Auto

Die große Zeit ist vorbei Abschied vom Diesel

Als Rudolf Diesel am 27. Februar 1892 beim Kaiserlichen Patentamt zu Berlin ein Patent auf eine "Neue rationelle Wärmekraftmaschine" anmeldete, dauerte es noch eine ganze Weile bis zum Erfolg. Zwar war der Wirkungsgrad von Anfang an hoch, aber den Durchbruch brachte ein anderer Vorzug: Durch die Verwendung von Lampenöl anstelle Benzins war die Explosionssicherheit des Motors wesentlich höher. Damals ein nicht zu unterschätzender Faktor, den sich später auch die Militärs zu Nutze machten und ihre Panzer mit Dieselmotoren ausrüsteten: Bei Beschuss war die Explosionsgefahr geringer.

Damit sind die Hauptvorteile des Dieselmotors auch schon aufgezählt. Der höhere Wirkungsgrad führte in der Folge zu einem beispiellosen Siegeszug. Ohne Dieselmotor ist die wirtschaftliche Dynamik des 20. Jahrhunderts kaum vorstellbar. Ob in Lokomotiven, Schiffen, Landmaschinen oder Lastkraftwagen - der sparsame und leicht zu handhabende Dieselmotor schob die Volkswirtschaften der Welt an. Seine vielfältigen Nachteile waren dabei nebensächlich.

Laut, lahm und stinken

Das änderte sich, als die Autoindustrie in den 70ern begann, den Diesel verstärkt in Personenwagen einzubauen. Plötzlich wurde deutlich, was zuvor nur Taxifahrer quälte: Diesel sind laut, lahm, vibrieren und stinken. Und das ist mit einem kleinen Unterschied bis heute so geblieben: Der Fahrer merkt mittlerweile nichts mehr davon. Gut gedämmt unter der Haube, geht der alte Stinker weiter seinem rauhen Handwerk nach: Die hohen Drücke sorgen für eine rauhe Verbrennung, hohe Temperaturen für reichlich Stickoxid-Emmissionen und Partikel werden nach wie vor massenhaft produziert. Nur mit hohem Aufwand gelang es den Ingenieuren, die Nachteile zu kaschieren: Aufwendige Common-Rail-Systeme mit bis zu 2000 bar Druck ermöglichen komplexe Einspritzvorgänge durch teure Piezo-Injektoren. Umständliche Filtersysteme reduzieren Partikel- und Stickoxid-Ausstoß. Ausgeklügelte Motorlager dämpfen den Körperschall und Mehrfach-Aufladung mit Ladeluftkühlung macht aus dem Ackergaul ein Rennpferd.

Mit anderen Worten: Die Automobilentwickler haben über Jahrzehnte mit hohem Aufwand rausgeholt, was rauszuholen war. Doch der Preis ist hoch: 1500 bis 2000 Euro Mehrpreis gegenüber einem Benziner sind üblich und bei den kommenden, Euro-Norm-5-tauglichen Dieseln dürfte es noch mehr werden. Das alles hat sich gelohnt, solange die Dieselpreise von gestern waren. Dank Subventionierung (die Mineralölsteuer für Ottokraftstoff beträgt 65,5 Cent, für Diesel aber nur 47 Cent pro Liter) und reichlichem Angebot konnte der Dieselfahrer den Mehrpreis zügig wieder reinholen. Doch seit der Diesel weltweit knapp wird und die Preise auf Super-Niveau geklettert sind, rückt die Amortisation in immer weitere Ferne.

Benziner holen auf

Und das zu einer Zeit, da die Benziner zur Aufholjagd blasen. Die Energie, die die Entwickler zuletzt in den Dieselmotor gesteckt haben, fließt jetzt in den Ottomotor: Magere Benzin-Direkteinspritzung, intelligente Ladersysteme, Down-Sizing und gezielte Motorabschaltungen knabbern rapide am Verbrauchsvorteil des Diesel. Und da Benziner von Hause aus leiser und sauberer laufen, kann man sich viel Aufwand und Gewicht sparen.

Vieles spricht dafür, dass die große Zeit des Dieselmotors zu Ende geht. Zwar wird er für viele gewerbliche Einsatzzwecke auf Dauer unentbehrlich bleiben, doch im Pkw könnte es ihm so gehen, wie seinem Erfinder selbst. Der ging am 29.September 1913 an Bord eines Schiffes nach England. Abends zog er sich in seine Kabine zurück und ward von da an nicht mehr lebend gesehen. Rudolf Diesel verschwand unter bis heute nicht geklärten Umständen von Bord der "Dresden", um Wochen später als Wasserleiche im Ärmel-Kanal wieder aufzutauchen.

Quelle: ntv.de, Christof Johann ist leitender Redakteur von n-tv Motor.

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen