Deutliche Zahlen aus Sambia Afrika wurde keineswegs von Corona verschont
31.03.2022, 13:50 Uhr (aktualisiert)
Die meisten wissenschaftlichen Daten zum Infektionsgeschehen in Afrika stammen aus Südafrika.
(Foto: REUTERS)
Scheinbar wütet Corona in Afrika nicht so sehr wie in Europa oder Amerika. Das ist allerdings ein Irrtum, wie eine Studie aus Sambia zeigt. Die Sterblichkeit ist sogar noch höher und betrifft alle Altersgruppen.
Noch immer hält sich hartnäckig die Annahme, dass die Corona-Pandemie in Afrika weniger tödlich verläuft als in Europa oder Amerika. Eine Studie aus Sambia zeigt nun, dass das Coronavirus afrikanische Länder keineswegs verschont hat. Bisher lagen lediglich aus Südafrika nennenswerte Daten vor, die aber als Ausnahme angesehen wurden.
Ein Team um Christopher Gill von der Boston University School of Public Health untersucht seit mehreren Jahren, wie häufig Infektionen mit dem respiratorischen Synzytial-(RS)-Virus und dem Keuchhustenbakterium Bordetella pertussis in Afrika zum Tod führen. In reicheren Ländern verlaufen diese Infektionen meist milde. In der Pandemie wurde der Schwerpunkt der Forschung dann auf Covid-19 verschoben.
In einer systematischen Untersuchung von Verstorbenen der Universitätsklinik in Lusaka wurde so im Zeitraum von Juni bis Oktober 2020 bei jedem dritten Toten Sars-CoV-2 nachgewiesen. Auf dem Höhepunkt der Erkrankungswelle stieg der Anteil sogar auf 90 Prozent. Das zeigen Studienergebnisse, die in medRxiv veröffentlicht wurden.
Größtes Leichenschauhaus von Lusaka
Für die Untersuchung wurden bei Verstorbenen Nasen-Rachenabstriche gemacht. Die Universitätsklinik in Lusaka verfügt über das größte Leichenschauhaus der Stadt. Dort werden nicht nur die Patienten obduziert, die in der Klinik gestorben sind, sondern auch Menschen, die zu Hause starben.
Die Forschenden erfassten insgesamt drei Corona-Wellen, die jeweils im Juli 2020, Januar 2021 und im Juni 2021 ihre Höhepunkte erreichten. Dabei herrschten die Virusvarianten AE.1, Beta und Delta. Bereits in der ersten Welle vom Juni bis September 2020 war jeder fünfte Verstorbene demnach mit Sars-CoV-2 infiziert, wie die Forschenden bereits im März 2021 im Britischen Ärzteblatt zeigten.
Anders als in den westlichen Ländern starben vor allem jüngere Menschen. 80 Prozent der Verstorbenen waren zwischen 20 und 59 Jahre alt, bei 10 Prozent handelte es sich um Kinder und Jugendliche. Bei den wenigsten Patienten war die Infektion bekannt.
Inzwischen wurden weitere Ergebnisse aus den folgenden beiden Krankheitswellen von Januar bis Juni 2021 ausgewertet. Bei den anschließenden PCR-Tests wurde bei 358 der 1118 Verstorbenen eine Corona-Infektion festgestellt. Das waren 32 Prozent. Auf dem Höhepunkt hatten demnach sogar 90 Prozent der Verstorbenen eine nachgewiesene Corona-Infektion. Nach Einschätzung von Gill war Covid-19 wahrscheinlich oder möglicherweise bei 73,9 Prozent der Toten die Todesursache.
Die Todesfälle traten wieder in allen Altersgruppen auf, auch unter Kindern und Jugendlichen. Der Anteil der Verstorbenen, die bereits vor dem Tod positiv getestet wurden, lag bei den Klinikpatienten bei 52,6 Prozent, bei den Todesfällen außerhalb der Klinik war die Infektion nur bei 1,8 Prozent bekannt. Im Einzugsgebiet der Klinik befinden sich laut Gill ärmere Wohngebiete, in denen es kaum eine ärztliche Versorgung gibt.
Deutliche Datenlücke in der Corona-Nachverfolgung
Der Eindruck, dass Afrika von der Pandemie verschont bleibe, beruht nach Gills Ansicht auf einer Fehleinschätzung. Sie sei entstanden, weil in weiten Teilen der Bevölkerung die Todesursachen nicht untersucht wurden. Auch die im Vergleich zu höher entwickelten Ländern niedrigere Lebenserwartung sei, anders als bisher angenommen, kein "Schutzfaktor". Wegen des schlechten gesundheitlichen Zustands vieler Menschen könnte die Zahl der Todesfälle bei jüngeren Menschen sogar noch weitaus höher sein als in reicheren Ländern, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
"Covid-19 hatte verheerende Auswirkungen auf Lusaka", schreiben die Forschenden. Corona-Todesfälle seien in allen Altersgruppen aufgetreten und "waren die häufigste Todesursache während der Hauptübertragungszeiten". Dass das bisher nicht wahrgenommen werde, liege lediglich an der schwachen Datengrundlage. Gill und sein Team vermuten, dass viele Infektionsmuster in Afrika zudem anders aussehen als in Ländern mit hohem Einkommen. Darauf deute auch die hohe Sterblichkeit unter Kindern hin.
(Dieser Artikel wurde am Mittwoch, 30. März 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, sba