Saufen bis zum Umfallen Das "Jenke Experiment"
11.03.2013, 13:35 Uhr
Ein Gläschen in Ehren? Von wegen! Jenke von Wilmsdorff.
(Foto: RTL / Willi Weber)
Morgens Rotwein, mittags Bier, abends Gin: Vier Wochen lang trinkt Jenke von Wilmsdorff, was die Bar hergibt. Über die frappierenden Folgen seines Selbstversuchs berichtet der Reporter in der neuen RTL-Doku-Reihe "Das Jenke Experiment" (RTL, montags, 21.15 Uhr) - und vorab im n-tv.de Interview.
n-tv.de: Mit dem "Jenke Experiment" bekommen Sie nun Ihr eigenes Format bei RTL. Doch Ihre gewagten Selbstversuche und extremen Reportagen kennen die Zuschauer auch schon aus der Sendung "Extra". Wie wurde eigentlich die Idee dazu geboren?
Jenke von Wilmsdorff: Ursprünglich entstanden ist sie auf einer unserer Redaktionskonferenzen. Uns fiel auf, dass es sehr viele Themen gibt, über die wir bereits alles zu wissen glauben, die aber trotzdem immer noch regelmäßig aufs Tapet kommen. Wir haben überlegt, wie man sich diesen Themen nähern und tiefer in sie eintauchen kann. Das führte zu der Idee, dass man eigentlich mal ein Experiment machen müsste.
Sie haben einen Selbstversuch unternommen, bei dem Sie sich wochenlang ungesund ernährt und massiv an Gewicht zugelegt haben …
Ja, mit dem Ess-Experiment fing es an. Jeder fünfte Jugendliche ist übergewichtig, jeder zweite Erwachsene hat ein Gewichtsproblem. Darüber kann man natürlich auch ganz normal in einem Beitrag berichten. Aber wir hatten die Sorge, dass die Leute das schon kennen. Wir wollten stattdessen wissen: "Wie fühlt sich das wirklich an?" Damit war die Idee für das "Jenke Experiment" geboren.
Weshalb fiel die Wahl denn auf Sie - sind Sie so ein extremer Typ?
Ich war in der Redaktion "Extra" schon immer der Reporter, der die extremen Sachen gemacht hat. In einer Rubrik "Jenke als …" habe ich ja auch fünf Jahre lang außergewöhnliche Jobs beschrieben und diese dann selbst eine Zeit lang ausgeführt. Da gab es gar keine Alternative - die Wahl fiel direkt auf mich.
Im Rahmen Ihrer Reportagen sind Sie ebenso ins verstrahlte Fukushima gereist, wie Sie auf einem Flüchtlingsboot in Lampedusa unterwegs waren oder sich in einer fremden Familie als allein erziehende Mutter versucht haben. Was war denn rückblickend die bislang größte Herausforderung für Sie?
Das sind alles immer sehr große Herausforderungen. Und weil es immer um ein anderes Thema geht und ich immer mit unterschiedlichen Menschen zusammenkomme, lässt sich das schlecht vergleichen. Aber wenn ich mich jetzt wirklich für eine außergewöhnliche Herausforderung entscheiden müsste, dann wäre das zweifelsohne die Überfahrt auf dem Flüchtlingsschiff.
Das Ess-Experiment haben wir bereits angesprochen. Ihr neues Doku-Format startet indes mit einer Folge, in der Sie über Wochen exzessiv Alkohol trinken. Was war denn, salopp gesagt, härter - fressen oder saufen?
Definitiv saufen.
Warum?
Weil es viel schneller Wesensveränderungen herauskitzelt, von denen ich gar nicht wusste, dass sie bei mir überhaupt angelegt sind. Ich habe ja bereits nach vier, fünf Tagen gemerkt, dass ich übellaunig, ungeduldig und lethargisch werde. Ich habe meinen Alltag schleppen lassen und die Prioritäten auf einmal falsch gesetzt. Ich habe schlecht geschlafen und hatte Kopfschmerzen. Diese massiven Reaktionen tauchten bereits nach ganz kurzer Zeit auf. Das ging bei dem Ess-Experiment nicht so schnell.
War die gravierendste Veränderung, die Sie an sich festgestellt haben, eher psychischer oder physischer Natur?
Eigentlich war es das größte Problem, davon wieder loszukommen. Die vier Wochen waren sehr extrem, schwierig und anstrengend. Und sie waren mit vielen Momenten behaftet, in denen ich mir dachte: "Was soll das alles? Ich glaube, ich breche das jetzt ab." Aber ich habe durchgehalten - auch in der Hoffnung, dass ich, wenn die vier Wochen vorbei sind, einfach wieder aufhöre. Ich dachte, dann wäre einfach alles wieder gut. Das war ein Irrtum. Nach nur vier Wochen exzessiven Trinkens hatte ich eine starke Alkoholgewöhnung, die ich alleine erst einmal nicht in den Griff bekommen habe.
Die Abhängigkeit war also tatsächlich stärker als die Freude darüber, nicht mehr
trinken zu "müssen" …
Es war beides. Tagsüber, so bis 16 Uhr, war ich immer froh, die Finger von dem Zeug lassen zu können. Aber ab 16 Uhr wollte ich wieder Alkohol haben. Ich habe dann reduziert - ein, zwei Gläser Gin Tonic. Davor hatte ich immer fünf, sechs oder sieben Gläser getrunken - allein am Nachmittag bis Abend. Ich habe reduziert, aber ich habe festgestellt, dass ich ganz ohne Alkohol so schnell nicht kann.
