Wissen

Veränderung in den GenenMenschlicher Kontakt macht wilde Bären friedfertiger

15.12.2025, 16:51 Uhr
00:00 / 03:12
Ein-Baer-laeuft-durch-ein-huegeliges-Gebiet-im-Trentino-undatiertes-Handout-Zur-dpa-Berichterstattung-und-zum-dpa-Korr-ueber-Baeren-im-Trentino
In den Bergen Mittelitaliens lebt eine seltene Bärenart auffallend friedlich. (Foto: picture alliance/dpa/Servizio Faunistico)

Eine neue Studie zeigt, wie der Mensch die Evolution beeinflusst. In Mittelitalien werden Braunbären über Jahrhunderte kleiner und friedlicher. Forscher finden den Grund dafür direkt im Erbgut der seltenen Tiere.

Wo Menschen siedeln, verändern sich nicht nur Landschaften, sondern auch die Tiere, die dort leben. Eine neue Studie, die im Fachjournal "Molecular Biology and Evolution" erschienen ist, zeigt nun, wie tiefgreifend dieser Einfluss sein kann: Braunbären in Mittelitalien sind im Laufe der Jahrhunderte kleiner und deutlich weniger aggressiv geworden - offenbar als direkte Folge des Zusammenlebens mit dem Menschen.

Im Fokus der Untersuchung steht der Apennin-Braunbär (Ursus arctos marsicanus), eine seltene und stark gefährdete Unterart, die ausschließlich in den italienischen Apenninen vorkommt. Die Population ist klein und seit rund 2000 bis 3000 Jahren vollständig von anderen europäischen Braunbären isoliert. "Eine der Hauptursachen für den Rückgang und die Isolation war vermutlich die Abholzung von Wäldern im Zuge der Ausbreitung der Landwirtschaft und der zunehmenden Bevölkerungsdichte in Mittelitalien", erklärt Studienleiter Andrea Benazzo laut Mitteilung.

Heute unterscheidet sich der Apennin-Braunbär deutlich von seinen Verwandten in Europa, Nordamerika und Asien. Die Tiere sind kleiner gebaut, haben charakteristische Kopf- und Gesichtsmerkmale - und verhalten sich auffallend friedlicher. Genau diese Unterschiede wollten die Forschenden besser verstehen. Dazu erstellten sie erstmals ein hochwertiges Referenzgenom auf Chromosomenebene für diese Bärenpopulation und verglichen es mit Genomen von Braunbären aus der Slowakei sowie aus Nordamerika.

Genetische Besonderheit

Wie erwartet zeigte sich dabei eine geringe genetische Vielfalt und ein hoher Grad an Inzucht - typische Folgen einer kleinen, isolierten Population. Überraschender war jedoch ein anderes Ergebnis: In den Genen der Apennin-Braunbären fanden sich klare Hinweise auf Anpassungen, die mit geringer Aggressivität in Verbindung stehen. "Wir konnten Selektionssignaturen an Genen nachweisen, die mit reduziertem aggressivem Verhalten assoziiert sind", sagt Mitautorin Giulia Fabbri.

Die Forschenden gehen davon aus, dass dieser evolutionäre Wandel unbeabsichtigt vom Menschen angestoßen wurde. Aggressivere Bären hatten in der Nähe von Dörfern und Siedlungen vermutlich schlechtere Überlebenschancen - etwa weil sie häufiger getötet wurden. Über Generationen hinweg setzte sich so eine weniger konfliktbereite Variante durch. Das Ergebnis ist eine Bärenpopulation, die zwar genetisch geschwächt und vom Aussterben bedroht ist, zugleich aber besser mit der Nähe des Menschen zurechtkommt.

"Unsere Ergebnisse zeigen deutlich, dass Mensch-Wildtier-Interaktionen meist gefährlich für das Überleben einer Art sind", sagt Studienautor Giorgio Bertorelle. "Sie können aber auch Eigenschaften begünstigen, die Konflikte reduzieren." Für den Artenschutz bedeute das: Selbst stark beeinträchtigte Populationen könnten genetische Besonderheiten besitzen, die bewahrt werden sollten - etwa indem man sie nicht unbedacht mit anderen Beständen vermischt.

Quelle: ntv.de, hny

EvolutionAbholzungTiereItalienArtenschutzNaturschutz