Sprengstoff und Schwermetalle Was ein Weltkriegswrack in der Nordsee anrichtet
18.10.2022, 16:37 Uhr
Das Unterwasserfoto zeigt die bewachsene Deckspanzerung des Bootes "V 1302 John Mahn", das nach einem Bombentreffer sank.
(Foto: VLIZ)
Während des Zweiten Weltkrieges wurden viele Schiffe versenkt. Die Wracks liegen also seit Jahrzehnten auf dem Meeresboden. Eines sehen sich Forschende nun genauer an und finden zahlreiche bedenkliche Stoffe mit ebenso bedenklichen Werten.
80 Jahre nach seinem Untergang gefährdet ein deutsches Kriegsschiff noch immer den Meeresboden vor der belgischen Küste. In seiner Umgebung gedeihen vermehrt Bakterien, die Substanzen aus Kohle und Öl abbauen. Und im Sediment des Meeresbodens stecken Spuren von Schwermetallen sowie des Sprengstoffs Trinitrotoluol (TNT) und seiner Abbauprodukte. Zudem lassen schwefelreduzierende oder -oxidierende Bakterien die Schiffshülle aus Stahl zunehmend korrodieren - was zu einer weiteren Gefährdung führen könnte. Das berichtet eine Gruppe um Josefien van Landuyt von der Universität Gent im Fachmagazin "Frontiers in Marine Science".
Am 12. Februar 1942 versenkte die britische Luftwaffe das Vorpostenboot V-1302 der deutschen Kriegsmarine in der Nordsee. V-1302 war ursprünglich ein Fischerboot, das für Kriegszwecke umgerüstet worden war. Mit dem Schiff sanken Kohlenbunker, Erdölprodukte sowie Spreng- und Kampfmittel, sie werden allmählich durch das Meerwasser ausgelaugt.
Mehr Schwermetalle im Boden
Proben aus dem Meeresboden um das Schiffswrack zeigen Veränderungen im Gehalt unter anderem an Schwermetallen: "Von Bug bis Heck beobachten wir bei der Annäherung an das Schiff höhere Konzentrationen", schreiben die Forschenden. Besonders hoch waren die Anteile von Nickel, Kupfer und Arsen in der Nähe des Bunkers, der die Kohle für die Dampfkessel im hinteren Teil des Schiffes enthielt.
Jüngere Sedimente hinter dem Heck enthielten besonders große Mengen Metall. Van Landuyt und Kollegen vermuten, dies könne auf die Ablagerung von Metallflocken zurückzuführen sein, die sich zusammen mit Sedimentpartikeln vom Wrack abgelöst haben.
Bakterien, die Korrosion vorantreiben
Das Team untersuchte den Meeresboden auch auf polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), die in Kohle und Erdöl enthalten sind und als gesundheitsschädlich gelten. Deren Konzentrationen stiegen auf der Backbord- und der Bugseite mit zunehmender Nähe zum Wrack. Am Heck und auf der Steuerbordseite dagegen verringerten frisch abgelagerte Sedimente die PAK-Werte. In Zonen mit höherem PAK-Gehalt fanden die Wissenschaftler besonders viele Bakterien der Familien Rhodobacteraceae und Chromatiaceae, die PAK abbauen.
Im Biofilm auf der Schiffshülle bestimmten die Forscher zudem eine Reihe von Bakterienstämmen, die Schwefel verarbeiten. Bei diesen Prozessen entsteht Säure, was die ohnehin ablaufende Korrosion noch verstärkt. Tatsächlich könne zunehmende Korrosion das Umweltrisiko erhöhen und zuvor verschlossene Räume öffnen, wird van Landuyt in einer Mitteilung des Fachmagazins zitiert. "Daher entwickeln sich die Auswirkungen auf die Umwelt noch weiter."
Große ökologische Folgen befürchtet
Der Sprengstoff TNT und seine Abbauprodukte waren rund um das Wrack in einer Konzentration von bis zu 45 Nanogramm pro Kilogramm getrocknetem Sediment zu finden. Eine Ausnahme bildete eine Stelle etwa 15 Meter vom Heck entfernt: Dort betrug die Konzentration sogar 120 Nanogramm.
"Wir haben nur ein Schiff in einer bestimmten Tiefe an einem bestimmten Ort untersucht", sagt van Landuyt. Um einen besseren Überblick über die ökologischen Folgen von Schiffswracks auf die Nordsee zu erhalten, sollte eine große Anzahl von Schiffswracks an verschiedenen Orten beprobt werden, betont die Forscherin.
Quelle: ntv.de, Stefan Parsch, dpa