Wider die Konjunktur Der Pariser Autosalon
27.09.2002, 11:43 UhrGanz Europa ist von konjunktureller Schwermut gezeichnet. Ganz Europa? Nein. Ein kleines gallisches Dorf trotzt tapfer dem Niedergang. Die Rede ist von Paris, dem Automobilsalon und der europäischen Autobranche im Ganzen. Denn trotz eines Zulassungsrückgangs von vier bis fünf Prozent in diesem Jahr sind sich alle sicher: 2003 geht es wieder rasant bergauf.
Dazu passen auch die im Umfeld des Salons präsentierten Zahlen: BMW hat bis September in diesem Jahr bereits 19 Prozent mehr Autos verkauft als im Vorjahr (vor allem dank des Mini), Chrysler verkündet, nach tiefroten Zahlen auch im dritten und vierten Quartal Gewinne zu machen und Mercedes hat gerade seine Umsatzprognosen für 2002 nach oben revidiert und will wieder 1,15 Millionen Fahrzeuge absetzen. Doch auch im von Rückgängen gezeichneten Jahr 2002 gab es unterhalb der Luxusmarken klare Gewinner, allen voran die französischen Hersteller. Entsprechend groß auch ihr Optimismus vor dem "Heimspiel" in Paris: "Wir halten an unserem Ziel fest, weltweit in diesem Jahr 3,25 Mio. Autos zu verkaufen und den Absatz bis 2004 auf 3,5 Mio. zu steigern ", so PSA-Chef Jean-Martin Folz (Peugeot/Citroen).
Dabei vertrauen die Hersteller bei ihren Prognosen auf eine wahre Flut von Neuheiten. Rund 50 Weltpremieren erleben in Paris Ihren ersten Auftritt. Doch Brot-und-Butter-Autos sind nur wenige darunter. Der dominierende Trend der letzten Jahre lautet: Möglichst jede Nische besetzen. "Varianten und Nischen sind die Zukunft der Automobilindustrie", glaubt Prof. Ferdinand Dudenhöffer vom Center of Automotive-Research in Gelsenkirchen. Beispiel Mercedes-Benz. Betrug die Zahl der Modelle 1985 noch neun, so sind es heute 18 Grundmodelle. Dazu kommen eine Vielzahl von Karosserievarianten, sodass der Konzern mittlerweile alle Sparten flächendeckend bestückt: Vom Smart bis zum Maybach ist für jeden etwas dabei.
Die Führung bei der schnellen Entwicklung neuer Karosserievarianten und -konzepte haben aber in den vergangenen Jahren andere übernommen: Die französischen Hersteller, die damit die Konkurrenz aus Japan, Italien und Deutschland (Fiat, VW, Ford, Opel) erheblich unter Druck gesetzt haben und zu den wenigen Gewinnern 2002 zählen. Beginnen wir also einen kleinen Messerundgang bei Ihnen.
Renault: Gleich mit zwei wichtigen Modellneuheiten startet Renault in den Herbst. Gerade vorgestellt: Der neue Espace, der Urvater aller Vans. Bislang wurde er bei Matra gebaut, jetzt fertigt Renault ihn selber. Und die Kunststoffkarosserie muss einem Blechkleid weichen. Die tragende Rolle im Konzern aber kommt traditionell dem Megane zu, der ab November im völlig neuen Outfit die Schauräume betritt. Das Design orientiert sich stark an den futuristischen Brüdern Avantime und Vel Satis. Sein vielleicht größter Trumpf aber ist, dass er ein Jahr früher als die mittlerweile schwächelnden VW Golf und Opel Astra auf den Markt kommt.
Peugeot: Noch wird er als Concept Car deklariert, aber das ist nur Kosmetik. Der 307 CC, also das Cabrio auf Basis des Megane-Konkurrenten 307, kommt. Natürlich mit Stahl-Klappdach wie sein erfolgreicher kleiner Bruder 206 CC. Und wer es gerne sportlich mag, der erhält den 206 jetzt auch als RC mit 177 PS oder - vielleicht - die Oberklasse-Limousine 607 als Edition Pescaraolo mit 400 PS. Noch gilt auch sie als Concept Car.
Citroen: Der Hingucker bei Citroen heißt Pluriel, basiert auf dem kleinen C 3 und bietet ein in der Welt einzigartiges Feature: Per Knopfdruck wird aus der Limousine ein offenes Cabrio. Noch einmal drücken und das ganze Heck wird weiter nach unten gefaltet und es entsteht ein Pickup mit ebener Ladefläche. Aber das Schönste ist, es steht nicht einmal Concept Car dran!
