Wirtschaft

"Masturbation wird unterschätzt" American Apparel ist pleite

Kundenschwund: American Apparel geht es nicht gut.

Kundenschwund: American Apparel geht es nicht gut.

(Foto: REUTERS)

Das nennt man wohl rasanten Absturz: Vor Kurzem war American Apparel noch eine überaus angesagte Modemarke. Jetzt ist die Firma insolvent. Und der Ex-Chef macht weiter Ärger.

Wie sich die Zeiten ändern. Einst war American Apparel eine angesagte Marke. Junge, trendbewusste Menschen strömten in die Läden. Ein exzentrischer Chef, der gerne in Unterwäsche zu Sitzungen oder in Fabriken erschien, galt als Kult. "Ich lasse regelmäßig meine Hosen herunter, um Leuten mein neues Produkt zu zeigen", sagte Dov Charney. Und jetzt? Der Chef ist rausgeworfen, eine Schlammschlacht tobt, das Unternehmen kämpft um das nackte Überleben und beantragt Gläubigerschutz. 

In Zahlen ausgedrückt: 15,80 Dollar war die Aktie im November 2007 wert. Derzeit sind es gerade einmal 11 Cent. Wie konnte es zu diesem rasanten Absturz kommen?

Das hat viel mit Charney zu tun. Seine weiblichen Angestellten bezeichnete der Gründer von American Apparel schon mal als "Schlampen" oder "Huren". Er musste sich zahlreicher Klagen wegen sexueller Belästigung erwehren – die meisten davon wurden allerdings abgewiesen.

Bizarre Äußerungen sind Legion

Charney gab immerhin zu, er habe "Dates" mit weiblichen Angestellten gehabt. Außerdem sprach er davon, dass er Mitarbeiterbesprechungen gelegentlich in seinem Schlafzimmer abhalte. Bizarre Äußerungen sind Legion. So gab Charney im Juli 2004 ein denkwürdiges Zeitungsinterview. Der Journalistin zufolge befriedigte er sich während des Gesprächs selbst, das sich um Geschäftliches, Models und die Einstellungspraxis drehte. "Masturbation vor Frauen wird unterschätzt", gab Charney später zu Protokoll.

Charney hatte American Apparel groß gemacht und begeisterte über 20-Jährige für seine Marke. Nachdem ihm mehrfach "unangemessenes Verhalten" vorgeworfen wurde, musste er das Unternehmen verlassen.

Die Probleme von American Apparel hatten aber schon begonnen, lange bevor Charney abserviert wurde. Junge Leute gingen lieber zu günstigeren Konkurrenten wie H&M, Forever 21 oder Urban Outfitters.

Abschreckender Exhibitionismus

Dazu kamen weitere Schwierigkeiten: 2009 entließ die Modekette mehr als die Hälfte seiner Fabrikarbeiter in Los Angeles. Die Einwanderungsbehörde hatte herausgefunden, dass diese keine Arbeitserlaubnis für die USA hatten. Das Unternehmen, das nur in der USA produziert, musste neue Mitarbeiter einstellen und sie einarbeiten, was die Kosten in die Höhe trieb und zu verspäteten Auslieferungen in die Läden führte. Ein Jahr später stiegen die Baumwollpreise kräftig, was die Kosten weiter erhöhte. American Apparel musste sich Geld zu hohen Zinsen leihen. Einige Investoren wurden ganz offensichtlich von Charneys Exhibitionismus abgeschreckt.

Charney hatte durch sein Verhalten das Image der Marke nicht gerade aufgewertet. Zunächst galten seine Anzüglichkeiten und Provokationen als chic, dann ging es schnell bergab.

Im letzten Jahr gelang es American Apparel, Charney loszuwerden. Die neue Chefin Paula Schneider hat versucht, das Unternehmen zu restrukturieren, indem sie das Angebot straffte und die Kosten senkte. Doch den Niedergang konnte sie nicht aufhalten. Das Unternehmen verbrennt weiter Geld: In den drei Monaten per Ende Juni erwirtschaftete American Apparel einen Verlust von 19,4 Millionen Dollar, der Umsatz sank um 17 Prozent auf 134,4 Millionen Dollar.

Insolvenz bislang mit Geldspritzen hinausgezögert

American Apparel beschäftigte zuletzt rund 10.000 Mitarbeiter und verfügte noch über 6,9 Millionen Dollar in bar und 38,4 Millionen Dollar aus seiner Kreditlinie. Mitte Oktober werden Rechnungen fällig, für die das Geld nicht reicht. Das Unternehmen hatte eine Insolvenz bislang mit einer Reihe von Geldspritzen hinausgezögert. Doch die Investoren scheinen jetzt den Stecker zu ziehen, um die Firma in der Insolvenz günstig zu schlucken.

Unterdessen sorgt Charney nach Kräften für Störfeuer. Zwischen ihm und dem neuen Management tobt eine erbitterte Schlammschlacht. Charney überzieht das Unternehmen mit Klagen, sieht sich diffamiert und fordert insgesamt über 40 Millionen Dollar Entschädigung. American Apparel kontert und veröffentlicht Auszüge aus einem offenbar großen Fundus an kompromittierenden Fotos, E-Mails, SMS und Videos, die Charney auf den Rechnern des Unternehmens gespeichert haben soll.

Es ist eine Sammlung von Anstößigkeiten, von sexistischen und rassistischen Äußerungen. Sie passen zu der Pose des unanständigen Machos, in die sich Charney warf. Oder wie er es selbst ausdrückte: "Ich bin ein dreckiger Typ, aber die Leute mögen das."

Quelle: ntv.de, mit rts/DJ/dpa

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