Putzkräfte verdienen an Engpass Wenn der Personalmangel die Karten neu verteilt


"Der Fachkräftemangel sorgt aktuell für einen krassen Nachfrageüberhang", sagt Helpling-Gründer Huffmann.
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Personal ist in Deutschland derzeit ein knappes Gut. Auf Plattformen wie Helpling bekommen Putzkräfte und deren Kundschaft das unvermittelt zu spüren. Anderswo werden Tarife neu verhandelt, hier schafft das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage direkt Tatsachen.
Helpling ist ein Marktplatz. Das Berliner Digitalunternehmen vermittelt hauptsächlich Putzkräfte, aber auch Altenpfleger oder Menschen, die mit dem Hund eine Runde Gassi gehen. Und Helpling ist eine App: Menschen melden sich an, bieten ihre Dienste an, andere suchen diese. Die einen geben an, für welchen Stundenlohn sie welchen Job machen würden, die anderen, was sie bereit sind zu zahlen. Helpling bringt beide Seiten zusammen.
Grundsätzlich funktioniert das: Im ersten Jahr, 2014, waren bei Helpling 2.400 Reinigungskräfte angemeldet, mittlerweile sind es zehnmal so viele. Aber das Geschäft habe sich in den vergangenen Jahren sehr verändert, sagt Huffmann: "Vor Corona hat man immer jemanden gefunden." Zum Ende der Pandemie war der Arbeitsmarkt laut Huffmann dann komplett leer gefegt.
Der Fachkräftemangel macht sich überall in Deutschland bemerkbar: am Tresen, im Haarsalon, dem Kreißsaal oder an der IT-Hotline. An vielen Stellen befeuert er Tarifstreits, gibt Gewerkschaften Verhandlungsargumente an die Hand, bricht sich in Streiks Bahn und in Diskussionen über die 35-Stunden-Woche. Auf einem Marktplatz wie dem von Helpling wird der Mangel an Arbeitskräften viel direkter verhandelt. Hier zeigt sich wie im Brennglas, was passiert, wenn ein Engpass beim Personal auf einen wenig regulierten Markt trifft.
"Das ist das Schöne am Marktplatz"
Weniger Reinigungskräfte für ähnlich viele Putzjobs - für ihn als Marktplatzbetreiber sei das "suboptimal" gewesen, sagt Huffmann. Die Dienstleistenden hätten sich zeitweise aussuchen können, welche Aufträge sie annehmen wollten, seien unzuverlässig geworden. Gleichzeitig aber entwickelten sich die Preise: Vor Corona habe der Stundenlohn auf Helpling durchschnittlich bei 16 Euro gelegen, mittlerweile sind es 22 Euro, teilt das Unternehmen mit.
Die höheren Preise hätten mehr Anbieter angelockt, was das Ungleichgewicht zwischen Nachfrage und Angebot teilweise angeglichen habe. "Das ist das Schöne am Marktplatz", sagt Huffmann: Er tendiere dazu, sich selbst zu stabilisieren. Die hohen Preise sorgten für mehr Angebot, hielten die Nachfrage in Schach. So wachse der Druck auf die Preise und dann zöge auch die Nachfrage wieder an.
So weit ist es aber noch nicht. "Der Fachkräftemangel sorgt aktuell für einen krassen Nachfrageüberhang", sagt Huffmann. In manchen Teilen Deutschlands kämen Menschen neu auf die Plattform und seien sofort ausgebucht. Das bedeutet für Huffmann auch: "Wir können viele Anfragen nicht abdecken." Betroffen sei ein kleiner Prozentbereich des Geschäfts - mit weitreichenden Auswirkungen: Da, wo die Putzkräfte besonders knapp sind, sieht man das laut Huffmann an den Preisen. In Stuttgart etwa würden eher 30 Euro Stundenlohn aufgerufen und nicht 20 Euro, wie in Berlin üblich.
500 Euro Strafe für Plattformflüchtige
Helpling sieht sich als neutraler Vermittler. Aber das Unternehmen gestaltet den Marktplatz auch, macht die Regeln, verkauft seine Plattform als Leistung an die Reinigungskräfte. Helpling behält einen Anteil der Summe ein, die Privathaushalte und Unternehmen für die Reinigung zahlen. Der Anteil variiert, von 25 bis 39 Prozent wird berichtet, Huffmann will dazu nichts sagen. Nur so viel: Man habe extrem hohe Marketingkosten, biete den Dienstleistenden Technologie und Service, nehme mit der erfolgsgebundenen Gebühr unternehmerisches Risiko auf sich.
