Strafzinsen für Banken Warum die EZB ihren Krisenmodus verschärft
24.05.2014, 10:54 Uhr
EZB-Präsident Mario Draghi fährt derzeit einen lockeren geldpolitischen Kurs.
(Foto: Reuters)
Der Leitzins ist so niedrig wie nie, Banken bekommen Liquidität für lau. Doch ihre äußerst lockere Geldpolitik ist der EZB immer noch nicht lax genug. Was bedeutet das für Sparer?
Auf der nächsten Ratssitzung am 5. Juni wird die Notenbank aller Voraussicht nach zu radikalen Mitteln greifen, um die Krise in der Eurozone zu bekämpfen. n-tv.de beantwortet die wichtigsten Fragen.
Warum sieht die EZB Handlungsbedarf?
Den Zentralbankern machen drei Dinge Sorgen: Die äußerst niedrige Inflation in der Eurozone, die schwache Konjunktur besonders im Süden und der starke Euro.
Die Inflationsrate liegt bei nur 0,7 Prozent. Die EZB sieht Preisstabilität bei einer Teuerungsrate von knapp unter zwei Prozent gegeben. Zudem bleibt beim Wachstum die Kluft innerhalb der Währungsunion groß. Während die Konjunktur in Deutschland brummt, kämpfen sich andere Ländern nur mühsam aus der Rezession heraus. In den vergangenen Monaten hat der Euro im Vergleich zu anderen Währungen an Wert gewonnen. Diese Aufwertung ist besonders für die exportorientierte Wirtschaft der kriselnden Euro-Staaten ein Problem.
Was hat die EZB vor?
Angesichts dieser Probleme wird die Zentralbank bei ihrer nächsten Zinssitzung ihre ohnehin schon sehr laxe Geldpolitik aller Voraussicht nach noch weiter lockern. Seit Wochen bereitet die EZB die Märkte und die Öffentlichkeit darauf vor.
Wahrscheinlich ist ein ganzes Paket von Maßnahmen. Der rekordniedrige Leitzins von 0,25 Prozent wird wohl auf 0,15 Prozent sinken. Weil das wohl nur einen geringen Effekt haben wird, denkt die EZB über weitere Werkzeuge nach, die den stockenden Kreditfluss zu klein- und mittelständischen Firmen vor allem in den besonders hart von der Krise betroffenen Ländern beleben sollen. Für Aufsehen sorgt dabei eine Möglichkeit: Strafzinsen für Banken, wenn sie Geld bei der EZB parken.
Was will die EZB damit erreichen?
Das billige Geld der EZB soll Investitionen und Konsum in der Eurozone erhöhen und damit für Wachstum sorgen. Zugleich soll damit eine Deflation verhindert und der Eurokurs gedrückt werden.
Was sind negative Einlagezinsen?
Wenn Banken ihr Geld bei der EZB parken, bekommen sie dafür normalerweise Zinsen. Doch die EZB will das verhindern und stattdessen erreichen, dass die Banken Kredite vergeben und damit die Konjunktur ankurbeln. Daher liegt der Einlagesatz momentan bei null. Da Banken aber immer noch Geld bei der EZB bunkern und nicht an Kunden weiterreichen, könnte er negativ werden. Die Geldhäuser müssten dann also eine Strafgebühr zahlen.
Funktioniert das überhaupt?
Das ist nicht sicher. Denn es gibt wenig Erfahrung mit diesem Instrument. Dänemark probierte einen negativen Einlagezins aus und erzielte dabei gemischte Resultate. Banken gaben die Gebühren an ihre Kunden weiter und verteuerten damit Kredite. Um das zu verhindern, erwägt die EZB nur einen geringen Strafzins.
Zudem hatte der Schritt in Dänemark auch eine gute Seite: Dadurch schwächte die Notenbank die Krone. Befürworter im EZB-Direktorium verweisen auf diesen Wechselkurseffekt. Der Euro gilt als zu hoch bewertet gegenüber Dollar oder Yen und verteuert so die Exporte - zumal die US-amerikanische und die japanische Notenbank versuchen, ihre Währungen zu schwächen.
