Politik

Parlamentsvorbehalt fürs Hilfspaket Ohne diese Abgeordneten kriegt Athen nichts

Finnlands Außenminister Timo Soini (r.), Ministerpräsident Juha Sipila (m.) und Finanzminister Alexander Stubb sind sich beim Thema Griechenland-Hilfe nicht einig.

Finnlands Außenminister Timo Soini (r.), Ministerpräsident Juha Sipila (m.) und Finanzminister Alexander Stubb sind sich beim Thema Griechenland-Hilfe nicht einig.

(Foto: REUTERS)

Kommt ein drittes Hilfspaket für Griechenland? Mindestens fünf Parlamente müssten nach einem Deal zwischen Athens Regierung und den Gläubigern zustimmen. Erfolgsaussichten: mäßig.

Sonntag, 24 Uhr - das ist die Deadline. Bis dahin müssen sich die griechische Regierung und ihre Gläubiger einigen, sonst, so heißt es zumindest, ist ein Ausstieg des Landes aus der Eurozone nicht mehr zu verhindern. Die Mission wirkt unmöglich. Wirklich schwierig wird es vielleicht aber erst, wenn diese Deadline längst verstrichen ist.

Sollten sich die Regierung Griechenlands und die Institutionen tatsächlich auf ein drittes Hilfsprogramm und eine Reformagenda verständigen, müssten noch die Parlamente von mindestens fünf Eurostaaten zustimmen. Die Erfolgsaussichten sind teils gering.

Estland

Estlands Präsident Toomas Hendrik Ilves machte in einem Interview mit der "Zeit" Mitte Juni deutlich, für wie unwahrscheinlich er ein Ja zu einem drittem Hilfspaket hält. "Was ich sage, ist, dass es hier gewisse Schwierigkeiten gibt. Und wenn die Hilfe im Parlament ratifiziert werden muss, könnten die zu einem Problem werden." Ilves fügt hinzu: "Zwei Mal haben wir Hilfskredite beschlossen. Dabei liegt das estnische Durchschnittseinkommen zehn Prozent unter dem griechischen Mindestlohn." Die Regierung wird in Estland von einer Koalition aus der liberalen Reformpartei (RE), den Sozialdemokraten (SDE) und den Konservativen (IRL) gestellt. Sie verfügen über 59 der 101 Sitze. Die endgültige Entscheidung über ein drittes Hilfsprogramm fällt allerdings der Parlamentsausschuss für europäische Angelegenheiten. Zwar ist die größte Fraktion des Parlaments, die RE, ausgesprochen europafreundlich. Dass viele Esten kaum besser dran sind als die meisten Griechen, macht es aber vielen Abgeordneten schwer, klar für weitere Milliarden für Griechenland zu werben.

Finnland

Die Regierung Finnlands ist nicht mehr als eine Zweckgemeinschaft. Weil es bei der jüngste Wahl keine klaren Mehrheitsverhältnisse gab, schlossen sich die liberale Zentrums-Partei (KESK), die konservative nationale Sammlungspartei (Kok) und die rechtspopulistischen Basisfinnen (PS, früher Wahre Finnen) zusammen. Zwar verfügt die Regierung mit 124 der 200 Sitze so über eine komfortable Mehrheit im Parlament. Vor allem die Basisfinnen gelten aber als Problem, wenn es um ein drittes Hilfsprogramm geht. Europaskepsis ist Markenkern der Truppe. 2011 sorgten sie bereits dafür, dass Finnland als einziges Mitglied der Eurozone ein Treuhandkonto für seine Hilfszahlungen an kriselnde Eurostaaten bekommt - für den Fall das Griechenland die Kredite nicht zurückzahlen kann. Der Kurs der Basisfinnen setzt auch die anderen Koalitionspartner unter Druck. Selbst einer der größten Proeuropäer des Landes, Finanzminister Alexander Stubb, machte kürzlich bei Twitter deutlich, dass er die Geduld mit Griechenland verliert. Das "Manager-Magazin" titelte in einem Porträt: "Der finnische Ex-Freund".

Niederlande

Eigentlich ist eine Zustimmung des niederländischen Parlaments nicht zwingend. Allerdings, so heißt es aus der Regierung, sei eine Befragung bei Themen wie diesem "ständige Praxis". Kurzum: Die niederländische Regierung macht ihre Entscheidung von den Abgeordneten abhängig, und ohne Mehrheit in der sogenannten Zweiten Kammer der Generalstaaten wird es kein Ja zu einem dritten Hilfspaket geben. Vorausgesetzt, die griechische Regierung zeigt sich reformwillig, stellt das aber keine Hürde da. Die sozialliberale Regierung des Landes gilt als ausgesprochen europafreundlich und sie hat in der Kammer eine Mehrheit von 79 der 150 Sitze.

Deutschland

Auch der deutsche Bundestag müsste einem dritten Hilfspaket zustimmen. Ein Ja von Grünen und SPD gilt als sicher - griechischen Reformwillen vorausgesetzt. Viele Linke dürften sich dagegen wie bei früheren Abstimmungen zu Hilfspaketen für ein Nein entscheiden. Unklar ist die Lage bei der Union. Kanzlerin Angela Merkel sagte kurz nach dem Referendum in Griechenland, die Spielräume der Regierungschefs seien kleiner geworden. Nach dem klaren hellenischen Nein zu den Reformvorschlägen der Gläubiger sprechen sich etliche namhafte Unionspolitiker gegen ein drittes Hilfsprogramm aus. Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras muss der Kanzlerin wirklich etwas Neues bieten. Denn sollte die Gefahr bestehen, dass sie ihre Union nicht hinter sich versammeln kann, würde sie die Aufnahme über Verhandlungen zu einem dritten Hilfspaket wohl gar nicht erst zur Abstimmung stellen.

Griechenland

Ministerpräsident Alexis Tsipras wiederum wird sich schwer tun, Kanzlerin Merkel ein neues weitreichendes Angebot zu machen. Schließlich hat die Bevölkerung seines Landes gerade sehr deutlich Nein zu harten Reformvorschlägen der Geldgeber gesagt. Je weiter er den Gläubigern entgegen kommt, desto schwieriger wird es wohl, die notwendige Parlamentsmehrheit zusammenzubekommen. Ausgeschlossen ist diese Mehrheit allerdings nicht. Am größten dürfte der Widerstand gegen ein Reformprogramm, das mit einem dritten Hilfspaket einhergehen würde, in den eigenen Reihen sein. Die Regierung aus der linken Bewegung Syriza und der rechtsextremen Anel ist schließlich nur durch den Protest gegen die Sparauflagen der Institutionen an die Macht gekommen. Die Koalition verfügt über 162 der 300 Sitze des Parlaments. Die früheren Regierungsparteien Pasok und Nea Dimokratia warben aber schon beim Referendum am Sonntag für ein Ja zu den Reformen der Gläubiger. Wenn auch das nicht reicht, könnten die Geldgeber den Abgeordneten des griechischen Parlaments eine Schuldenrestrukturierung in Aussicht stellen - eine Kernforderung vieler Griechen, die, das ist der Vorteil, nicht zwingend Teil eines dritten Hilfspakets sein muss.

Quelle: ntv.de

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