheit übernehmen.
Die "WirtschaftsWoche" hatte zuvor unter Berufung auf Unternehmenskreise gemeldet, Vale sei bereit, die Stahlschmelze zu übernehmen. In der vergangenen Woche seien Vale-Chef Ferreira und Präsidentin zusammengekommen, um sich über die Verhandlungsposition gegenüber ThyssenKrupp zu einigen. Thyssen hatte Vale als möglichen Käufer selbst ins Spiel gebracht.
Für den Dax-Konzern wäre ein erfolgreicher Verkauf ein großer Fortschritt: Das Werk gilt als milliardenschwere Fehlinvestition. Die hatten zuletzt dunkle Schatten auf die Amtszeit des langjährigen Konzernchefs Ekkehard Schulz geworfen. Schulz hatte die Konzernführung Anfang 2011 an seinen Nachfolger Heinrich Hiesinger übergeben. Mitte Mai 2012 kündigte ThyssenKrupp an, die .
Für Vale wäre der Kauf mit einem größeren Strategiewechsel verbunden: Bis vor kurzem investierten die Brasilianer lieber in , die das in Brasilien geförderte Eisenerz Richtung China transportieren sollten. Durch den Aufbau eigener Produktionsanlagen zur Verarbeitung von Eisenerz ließen sich Beobachtern zufolge langfristig höhere Profite aus dem Rohstoffreichtum schlagen. Peking könnte dann fertige Stahlbauteile in Brasilien ordern.
Ein Sprecher des verkaufswilligen Essener Stahlkonzerns sagte auf Anfrage lediglich, man sei "selbstverständlich" mit im Gespräch. Ansonsten gelte weiter die Aussage, dass ThyssenKrupp für das Stahlwerk "strategische Optionen in alle Richtungen" prüfe.
Das brasilianische Bergbau-Unternehmen hält bereits 27 Prozent an dem erst vor zwei Jahren eröffneten Werk, das rund 80 Kilometer westlich von Rio de Janeiro in der Bucht von Sepetiba liegt. Mit den ersten Arbeiten an dem Werk wurde im Herbst 2006 "auf der grünen Wiese" begonnen.
Die Anlage umfasst Unternehmensangaben zufolge einen eigenen Hafen, einen Bereich für das sogenannte Rohstoffhandling, eine Kokerei, eine Sinteranlage, zwei Hochöfen, ein Oxygenstahlwerk und ein eigenes Kraftwerk zur Energieversorgung.
Auf Nachfragen der Nachrichtenagentur Reuters wollte die Vale-Sprecherin nun nicht ausschließen, dass Vale den Anteil an dem brasilianischen Werk aufstocken könnte. Das weltweit zweitgrößte Bergbauunternehmen sehe in den Beteiligungen an Stahlwerken eine Möglichkeit, Nachfrage nach seinem Erz zu schaffen. Gleichzeitig betonte die Vale-Sprecherin, der Konzern halte am Kerngeschäft Bergbau fest. "Wir wollen kein Stahlkocher werden", hatte Vale-Chef Murilo Ferreira im Mai gesagt.
US-Schmiede für Südkoreaner?
Für ThyssenKrupp hat sich die Anlage in Brasilien zusammen mit einem ebenfalls neu eröffneten Werk in den USA als Milliardengrab erwiesen. Für den Standort im US-Bundesstaat Alabama interessiert sich laut "Wirtschaftswoche" der südkoreanische Stahlkonzern , dem mit Abstand größten Stromverbraucher der koreanischen Halbinsel.
IG-Metall-Vorstandsmitglied Bertin Eichler sagte dem Magazin, für seine Gewerkschaft habe die Sicherung der Arbeitsplätze in Deutschland oberste Priorität. "Die IG-Metall wird alles dafür tun, dass die Stahlmitarbeiter von ThyssenKrupp in Duisburg nicht für Fehlinvestitionen des Konzerns in Übersee zahlen", sagte er mit Blick auf die Verluste im amerikanischen Stahlgeschäft.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts