"China wird Klage einreichen" Warum die EU-Strafzölle BYD völlig kaltlassen
04.07.2024, 19:39 Uhr Artikel anhören
Lediglich 777 BYD wurden hierzulande in den ersten fünf Monaten dieses Jahres neu zugelassen. Mit oder ohne Strafzölle soll das mehr werden - und zwar in ganz Europa.
(Foto: picture alliance / SVEN SIMON)
Ungeachtet der angekündigten europäischen Strafzölle auf E-Autos aus China treibt Branchenprimus BYD seinen Vorstoß auf den europäischen Markt voran. "BYD kann und wird die Zölle ohne Probleme schultern", sagt Autoexperte Dudenhöffer.
Mühsam versucht Europa beim Thema Strafzölle auf chinesische E-Autos endlich Fakten zu schaffen. Bislang herausgekommen ist - nach heutigem Stand - nur ein Säbelrasseln, das chinesische Autobauer kaum in Angst und Schrecken versetzen kann. Wie erwartet erließ die EU-Kommission am Mittwoch eine Übergangsregelung, wonach chinesische E-Autobauer ab Freitag Sonderzahlungen für EU-Importe garantieren müssen. Fällig werden sie aber frühestens ab November - falls die EU-Kommission sich bis Ende des Jahres tatsächlich für dauerhafte Zölle entscheidet. Möglich ist immer noch, dass eine andere Lösung mit der Regierung in Peking gefunden wird.
Dass diese Vorgehensweise halbherzig ist und den chinesischen Autoherstellern keine große Angst einzujagen vermag, hat nicht zuletzt BYD diese Woche bewiesen. Chinas Branchenprimus denkt gar nicht daran, seine Expansionspläne in Europa wegen möglicher Strafzölle auf Eis zu legen. Zwei Tage, bevor die EU die erste Eskalationsstufe für E-Autos "made in China" zündet, wartete BYD mit der Nachricht auf, künftig mit dem französischen Leasing-Unternehmen Ayvens zusammenarbeiten zu wollen. Ayvens ist die Autoleasing-Einheit der französischen Bank Société Générale und gleichzeitig die größte herstellerunabhängige Leasinggesellschaft Europas. Eine gemeinsame Absichtserklärung sieht vor, dass die Elektrofahrzeuge von BYD für die internationalen und lokalen Firmenkunden von Ayvens in Europa eingesetzt werden.
Zwar ist der Deal mit großen finanziellen Risiken behaftet, wie Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Institute ntv.de sagt. Den Wertverlust, wenn die Fahrzeuge zurückkommen, werde sich Ayvens von BYD bezahlen lassen. Wenn der Restwert der Autos schlechter ist als kalkuliert, werde BYD "zusätzliche Leistungen" erbringen müssen. "Aber BYD hat sich entschieden, dieses Risiko einzugehen." Der Fokus der Chinesen liegt bewusst auf dem wichtigen Flottenmarkt. Ein Großteil des Fahrzeugabsatzes entfällt in Europa auf Unternehmensflotten. Laut dem Börsen-Magazin "Der Aktionär" könnte Ayvens innerhalb eines Jahres bei mehr als 30 Unternehmen Leasingdienste mit BYD-Fahrzeugen anbieten.
Das könnte sich für den chinesischen Hersteller lohnen. BYD ist in Europa bisher beim Absatz hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Lediglich 777 Neuzulassungen bis Ende Mai standen dieses Jahr hierzulande zu Buche. Das Vorhaben des Autobauers, ein eigenes Vertriebsnetz aufzubauen, stockt. Einen Finanzpartner für das wichtige Leasinggeschäft gab es bislang nicht. Mithilfe von Ayvens soll die Eroberung des europäischen Marktes nun gelingen. Ein Deal mit Sixt seit 2022 reichte dafür bislang nicht.
Das Europageschäft würde sich für BYD sogar trotz möglicher Strafzölle lohnen. Weil der Autobauer sich erfolgreich an den Verhandlungen zu den Strafzöllen beteiligt hat, sollen seine Einfuhren nach Europa mit 17,4 Prozent Sonderzoll - dieser kommt auf den Einfuhrzoll obendrauf -, geahndet werden. In der Spitze wurden für den Import von E-Autos der Konkurrenz perspektivisch zusätzliche Zölle von 37,4 Prozent verhängt. "BYD kann und wird das schultern", ist Autoexperte Dudenhöffer überzeugt. "17,4 Prozent Sonderzoll ist ihnen die Sache auf jeden Fall wert. Der Autobauer hat große Pläne in Europa. Deshalb tritt er auch als Hauptsponsor bei der EM auf."
"China hat einen starken Hebel"
Dass die EU unterschiedliche Sonderzahlungen für chinesische E-Autobauer eingeräumt hat, je nachdem, wie sie mit Brüssel in der Zollfrage kooperiert haben und wie viele Subventionen sie erhalten, spielt BYD laut Dudenhöffer zusätzlich in die Karten. Auf jeden Fall birgt es keinerlei Anlass, sich zu diesem Zeitpunkt zurückzuziehen. Unterschiedliche Zölle seien juristisch nicht haltbar, ist er überzeugt. Sollte es Ende des Jahres tatsächlich auf dauerhafte Sonderabgaben hinauslaufen, "wird die Regierung in Peking am selben Tag Klage bei der WHO einreichen", prognostiziert er. "Die Chinesen werden sich nicht in die Enge treiben lassen. Sie wissen genau, dass ohne das chinesische Know-how die europäischen Batteriepläne zusammenfallen wie ein Kartenhaus. China hat einen extrem starken Hebel und den werden sie nutzen."
Als günstig erweist sich für BYD in der Zwischenzeit der Bau einer Fabrik in Ungarn. Hier sollen ab nächstem Jahr 150.000 Autos gefertigt werden. Auf Fahrzeuge, die in Europa produziert werden, werden keine Importzölle fällig. Bislang gibt es zwar noch keine chinesischen Produktionswerke in Europa, aber die können im großen Stil "relativ zügig gebaut werden", so Dudenhöffer weiter. Tesla habe es vorgemacht. Alternativ könnte es Teillösungen geben, bei denen Auftragsfertiger in Europa die Fahrzeuge für die chinesischen Hersteller produzieren. "Die Chinesen haben also Ausweichmöglichkeiten."
Nicht zuletzt können sich die chinesischen E-Autobauer entspannt zurücklehnen, weil die europäischen Staaten sich in der Frage von Sinn und Unsinn von Strafzöllen bislang alles andere als einig sind. Es bleibt somit abzuwarten, was bis November passiert. Am Ende könnte es ein Sturm im Wasserglas gewesen sein. Zumindest die deutsche Autoindustrie rechnet selbst ohne Strafzölle nicht damit, dass chinesische E-Autos den europäischen Markt überschwemmen werden. Der Verband VDA schätzt, dass deren Anteil am gesamten PKW-Markt sich bis 2030 bei etwa fünf bis zehn Prozent einpendeln dürfte. Dudenhöffer ist sich sicher: "Das, was die EU macht, wird in die Geschichte der Wirtschaftsbeziehungen als Treppenwitz eingehen."
Quelle: ntv.de