Wie haben Sie die Entwöhnung schließlich geschafft?
Das hat sehr lange gedauert. Ich habe viele Experten getroffen, mit Ärzten und Suchtexperten gesprochen. Erst mit mehreren Unterbrechungen und mehreren Anläufen habe ich es dann geschafft, über viele Wochen keinen Tropfen mehr anzurühren. Jetzt habe ich mein normales Trinkverhalten wieder.
Gestartet haben Sie Ihr Experiment bei einer Feier zu Ihrem 47. Geburtstag, bei der Sie sage und schreibe 17 Longdrinks vernichtet haben. Hatten Sie keine Angst vor einer Alkoholvergiftung?
Nein, an dem Abend eigentlich nicht. Diese Überlegung kam erst im Nachhinein am nächsten Morgen. Es war definitiv viel zu viel Alkohol. Und ich glaube, ich bin an einer Alkoholvergiftung vorbeigeschrammt - ohne eine zu haben. Aber auch das ist natürlich eine Erfahrung. Man denkt, man vertrage noch viel mehr. Und man denkt, das seien doch noch gar nicht so viele Drinks gewesen - ich habe die genaue Zahl ja nicht alle zehn Minuten nachgefragt. Ich war in guter Laune, hatte einen wunderschönen Abend - und habe mich komplett verschätzt.
In der Sendung ist auch Ihre Freundin zu sehen, die notgedrungen unter dem Experiment mit zu leiden hat. Aber Sie sind noch zusammen …
(lacht) Ja, wir sind noch zusammen.
Solche Selbstversuche sind vermutlich nicht gerade beziehungsfördernd. Oder braucht man gerade ein intaktes soziales Umfeld, um das durchzuhalten?
Letzteres, würde ich sagen. Und natürlich spreche ich mit meinen Liebsten im Vorfeld ganz genau darüber. Auch darüber, inwieweit sie involviert sein möchten. Gerade beim Thema Alkohol spielt bei uns ja auch die Frage der "Co-Abhängigen" eine Rolle - die Menschen, die jemand mit einem Alkoholproblem im Bekannten- und Freundeskreis oder sogar als Partner hat. Sie decken ihn und müssen nach außen hin eine Legende aufbauen. Das ist ein sehr spannendes Thema. Das hat meine Freundin Gott sei Dank genauso gesehen und war deshalb bereit, da mitzumachen.
Was schlussfolgern Sie denn aus Ihrem Experiment? Sollte der Konsum von Alkohol stärker reglementiert werden?
Das ist eine sehr schwierige Frage. Definitiv sagen kann ich: Die meisten Menschen verharmlosen Alkohol. Wir alle wissen, dass er gefährlich ist und abhängig macht. Aber die Menschen - mich eingeschlossen - schieben das immer von sich weg: "Ach, ein Glas Wein am Tag - das ist doch gut." Das ist aber Quatsch. Schon ein Glas Wein am Tag zu trinken, stellt eine Abhängigkeit und ein Alkoholproblem dar. Zugleich weiß man aber, dass Reglementierungen in ganz vielen Bereichen nichts bringen. Wir haben ja schon relativ strikte Alkoholgesetze, was etwa den Ausschank an Jugendliche angeht. Aber natürlich sehen wir auch: Wenn sie an Alkohol kommen wollen, dann kommen sie daran - wie an jede andere Droge auch.
Was wären andere mögliche Konsequenzen?
Ich glaube, man kann nur immer wieder an die Vernunft und die Einsicht appellieren. Und den Menschen noch mehr Informationen geben. Ich hoffe, dass ich durch das "Jenke Experiment" etwas dazu beitragen kann.
In den kommenden drei Wochen folgen noch drei weitere "Jenke Experimente". Um was wird es in ihnen gehen?
Die zweite Sendung wird sich um das Thema Alter drehen. Ein Thema, das uns alle beschäftigt und betrifft - von den eigenen Eltern bis zu den Großeltern und irgendwann auch uns selbst. Ich persönlich habe große Angst vor dem Alter und schiebe das gedanklich ganz weit weg. Das dritte Thema wird Armut sein. Da lebe ich unter anderem eine Woche bei einer Hartz-IV-Familie, die seit 23 Jahren Unterstützung vom Staat bezieht. Das vierte Experiment heißt: die Frau. In ihm versuche ich, mehr über die Frau und die ewigen Missverständnisse zwischen den beiden Geschlechtern zu erfahren - auch mit dem einen oder anderen Selbstversuch.
Das Format ist ja bestimmt noch ausbaubar. Von welchem Experiment träumen Sie noch?
Ach, es gibt ganz viele Ideen. Als wir uns vor einem halben Jahr zusammengesetzt, geplant und die Auswahl getroffen haben, war eigentlich das größte Problem, uns zwischen all den Themen zu entscheiden. Sollten die Zuschauer "Das Jenke Experiment" annehmen, könnten wir sofort loslegen. Natürlich hat man Lieblingsthemen, die teilweise gar nicht umsetzbar sind. Ich würde zum Beispiel irrsinnig gerne auf den Mond. Aber ich glaube, Anke Schäferkordt (CEO der RTL Group, Anm. d. Red.) wird das Geld dafür nicht locker machen. (lacht)
Mit Jenke von Wilmsdorff sprach Volker Probst
Weitere Folgen von "Das Jenke Experiment" sind an den kommenden beiden Montagen sowie am 8. April 2013 um jeweils 21.15 Uhr bei RTL zu sehen
Quelle: ntv.de