Die Sprengkraft der Eurobonds Merkels unmögliche Mission
16.08.2011, 13:25 Uhr
Paris, die Stadt der Liebe.
(Foto: REUTERS)
Vor dem Treffen in Paris steigen die Erwartungen ins Unerreichbare: Die Märkte rechnen bereits fest mit einem klaren Signal zum Thema Eurobonds. Der Kanzlerin bleibt kaum Spielraum. Will sie mit der FDP im Amt bleiben, muss sie schweigen. Doch wenn sie nicht spricht, drohen neue Turbulenzen.
Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel in Paris zu Beratungen mit Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy zusammentrifft, wird sie dort nicht nur vom mächtigsten Mann der zweitgrößten europäischen Volkswirtschaft empfangen. Gegen ihren Willen ist ihr ein hochbrisantes Stichwort vorausgeeilt: In der französischen Hauptstadt lauern die Eurobonds.
Nervös wird die Weltöffentlichkeit verfolgen, ob und wie sich die Kanzlerin zu den umstrittenen Plänen einer gemeinsamen Euro-Anleihe äußert. Dabei stehen Eurobonds angeblich gar nicht auf der Agenda. Offiziell soll es in Paris lediglich um "gemeinsame Vorschläge zur Stärkung der wirtschaftspolitischen Steuerung der Eurozone" gehen, wie die Bundesregierung bis zuletzt beteuerte. Eigentlich treffen sich Merkel und Sarkozy auch nur zu deutsch-französische Beratungen vor dem Ende der parlamentarischen Sommerpausen. Erst unter dem Druck der Märkte hat sich die Einladung nach Paris in ein ausgewachsenes Krisentreffen verwandelt.
Wie auf dem letzten vereinbart, wollen Kanzlerin und Staatspräsident laut offizieller Darstellung nur "die Überlegungen des Präsidenten des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy" unterstützen. Der feilt nämlich im Auftrag der Staats- und Regierungschefs an den "Arbeitsmethoden" und einem neuen Konzept "für ein verbessertes Krisenmanagement in der Eurozone". Im Klartext: Van Rompuy sucht nach Wegen, die Konstruktionsfehler des Euro zu beheben. Von den Gipfelteilnehmern hatte er sich dazu konkrete Ideen und Anregungen gewünscht. Die Wirklichkeit könnte seine Bemühungen überholen.
Denn die macht Europas Spitzenpolitiker zu Gejagten. Das gesamte Großprojekt " " ist in Gefahr. Das Tempo, in dem weitreichende Entscheidungen fallen, erscheint haarsträubend. Ein paar Eckdaten zur Erklärung: Von den römischen Verträgen mit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bis zur Einführung der Gemeinschaftswährung vergingen noch fast vier Jahrzehnte. Sie waren angefüllt mit ausführlichen Grundsatzdebatten und Diskussionen um Ausrichtung und Ausgestaltung des gemeinsamen Vorgehens. Nur knapp zehn Jahre dagegen brauchte die Währungsunion, um in eine existenzgefährdende Krise zu taumeln. Merkel und Sarkozy sollen nun binnen Tagen neue Grundlagen schaffen. Was läuft da falsch?
Die Antwort ist simpel: . Das Thema Staatsverschuldung wurde zu lange ignoriert. Jetzt haben die Gläubiger zu viel Einfluss. Die Nervosität der Investoren diktiert den Zeitplan. Entsprechend gehetzt agieren die Staats- und Regierungschefs. Kaum vorstellbar, dass unter diesen Bedingungen eine solide und langfristig tragfähige Lösung gefunden werden kann.
Kurshalten oder Kehrtwende?
Unter Befürwortern gilt die Idee einer gemeinsamen Anleihe zur Stabilisierung der Eurozone als große Generallösung zur Beendigung der Krise. Überall dort, wo es in der Währungsunion brennt, rufen die politisch Verantwortlichen nach Rettung durch solidarische Euro-Anleihen. Auch Sarkozy ist dafür: . Eurobonds, so die Hoffnung, sorgen für schnelle Entlastung.
Bleibt nur ein Problem: In der Eurobond-Idee steckt erhebliche innenpolitische Sprengkraft. Die Regierungschefs müssten schlechteren Konditionen am Bond-Markt zustimmen, um Staaten wie Griechenland oder zu stützen. Wenn schon die Kanzlerin den Deutschen nicht erklären kann, dass dadurch die Kreditlasten im eigenen Staatshaushalt steigen – wie sollen das dann die Österreicher, Niederländer oder Finnen können?
Was sagt der Wähler?
Merkel steht das Wasser bis zum Hals: Zuhause in Berlin steht die Koalition vor einer Zerreißprobe. Der kleinere Koalitionspartner, die FDP, entdeckt eine Profilierungshilfe und . Auch in den . Und nach dem Ende der Sommerpause muss sich die Kanzlerin auch noch im Bundestag der Debatte um die Beschlüsse des großen Euro-Gipfels von Ende Juli stellen. Aus der Sicht nicht weniger Parlamentarier ist das letzte Wort hier noch lange nicht gesprochen.
Die Bundeskanzlerin steht vor einer schier unlösbaren Aufgabe: Nicht nur die Schuldenkrise, auch das Regieren ist längst in neue Dimensionen vorgedrungen. Merkel muss ihre Entscheidungen in alle Richtungen sturmfest zurren - und nebenbei auch den Stimmungen an den Kapitalmärkten Genüge tun. Sie wird viel Fingerspitzengefühl benötigen, um aus der Eurobonds-Debatte nicht völlig ramponiert hervorzugehen.
Quelle: ntv.de