E-Klasse läuft auch mit Verbrauch "Null" Business-Class setzt die Segel
02.04.2012, 13:46 Uhr
Dank des Hybrid-Moduls kann das Fahrzeug auch kurze Strecken rein elektrisch fahren
(Foto: Axel F. Busse)
Die Idee ist so naheliegend wie selbst-zündend: Warum nicht einen ohnehin schon sparsamen Dieselmotor mit einem Elektroantrieb kombinieren? Das senkt den Verbrauch nochmals. Zwar ist Mercedes nicht der erste Hersteller, dem das einfällt, aber die E-Klasse ist der erste Diesel-Hybrid im Premium-Segment.

Der E 300 BlueTec Hybrid ist für den europäischen Markt vorgesehen, in den USA wird ein Benzin-Hybrid angeboten.
(Foto: Axel F. Busse)
Das Dieselaggregat mit der Daimler-Kennziffer OM 651 hat sich zur Allzweckwaffe entwickelt. Außer in C- und E-Klasse baut Mercedes den 2,2-Liter-Vierzylinder noch in GLK und M-Klasse ein, selbst für die Luxuslimousinen der S-Klasse ist der bärenstarke Selbstzünder nicht zu gewöhnlich. Der Ehrgeiz, das sparsamste Oberklassen-Modell anzubieten, hat Mercedes-Ingenieure angetrieben, den Vierzylinder mit einem Elektromotor zu kombinieren. Der beansprucht nur 65 Millimeter Bauraum und sitzt zwischen Verbrennungsmotor und Getriebe. Es ist davon auszugehen, dass künftig weitere Baureihen mit diesem rund 100 Kilogramm schweren Hybrid-Modul ausgestattet werden.
Mit 20 Kilowatt oder 27 PS beteiligt sich der Elektromotor sich an der Zubereitung der Gesamtleistung des 1850 Kilogramm schweren Autos. Die Hauptlast trägt der Verbrennungsmotor mit 204 PS. Seine 500 Newtonmeter Drehmoment summieren sich mit den 250 Nm des Elektromotors zu einer beeindruckenden Schubkraft, die von den Insassen als enormer Vortrieb wahrgenommen werden. Die Weiterleitung der Antriebskraft an die Hinterräder übernimmt das 7-G-Tronic-Plus-Getriebe, das über eine Start-Stopp-Einrichtung verfügt. Verzögerungs- und ruckelfrei nimmt der Motor wieder seinen Betrieb auf, wenn der Sparmechanismus an der roten Ampel seinen Auftrag erfüllt hat.
Amerikaner bekommen einen Otto-Hybrid
Die Hybrid-Offensive der E-Klasse fährt der Stuttgarter Konzern sogar zweigleisig. Während das Modell E 300 BlueTec Hybrid speziell für den europäischen Markt konzipiert wurde, gibt es ein Pendant mit Otto-Motor, das vor allem Kunden in den USA oder China überzeugen soll. In Deutschland wird dieses Modell nicht erhältlich sein. Die Benzin-Fraktion erhält jedoch einen Dreiliter-Sechszylinder als Kraftquelle.

Mit 4,2 Litern EU-Normverbrauch ist der Mercedes auf dem Papier die sparsamste Oberklassen-Limousine.
(Foto: Axel F. Busse)
Auch der PSA-Konzern hat die Idee vom Diesel-Hybrid bis zur Serienreife weiter entwickelt, nur verfolgen die Franzosen ein gänzlich anderes Prinzip. Zusätzlich zum Frontmotor, der die Vorderräder antreibt setzen sie eine Elektroeinheit auf die Hinterachse, die den dort sitzenden Rädern bei Bedarf Schwung verleiht. Der Mercedes hingegen bleibt ein konventionell über die Hinterräder angetriebenes Auto. Rein elektrisches Fahren ist ihm jedoch ebenso möglich, wenngleich nur über eine überschaubare Distanz.
