Fahrbahnmarkierung als Orientierung Fahrer müssen Abstand nicht ermitteln können
23.01.2015, 13:48 UhrWie groß ist der Abstand zum Vordermann? Die Fahrbahnstreifen auf der Autobahn können dabei helfen, das herauszufinden - vorausgesetzt, man kennt die Ausmaße der Markierungen. Ein Gericht meint, das gehöre für Autofahrer zur Allgemeinbildung. Nein sagte, die nächste Instanz.

Autofahrer sollten den halben Tachowert als Mindestabstand lassen, um Auffahrunfälle zu vermeiden.
(Foto: imago stock&people)
Auf Abstandsverstöße stehen laut Bußgeldkatalog mindestens 75 Euro und ein Punkt in Flensburg. Doch wie soll man erkennen, dass man dem vorausfahrenden Fahrzeug zu nahe kommt? Anhand der Fahrbahnmarkierungen jedenfalls nicht, hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg festgestellt (Az.: 2 Ss(Owi) 322/14).
In dem Fall hatte ein Lkw-Fahrer den erforderlichen Mindestabstand nicht eingehalten. Dieser Wert ist für Lkw klar geregelt: Wer schneller ist als 50 km/h, muss mindestens 50 Meter Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug halten. Bei Pkw gilt die unverbindliche Faustregel, dass der Abstand mindestens die Hälfte des Tachowerts ausmachen muss. Nur lässt sich die Entfernung schwerlich auf den Meter genau einschätzen.
Der Lkw-Fahrer hätte sich an den Fahrbahnmarkierungen orientieren können, fand das Amtsgericht Wildeshausen und verurteilte den Fahrer zu einem Bußgeld von 80 Euro. Schließlich müsse jeder Fahrer wissen, wie lang die Fahrbahnmarkierungen und die dazwischenliegenden Abstände auf der Autobahn seien, nämlich sechs beziehunsgweise zwölf Meter. Daraus hätte der Fahrer herleiten können, dass der Abstand zu knapp war.
Unterschiedliche Auffassungen zu "vorübergehend"
Das sah das OLG nun aber anders. Es könne nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ein Fahrzeugführer in der Lage sei, mit Hilfe der Fahrbahnmarkierungen seinen Abstand zu ermitteln. Die Länge der einzelnen Fahrbahnmarkierungen sowie der Abstand zwischen ihnen seien dem durchschnittlichen Kraftfahrer vielmehr nicht bekannt. Das Amtsgericht muss den Fall jetzt erneut verhandeln.
Bessere Orientierung als die Fahrbahnstreifen könnten die Leitpfosten am Straßenrand geben. Sie stehen an Autobahnen grundsätzlich 50 Meter auseinander. Ob es im verhandelten Fall auch solche Begrenzungspfeiler gegeben hat, geht aus der Gerichtsmitteilung aber nicht hervor.
Wer nur kurz zu nahe an den Vordermann heranrückt, etwa beim Überholen, kann dafür übrigens nicht bestraft werden. Der Fahrer muss den Abstand "nicht nur vorübergehend" missachtet haben. Das haben mehrere Gerichte bestätigt. Allerdings ist "vorübergehend" unterschiedlich definiert. Das OLG Köln sieht die Grenze bei einer Strecke von 250 bis 300 Metern. Das OLG Hamm zieht sie schon bei 140 Metern beziehungsweise mindestens drei Sekunden.
Quelle: ntv.de, ino