Führt eine lockere Geldpolitik zwangsläufig zur Inflation?
Die Inflation in der Eurozone ist gering, auch in Deutschland ist sie mit 1,3 Prozent sehr niedrig. Solange das Zentralbankgeld nicht im Wirtschaftskreislauf ankommt und die Konjunktur in der Eurozone mau ist, wird sich daran nichts ändern.
Der Preisdruck im Euroraum wird nach Einschätzung von Ökonomen in den nächsten Jahren noch schwächer ausfallen als bislang angenommen. Der EZB zufolge erwarten sie im Schnitt für dieses Jahr eine Inflationsrate von 0,9 Prozent, im kommenden Jahr rechnen sie mit einem leichten Anstieg auf 1,3 Prozent. Für 2016 sagen die Ökonomen nun eine Jahresteuerungsrate von 1,5 Prozent voraus. In der Eurozone gibt es eher deflationäre als inflationäre Tendenzen.
Wie real ist die Deflationsgefahr?
Dass die Eurozone insgesamt in eine Deflation abgleitet, ist eher unwahrscheinlich. EZB-Präsident Mario Draghi erklärte jüngst, die moderate Erholung der Konjunktur im Euroraum schreite voran. Das dürfte den Preisauftrieb stärken. Bundesbankpräsident Jens Weidmann hält die Risiken von Preis- und Lohnrückgängen auf breiter Front im Euroraum für sehr begrenzt. Doch die EZB will deflationäre Tendenzen gar nicht erst entstehen lassen.
Warum sind sinkende Preise schlecht?
Für Verbraucher klingen sinkende Preise zunächst erfreulich, schließlich bekommen sie mehr für ihr Geld. Doch die Gefahr ist, dass eine Abwärtsspirale in Gang kommen könnte, wenn die Preise quer durch alle Warengruppen verfallen.
"Der Verbraucher hält sein Geld zusammen, gibt es nicht aus und wartet auf das nächste Jahr. Das wirkt auf Dauer nachfragemindernd und verstärkt die Deflationsspirale", sagt Ifo-Chef Hans-Werner Sinn. Für Firmen bedeuten fallende Preise, dass ihre Einnahmen sinken. Entlassungen oder gar Pleiten sind die Folge. Dazu kommt, dass Verbraucher und Unternehmen sich in einem deflationären Umfeld scheuen, Kredite aufzunehmen. Denn durch die Deflation werden Schulden real immer größer - während sie durch Inflation kleiner werden.
Braucht Deutschland eine noch lockere Geldpolitik?
Betrachtet man Deutschland isoliert, dann sicher nicht. Doch die EZB ist für alle Euro-Länder zuständig und muss ihre Geldpolitik damit an der gesamten Währungsunion ausrichten. Die Inflation ist auch hierzulande niedrig, deshalb kann Deutschland den Kurs der EZB mittragen. Das Wachstum hierzulande ist auch eine Folge dieses Kurses. Zudem ist es im Interesse Deutschlands, dass die Krisenländer wieder auf die Beine kommen. Die lockere Geldpolitik hilft dabei.
Muss der Sparer die Zeche zahlen?
Ja. Sparer bekommen derzeit kaum Zinsen. Bei besonders sicheren Anlagen erleiden manche sogar Verluste, da die Zinsen unter der Inflationsrate liegen. Ein Ende dieser Niedrigzinsphase ist nicht in Sicht.
Ist das nicht ungerecht?
Wie man es nimmt. Denn die meisten Sparer sind auch Arbeitnehmer - und die lockere Geldpolitik stützt die Konjunktur. Außerdem sind im Gegenzug Kredite billig. Deshalb können sich in Deutschland viele Menschen trotz der steigenden Preise Wohneigentum leisten. Die EZB argumentiert, dass die lockere Geldpolitik hilft, die europäische Krise zu beenden. Sobald das eintrete, würden die Zinsen wieder steigen.
Quelle: ntv.de, mit rts/dpa