Volkswagen: Der VW-Stand steht ganz im Zeichen des neuen Luxus-Geländewagens Touareg. Gemeinsam mit Porsche entwickelt und im VW-Werk in Bratislava gebaut, soll der Touareg dem Konzern völlig neue Märkte erschließen. Mit Motoren zwischen 174 und 420 PS (darunter der weltweit größte Serien-Diesel mit zehn Zylindern) und Preisen zwischen 42.000 und 62.000 Euro heißen die Konkurrenten künftig Porsche Cayenne, BMW X 5 und Mercedes M-Klasse. Ebenfalls in den Startlöchern steht steht der Touran, ein Minivan unterhalb des Sharan und das erste Fahrzeug auf der neuen Golf-V-Plattform.
Ford: Auch der lange Weg der Kölner aus der Talsohle wird in Zukunft stärker durch die Nische führen. Bestes Beispiel sind der neue Streetka und Sportka. Beide basieren auf dem beliebten Kleinwagen Ka, zeigen aber mehr Pep: Der Streetka ist offen und der Sportcar stärker. Und für die Vernunft gibt es den Fiesta jetzt als Dreitürer.
Opel: Kaum einer wird in Paris am Opel-Eco-Speedster vorbeikommen. Mit der Studie auf der vorhandenen Roadster-Basis will Opel demonstrieren, dass ein moderner Diesel in einem leichten Chasis kleine Sensationen vollbringen kann: 250 km/h Spitze bei nur 2,5 Liter/100 km Durchschnittsverbrauch. Das Geld für solche Experimente will Opel künftig mit dem Meriva verdienen, einem Minivan auf Corsa-Basis.
Porsche: Wie bei VW steht hier ein Luxus-Geländewagen im Rampenlicht, der Cayenne. Mit soviel Hightech kommt derzeit kein anderer Offroader daher. Muss auch sein, denn anders sind bis zu 450 PS in hoher Geländewagenkarosserie kaum zu kontrollieren.
Audi: Der Star heißt A 8 und der soll künftig eine Art Sportwagen unter den Oberklasse-Limousinen sein. 300 kg leichter als die Konkurrenz dank Aluminiumkarosserie - das verspricht glänzende Fahrleistungen. Nicht weniger potent ist der RS 4, der sportlichste Vertreter der A 4-Baureihe.
Mercedes: Die Stuttgarter bauen ihre Modellpalette derzeit ganz oben und ganz unten aus. Vom Super-Luxusliner Maybach gibt jetzt auch den "kleinen" 57 mit 5,7 Metern Länge und eher für Selbstfahrer gedacht. Und die Mercedes-Marke Smart zeigt ihre poppigen Roadster und Roadster Coupe. Von Mercedes selbst kommen mehrere AMG-Sportableger bekannter Modelle, dazu die gerade renovierte S-Klasse.
Jaguar: Während die Bänder bei den kleinen Typen X-Type und S-Type nur schleppend laufen, richten sich die Blicke auf das größte Modell, den XJ. Mit dem Vorgänger hat er nur den Namen gemein und mit einer ganz aus Aluminium gefertigten Karosserie folgt auch er dem Trend zum Leichtbau. 200 kg soll er gegenüber dem Vorgänger abgespeckt haben.
Bentley: Von vielen lange erwartet aber nur für wenige erschwinglich, das GT Coupe. Viel Mitgift der VW-Mutter machen den Bau erschwinglich, darunter ein W-12-Zylinder-Biturbomotor und Allradantrieb.
Fiat: Angesichts der dramatischen Lage des Konzerns ist man bescheiden, lediglich die Kombivariante des Stilo geht als echte Neuheit durch. Und bei Alfa Romeo soll der 147 GTA mit 250 PS jetzt auch die Golf-Klasse auf reines Sportwagen-Niveau hieven.
Honda: Der neue Accord soll den Siegeszug des alten fortsetzen. Stilistisch mit mehr Pfiff, wirken jetzt auch die Materialien endlich Mittelklasse-like.
Nissan: Hier beginnen sich die Synergien mit Renault immer mehr auszuzahlen. Der neue Micra basiert auf einer gemeinsamen Konzern-Plattform, da kann man sich sogar bei einem Mini Regensensor, Klimaautomatik und Keyless-Go leisten.
Viel Neues also aus Paris, viel Optimismus bei den Managern und genügend Verlockungen für den Autokauf. Es könnte gut sein, dass sich die europäische Automobilindustrie demnächst wieder als Konjunkturmotor bewähren muss.
Christof Johann
Quelle: ntv.de