"Ära des globalen Kochens" Juli wird weltweit wohl der heißeste Monat seit Jahrtausenden
27.07.2023, 15:40 Uhr Artikel anhören
Drohen in den kommenden Monaten weitere Hitzewellen?
(Foto: REUTERS)
In Südeuropa treiben Hitzewellen viele Menschen an ihre Belastungsgrenzen, in China herrschen Rekordtemperaturen: dieser Juli ist besonders warm. Laut Experten sogar der wärmste seit Messbeginn. Für die kommenden fünf Jahre geben sie zudem eine düstere Prognose ab.
Der Juli dürfte mit größter Wahrscheinlichkeit der bislang heißeste Monat seit Messbeginn werden. Das berichteten die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) und der europäische Klimawandeldienst Copernicus nach Auswertung der Daten bis zum 23. Juli. Selbst sehr kühle Tage vor dem 1. August könnten dies nicht mehr ändern. Die drei Wochen Anfang Juli seien nach ersten Analysen der wärmste bislang gemessene Dreiwochenblock gewesen. Copernicus bezieht sich auf eigene Messdaten seit etwa 1940.
Längere Berechnungen zeigen jedoch, dass die Erderwärmung durch den menschengemachten Klimawandel seit Anfang des vergangenen Jahrhunderts langsam voranschreitet. Sie hat sich seit den 1980er-Jahren sehr stark beschleunigt. Zwar war das Wetter in Deutschland und Nordeuropa im Juli gefühlt weniger warm als in anderen Sommern, aber im globalen Durchschnitt waren Hitzewellen in Nordamerika, Asien und Südeuropa ausschlaggebend. Ebenso habe dazu die hohe Wassertemperatur der Ozeane zu dem besonders warmen Juli beigetragen, berichtete die WMO.
"Die Welt sitzt auf einem heißen Stuhl", sagte UN-Generalsekretär António Guterres. "Wir müssen nicht bis Ende des Monats warten, um das genau zu wissen. Wenn es in den nächsten Tagen keine Mini-Eiszeit gibt, wird der Juli alle Rekorde brechen." Weiter sagte er: "Die Ära der globalen Erwärmung ist vorüber. Die Ära des globalen Kochens ist angebrochen." Guterres rief Politiker auf, umgehend drastische Schritte zur Eindämmung des Klimawandels zu beschließen.
In den ersten 23 Juli-Tagen lag die globale Durchschnittstemperatur nach diesen Angaben bei 16,95 Grad. Bislang war nach den europäischen Berechnungen der Gesamt-Juli 2019 mit 16,63 Grad der heißeste. NOAA nennt den Juli 2021 als heißesten Monat. Der Unterschied könne damit erklärt werden, dass die NOAA-Berechnungen große Teile der Polarregionen nicht einrechneten, teilte Copernicus mit. Weitere Analysen, etwa von der US-Behörde NOAA, werden Mitte August erwartet. Der heißeste einzelne Tag war nach Angaben von WMO und Copernicus der 6. Juli, mit einer globalen Durchschnittstemperatur von 17,08 Grad, dicht gefolgt vom 5. und 7. Juli.
Der vorherige Rekord stammte vom 13. August 2016 mit einem Wert von 16,8 Grad. Dieser Rekord wurde in diesem Jahr an mindestens 17 Juli-Tagen übertroffen. Auch eine aktuelle Analyse des deutschen Klimawissenschaftlers Karsten Haustein kommt zu dem Ergebnis, dass es "praktisch sicher" sei, dass der Juli der heißeste Monat seit der Industrialisierung werde: Demnach lag die Durchschnittstemperatur im Juli 2023 nach derzeitigen Berechnungen um 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau (1850-1900). "Es übertrifft alles, was wir bisher gesehen haben", sagte der Wissenschaftler vom Institut für Meteorologie der Universität Leipzig am Donnerstag bei der Vorstellung der Ergebnisse.
"Heißester Juli aller Zeiten"
Natürlich sei der Juli noch nicht ganz vorbei, sagte Haustein. Trotzdem könne man unter Berücksichtigung der Wettervorhersagen für die kommenden Tage schon jetzt sagen, dass ein Rekordstand erreicht werde. Der Klimawissenschaftler ist überzeugt: "Selbst wenn die nächsten Tage kühler werden, sind wir immer noch im Rekordbereich." Für seine Berechnungen verwendete Haustein Daten aus weltweiten Wetterstationsdaten, Radiosonden und Satellitenfernerkundung sowie des amerikanischen Wettervorhersagemodells Global Forecast System (GFS), des Projekts Berkeley Earth Surface Temperature und der NASA.
Klimaexpertin Friederike Otto vom Imperial College in London sagte bei der Vorstellung der Ergebnisse, dass die globale Durchschnittstemperatur allein noch niemanden umbringe - extreme Wetterereignisse wie die aktuelle Hitzewelle im Mittelmeerraum aber schon. Diese hingen ganz klar mit dem "heißesten Juli aller Zeiten" zusammen. Die Konsequenz: "Jedes Jahr sterben allein in Europa Tausende von Menschen an den Folgen von extremer Hitze." Kühler werde es auf der Erde trotz aller möglichen Bemühungen nicht mehr, sagte Otto. Deswegen müssten die Menschen sich anpassen und ihnen ermöglicht werden, mit extremen Bedingungen im Sommer zu leben.
Die WMO geht mit 98-prozentiger Sicherheit davon aus, dass eines der nächsten fünf Jahre das heißeste sein wird. Das bisherige Rekordjahr ist 2016, mit einer globalen Durchschnittstemperatur von rund 1,3 Grad über dem vorindustriellen Niveau (1850-1900). Die WMO geht mit 66-prozentiger Wahrscheinlichkeit davon aus, dass in mindestens einem der nächsten fünf Jahre die globale Durchschnittstemperatur den Wert von 1,5 Grad überschreitet. "Dies bedeutet nicht, dass wir das im Pariser Abkommen festgelegte Niveau von 1,5 Grad dauerhaft überschreiten werden", betonte die WMO. "Das bezieht sich auf eine langfristige Erwärmung über viele Jahre hinweg."
Der Juli folgte auf einen Juni, der bereits so heiß war wie kein anderer. "Menschengemachte Emissionen sind letztlich der Hauptgrund für die ansteigenden Temperaturen", sagte Copernicus-Direktor Carlo Buontempo. "Eine Reduzierung der Treibhausgase ist dringender als je zuvor", sagte WMO-Chef Petteri Taalas. "Klimamaßnahmen sind kein Luxus, sondern ein Muss."
Quelle: ntv.de, tkr/dpa