Inside Wall Street "Zuck" lustlos im Bad
10.05.2012, 11:40 Uhr
"Zuck" verhält sich wie ein Kind.
(Foto: REUTERS)
Facebook ist das wichtigste soziale Netzwerk und Zuckerberg ist Facebook. Aber die Kritik an ihm wächst: "So kann man kein 100-Milliarden-Dollar-Unternehmen führen", lautet ein Analystenkommentar auf der Roadshow zum anstehenden Börsengang. Zuckerberg lässt potenzielle Geldgeber warten, wirkt lustlos - wie ein "Kind". Dabei gibt es viele Probleme.
Eine Woche vor dem umjubelten Börsengang tourt Facebook mit seiner IPO-Roadshow durch die USA - nur einer fehlt: Mark Zuckerberg. Am Montag machte das Wunderkind den Zirkus noch mit, am Dienstag blieb er der Veranstaltung fern. Sehr zum Ärger der Investoren, die den CEO zumindest kennenlernen wollten, bevor sie Milliarden in sein Unternehmen pumpen.
Auf das große Kennenlernen hat Zuckerberg offensichtlich keine Lust. Beim ersten Investorentreffen am Montag im Hotel Sheraton in Manhattan schlurfte der 27-Jährige lustlos in Jeans und Kapuzenpulli umher, verbrachte dann eine ungewöhnlich lange Zeit im Badezimmer, bevor er sich mit reichlich Verspätung zu einem Meeting begab, das ohnehin schon eine Stunde zu spät begonnen hatte. Zuckerberg sei eben "ein Kind und versteht offensichtlich nichts von Pünktlichkeit", schimpfte ein potenzieller Geldgeber später. Ein anderer sagte: "So kann man kein 100-Milliarden-Dollar-Unternehmen führen."
"Zuck" und das Kleinvieh
Zumal Zuckerberg, als er schließlich erschien, seine Fans erneut enttäuschte: Statt einer Rede gab es ein recht langweiliges Video, das vorab auch schon online zu sehen war. Dann folgte eine ungewöhnlich kurze Fragerunde, bevor "Zuck" sich wieder verabschiedete. Dass er am Dienstag in Boston gar nicht mehr auftauchte, erzürnte viele Anleger noch mehr - der Börsengang von Facebook macht nun noch mehr Schlagzeilen als zuvor, doch sind die meisten kritisch und Analysten zweifeln.
Denn dass sich der Facebook-Gründer nicht blicken lässt, ist ein echtes Problem. Schließlich ist ein Investment in Facebook letztlich ein Investment in die Person Zuckerberg - der Mann kontrolliert immerhin 57 Prozent des Unternehmens und hat damit mehr Macht als andere CEOs.
Im Prinzip kann "Zuck" Entscheidungen über das Netzwerk selbst treffen und sich notfalls im Alleingang über sämtliche anderen Anteilseigner hinwegsetzen - das macht Investoren Sorgen. Konkurrenz für den Chef gibt es kaum. Größere Anteile an Facebook haben allein Jim Breyer und Dustin Moskovitz, zwei Venture-Capital-Größen, die gemeinsam 20 Prozent halten. Der PayPal-Gründer Peter Thiel, einer der ersten Geldgeber, hält rund 2,5 Prozent, der Browser-Pionier Marc Andreesen etwa 2 Prozent. COO Sheryl Sandberg und Finanzchef David Ebersmann kommen auf weniger als 1 Prozent, die übrigen Vorstandsmitglieder sind Kleinvieh.
Risiken zuhauf
Die Vormachtstellung von Zuckerberg wäre für Investoren vermutlich kein Problem, wäre der junge Mann umstritten. Doch das ist er bei Weitem nicht. Gerade erst kam er für die Übernahme der Foto-App Instagram unter Beschuss, für die Facebook 1 Mrd. Dollar zahlte - viel zu viel nach Meinung von Branchenexperten. Fragen zu Instagram stellte sich Zuckerberg bislang nicht, und auch zu anderen Risiken will er sich nicht äußern. Doch die gibt es zuhauf.
Facebook hat, wie auch andere Webseiten und Online-Dienste, vor allem mit der Unzuverlässigkeit seiner User zu kämpfen. Zwar läuft es zur Zeit bestens für das wichtigste "social network", doch eine Garantie für die nächsten Jahre ist das nicht. Was passiert etwa, wenn Usern das neue Layout nicht gefällt? Wenn sie die Timeline nicht mögen oder den Nachrichtenfeed? Die sonst so hippen Facebook-User haben sich in den letzten Jahren immer wieder erschreckend konservativ gezeigt und selbst bei kleinen Änderungen an der Seite mit Massenboykott gedroht.
Dabei sind Änderungen am Layout nicht einmal das größte Problem. Was passiert etwa, wenn Usern die Weitergabe von Daten zu weit geht? Grundsätzlich: Was passiert, wenn sich User massenweise von Facebook verabschieden?
Warnendes Beispiel MySpace
Dann würden die Werbeeinnahmen dramatisch einbrechen, die im Moment rund 85 Prozent des Umsatzes ausmachen. Es braucht nicht einmal ein großes Maß an Schwarzmalerei, um sich einen massiven Absturz für Facebook vorzustellen. Vielmehr reicht ein Blick in die nicht allzu ferne Vergangenheit, als MySpace binnen weniger Monate von der wichtigsten Community im Internet zu einem Nischenspieler degradiert wurde. Medienmilliardär Rupert Murdoch, der als CEO mit Sicherheit über mehr Erfahrung verfügt als etwa Zuckerberg, wurde von der Entwicklung überrascht und verlor Milliarden.
Auch wenn die User Facebook treu bleiben, droht Gefahr. Geld macht man zur Zeit etwa nur über Anzeigen auf der Webseite - auf mobilen Geräten wird nicht geworben. Das wirft die Frage auf: Was passiert, wenn sich User künftig mehr über ihr Smartphone einloggen und weniger über Computer und Laptop? Das ist ein Trend, der durchaus vorstellbar, wenn nicht sogar zu erwarten ist. Unklar ist auch, wie sich der bislang unumstrittene Branchenriese gegenüber einem plötzlich erstarkenden Konkurrenten durchsetzen würde, etwa Google Plus.
Noch eine Frage ...
Ferner weiß man nicht, was aus der Urheberrechtsklage von Yahoo wird, die Facebook eine Menge Geld kosten könnte. In den Sternen steht die Zukunft von Zynga. Der Betreiber von populären Onlinespielen wie Farmville und Cityville sorgt für 11 Prozent des Umsatzes bei Facebook. Was passiert, wenn sich der Shooting Star eine eigene Plattform aufbaut und das Netzwerk von Zuckerberg nicht mehr braucht?
Facebook mag der heißeste Börsengang des Jahres sein. Doch ein Blick hinter die Kulissen zeigt, dass der rapide Aufstieg des Netzwerks trotz (oder auch wegen) einiger hastiger Entwicklungen stattgefunden hat, und dass einige wenige Probleme genügen könnten, das Unternehmen zu dezimieren. Man sollte sich gut überlegen, ob man Geld in eine Seite investiert, die eine Woche vor dem Start an der Nasdaq mit fast 100 Mrd. Dollar bewertet wird. Dass Investoren Fragen haben, ist nur selbstverständlich - Zuckerberg täte gut daran, einige auch zu beantworten.
Quelle: ntv.de