Für die Vermittelten bietet es sich an, den Vermittler Helpling außen vor zu lassen, ist der Kontakt erst einmal hergestellt. Man hat sich gefunden, kann sich die hohe Gebühr sparen. Anders als bei Plattformen wie Uber oder Lieferando sind die Beziehungen zwischen den auf Helpling Vermittelten typischerweise langfristiger, es müssen nicht immer wieder neue Kontakte zustande gebracht werden.
Für Helpling ist das ein Geschäftsrisiko: "Natürlich haben wir Möglichkeiten herauszufinden, ob jemand das Ganze ohne uns macht", sagt Huffmann. Wenn eine Putzkraft immer wieder nur den ersten Auftrag annähme und keine weiteren folgten, falle das auf. Allein, die Handhabe sei beschränkt. Es gebe keine automatischen Sanktionen, man spreche die Person im Zweifelsfall eben an. Womöglich wird dabei auf die 500 Euro Strafe verwiesen, die Helpling plattformflüchtigen Putzkräften in seinen AGB androht.
"Ganz gut, auch mal Gewinne zu machen"
Die Sozialwissenschaftlerin Barbara Orth sagt im Gespräch mit ntv.de, die auf Internetplattformen vertretenen Putzkräfte seien oft gut ausgebildete junge Menschen aus dem Ausland, digital erfahren, teilweise Anwältinnen oder Ingenieure, deren Abschlüsse in Deutschland (noch) nicht anerkannt seien. Orth forschte für ihre Doktorarbeit zur sogenannten Gig-Ökonomie und meint: "Plattformen, die haushaltsnahe Dienstleistungen vermitteln, sind bekannt dafür, es mit den Regularien nicht ganz so genau zu nehmen." Das sei für Menschen hilfreich, die wenig Erfahrung auf dem deutschen Arbeitsmarkt haben, denen möglicherweise die nötige Anmeldung oder eine geeignete Zulassung fehlt.
Helpling-Gründer Huffmann sagt: "Das Wichtigste für uns ist, dass die Dienstleister happy sind." Am Ende sind die Putzkräfte die Kundschaft Helplings, sie generieren die Einnahmen, die das einstige Start-up nach Jahren der Verluste in die Gewinnzone brachten. Gründer Huffmann sagt, man sei keine junge Firma mehr - Helpling feiert dieses Jahr seinen zehnten Geburtstag: "Da ist es natürlich ganz gut, auch mal Gewinne zu machen."
Helplings größter Konkurrent sei der Schwarzmarkt, sagt Huffmann. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft wird nur jede zehnte Haushaltshilfe in Deutschland angemeldet. Helpling bietet eine Alternative zu professionellen Reinigungsagenturen und der illegalen Beschäftigung von Putzkräften: Die Plattform bietet einen einfachen Zugang zu Arbeit, ohne dafür viel Papierkram erledigen zu müssen. Man muss lediglich mit einem Smartphone umgehen können, keine Verträge und Rechnungen schreiben, um einen Job zu finden oder eine Putzkraft. Nicht einmal Deutschkenntnisse sind vonnöten.
Zwischen Schattenwirtschaft und Anstellung
Die Forscherin Orth sagt, viele Menschen aus dem Ausland fänden über digitale Plattformen einen schnellen Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt. Manchen von ihnen würde erst sehr viel später klar, dass sie über die Plattformen nicht versichert waren, dass sie hätten Steuern zahlen müssen.
Denn Helpling garantiert nicht, dass Steuern und Abgaben gezahlt werden. Die Reinigungskräfte gelten als selbstständig, Helpling prüft nicht, ob sie ihre steuerlichen Pflichten erfüllen. Die Plattform öffnet einen Raum zwischen Anstellung und Schattenwirtschaft: Die Solo-Selbstständigen haben keine vertraglichen Urlaubstage, bekommen im Krankheitsfall keinen Lohn; wenn sie kurzfristig einen Auftrag absagen, zahlen sie sogar Stornierungsgebühren an Helpling.
Der Markt gibt ihnen die Freiheit, von der wirtschaftlichen Situation direkt zu profitieren. In diesem Erwerbsmodell tragen die Putzkräfte dafür Risiken und Pflichten. Daran ändert auch ihre kurzfristig verbesserte Position auf dem Markt wenig.
Quelle: ntv.de