Die Vorstellung der Spar-Limousine fällt in eine Zeit akuter Debatten um die Spritpreise. Deshalb freut sich Mercedes-Projektleiter Dr. Michael Weiss ganz besonders, dem Aufwärtstrend der Kosten eine gegenläufige Entwicklung entgegensetzen zu können: "Wir wollen und können die Spirale zurück drehen", verspricht der Ingenieur, der damit auch auf die kommende A-Klasse hinweist. Sie soll die Marke von 100 Gram CO2 je Kilometer unterschreiten. Eine neue Einlass-Ventilsteuerung kommt dabei ebenso zum Einsatz wie ein Doppelkupplungsgetriebe.
Auf dem Datenblatt glänzt der Mercedes E 300 BlueTec Hybrid schließlich mit einem Norm-Verbrauchswert von 4,2 Litern je 100 Kilometer, was einem CO2-Ausstoß von 109 Gramm je Kilometer entspricht. Wie sehr die individuelle Fahrweise den Schnitt beeinflusst, zeigten die ersten Testfahrten eindrucksvoll: Auf identischer Strecke, mit technisch gleichen Autos und nahezu gleicher Beladung lag die Brandbreite der erzielten Durchschnittsverbräuche zwischen 4,4 und rund acht Litern.
"Eco-Coach" soll sparen helfen
Da die Verbrauchsermittlung nach europäischem Fahrzyklus ebenso verbindlich wie praxisfremd ist, setzt Mercedes zur Gewinnung von Daten auch Kunden ein. Eine Flotte von 400 Fahrzeugen spült pro Jahr etwa sechs Millionen Kilometer ab, die unterschiedlichen Fahrstile und Einsatzgebiete helfen bei der Entwicklung neuer Effizienztechniken. Eine dieser Techniken ist ein "Eco-Coach" mit dem Fahrer visuellen Hinweise für eine noch spritsparendere Fahrweise erhält. Eine weitere Innovation ist ein aktives Fahrpedal, das auf der Grundlage von Radardaten die Verkehrssituation analysiert und über eine Anklopffunktion am Fuß des Fahrers signalsiert, wann es sinnvoll wäre, vom Gas zu gehen und ausrollen zu lassen.
Die aktuelle Neuerscheinung im Modellangebot – die Auslieferung des E 300 Hybrid soll im dritten Quartal beginnen - zeigt aber auch, dass die steigende Anzahl an Mess-, Effizienz- und Assistenz-Systemen nicht nur Gewinn für die Nutzer bringt. Im TFT-Monitor des Hauptinstruments der E-Klasse sind mittlerweile so viele Symbole eingeblendet, dass ihre Unterscheidung und sinnvolle Verarbeitung durch den Fahrer zur Herausforderung werden kann.
Da bis auf den Einbau des Hybrid-Moduls keine wesentlichen Änderungen an der E-Klasse vorgenommen wurden, ist die Limousine die souveräne und komfortable Begleiterin geblieben, als die sie bekannt ist. Der Elektromotor erfüllt eine Boost-Funktion, die beim Anfahren den Dieselmotor unterstützt und so in 7,5 Sekunden von Null auf Hundert beschleunigen kann. Lediglich bei energischer Leistungsanforderung offenbart der Vierzylinder, dass ihm an der Laufruhe und –kultur gegenüber dem Sechszylinder ein Quäntchen fehlt. Später geht er dank langer Übersetzung in ein sanftes Gleiten über, so dass selbst bei 160 km/h kaum mehr als 2000 Kurbelwellenumdrehungen anliegen.
Mit einem Anteil von mehr als drei Vierteln ist das T-Modell in Deutschland die klar dominierende Karosserieform der Baureihe. Mit einem Startpreis von 55.008 Euro ist die Anschaffung um 3213 Euro teurer als die der Limousine. Beide Modelle liegen damit 3570 Euro höher als ihre Pendants mit reinem Dieselantrieb. Die Anzahl der gewerblichen Zulassungen liegt etwas unterhalb der Konkurrenz von Audi und BMW, aber immer noch bei etwa 70 Prozent. Bei Mercedes wird damit gerechnet, dass der Diesel-Hybrid einen Anteil von vielleicht zehn Prozent schaffen kann.
Quelle: ntv.de