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Steigende Infektionszahlen Kommt ein neuer Corona-Herbst auf uns zu?

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Die Zeiten der Maskenpflicht sind lange vorbei. Doch hin und wieder ist es immer noch sinnvoll, einen Mund-Nasen-Schutz aufzusetzen, sagt Mediziner Specht.

Die Zeiten der Maskenpflicht sind lange vorbei. Doch hin und wieder ist es immer noch sinnvoll, einen Mund-Nasen-Schutz aufzusetzen, sagt Mediziner Specht.

(Foto: picture alliance / CHROMORANGE)

Mit Herbstbeginn steigen die Corona-Fallzahlen in Deutschland erneut, angetrieben von einer neuen Variante. Das weckt böse Erinnerungen. Oder doch alles halb so schlimm? Worauf wir uns in den kommenden Monaten einstellen müssen, erklärt Mediziner Specht.

Die Sonne steht tiefer, die Tage werden kürzer - und mit den fallenden Blättern kehrt auch ein alter Bekannter zurück: das Coronavirus. Gesundheitsbehörden melden schon jetzt steigende Fallzahlen, Experten berichten von neuen Varianten. Müssen wir uns auf einen erneuten Corona-Herbst vorbereiten - oder ist die Sorge übertrieben?

Noch ist eine dramatische Infektionswelle nicht in Sicht. Doch schaut man sich die aktuellen Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) an, gibt es einen eindeutigen Trend: Corona ist im Aufwind. "In den letzten Wochen zeigte sich in allen Systemen eine Zunahme der SARS-CoV-2-Aktivität, ausgehend von einem niedrigen Niveau", heißt es im ARE-Monatsbericht des Instituts. So wurden mehr Proben positiv auf das Coronavirus getestet und auch die Zahl der übermittelten Covid-19-Fälle ist demnach weiter gestiegen.

Diese Entwicklung überrascht Christoph Specht allerdings kaum. "Corona ist gekommen, um zu bleiben. Wir werden immer mit dem Virus zu tun haben", sagt der Präventionsmediziner und Medizinjournalist im Gespräch mit ntv.de. Dass die Fälle jetzt zunehmen, liegt Specht zufolge an der Jahreszeit. Zum einen brächten die Menschen das Virus aus dem Urlaub zurück. "Gerade in den Hochburgen zirkuliert Corona auch im Sommer, da dort viele Menschen zusammenkommen", so der Experte. Zum anderen hielte man sich angesichts der kühleren Temperaturen zunehmend in Innenräumen auf - optimale Bedingungen für den Erreger.

Stratus treibt Infektionsgeschehen an

Eine Rolle dürfte aber auch die neue Corona-Variante Stratus (XFG) spielen. Sie scheint der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge noch ansteckender zu sein als ihre Vorgänger. In Deutschland ist sie laut RKI inzwischen für rund 65 Prozent aller nachgewiesenen Covid-Infektionen verantwortlich. Die zuvor führende Nimbus-Variante (NB.1.8.1) macht inzwischen nicht mal mehr ein Viertel der Fälle aus. "Dominante Varianten setzen sich deshalb durch, weil sie dem Immunsystem besser ausweichen können als andere Varianten", erklärt Specht.

Die gute Nachricht: Stratus ist zwar ansteckender, doch die bisherigen Analysen zeigen keine Hinweise darauf, dass das Virus gefährlicher geworden wäre. Die öffentliche Gesundheitsgefährdung schätzt die WHO als "gering" ein. Bislang gebe es keine Hinweise auf erhöhte Schweregrade oder Sterblichkeit durch Stratus. Viele Erkrankte berichten über Heiserkeit und einen schmerzhaft kratzenden Hals. "Anders formuliert: Unsere Immunität ist inzwischen so gut, dass Corona nur noch die üblichen Erkältungssymptome mit sich bringt", sagt Specht. "Die Zeit, in der das Virus massenhaft schwerwiegende Krankheitsverläufe verursacht hat, ist vorbei."

Für einige Menschen kann eine Infektion dennoch gefährlich werden. Eine Auffrischungsimpfung empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) Senioren ab 60 Jahren, Personen mit Vorerkrankungen und Beschäftigten, die im Gesundheitsbereich tätig sind. In der Regel sollten dann nach der letzten Impfung oder Infektion zwölf Monate vergangen sein. Für gesunde Menschen ohne Risikofaktoren reicht die bestehende Immunität meist aus. "Es gibt mittlerweile so gut wie niemanden, der nicht mindestens einmal Kontakt mit dem Virus hatte - ob durch Impfung oder Infektion", sagt Specht. Diese Immunisierung schütze auch bei den neuen Varianten vor einem schweren Verlauf. Wer unsicher ist, sollte sich beim Hausarzt beraten lassen, ob ein Booster sinnvoll ist, rät der Experte.

Antigen-Schnelltests aus dem vergangenen Jahr können übrigens weiterhin genutzt werden. Da sowohl Nimbus als auch Stratus aus der Omikron-Familie stammen, funktionieren diese Abstriche immer noch zuverlässig. Vorausgesetzt, sie haben ihr Haltbarkeitsdatum nicht überschritten und wurden bei der empfohlenen Temperatur gelagert. Auf die Frage, ob es sinnvoll ist, sich im Falle von Symptomen zu testen, hat Mediziner Specht eine klare Antwort: Nein. "Ob man sich mit Corona oder einem anderen Erkältungsvirus infiziert hat, ist inzwischen vollkommen egal", so der Experte. "Wenn ich andere Leute nicht anstecken will, dann sollte ich mich zurückhalten und auskurieren - egal bei welcher Infektion."

"Ein ganz normaler Infektionsherbst"

Trotz steigender Zahlen ist die Lage aktuell noch entspannt. Weder in den Kliniken noch in den Hausarztpraxen gibt es bislang eine Überlastung durch Corona. Allerdings ist das Virus nur ein Teil des Problems. Grippe, RSV und Corona zusammen könnten die Kapazitäten des Gesundheitssystems in den kommenden Monaten erneut strapazieren. "Es könnte sein, dass es dieses Jahr auch eine starke Grippewelle gibt", meint Specht. Mit Gewissheit könne das aber niemand sagen. Einen Ausnahmezustand erwartet er jedoch nicht. "Wir können uns auf einen ganz normalen Infektionsherbst beziehungsweise -winter einstellen."

Wer sich nicht anstecken möchte, der ist nach wie vor gut mit einer Maske beraten - zum Beispiel in der U-Bahn. "U-Bahnen sind tatsächlich Risikoorte, ebenso wie alle anderen engen Räume, in denen viele Menschen zusammenkommen", sagt Specht. Er rät zu einer chirurgischen Maske. Die seien im Vergleich zu FFP2-Masken leichter in der Anwendung, angenehmer zu tragen und schützten ebenfalls ausreichend. FFP2-Masken ergeben dem Experten zufolge nur dann Sinn, wenn sie absolut dicht sitzen. "Sobald die Luft irgendwo an der Seite durchgeht, sei es nur durch einen winzigen Spalt, ist der Schutz dahin." Und woran merkt man, dass eine FFP-2 perfekt sitzt? Man kann kaum durch sie atmen, so Specht.

Eine gewisse Vorsicht ist laut dem Mediziner also auch in diesem Herbst durchaus sinnvoll, besonders bei vulnerablen Gruppen. Doch speziell um Corona müsse sich niemand mehr Sorgen machen. "Wer vor Corona Angst hat, muss vor den 200 anderen Erregern ebenfalls Angst haben", so der Mediziner. "Corona ist kein Sonderfall mehr."

Quelle: ntv.de

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