Sparsamer geht's kaum Honda Civic - Unterschätzter Golf-Gegner?
03.10.2014, 11:29 Uhr
Die 300 Newtonmeter Drehmoment sorgen beim Civic für ordentliches Temperament.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Das Modell Civic gehört zu den Umsatzträgern von Honda in Deutschland. Mit dem 2,2-Liter-Dieselmotor konnten aber nur wenige etwas anfangen. Jetzt haben die Japaner einen 1,6-Liter-Selbstzünder nachgelegt, der viel besser läuft. Aber bringt das den Japaner in eine andere Liga?
Auf den Titel "weltgrößter Motorenhersteller" ist man bei Honda besonders stolz. Auch wenn die Autos mit dem H-Logo im Weltmaßstab keine so große Rolle spielen, gibt es ja noch unzählige Motorrad- und Bootfahrer, die auf diesen Antrieb vertrauen. Warum sollte es da nicht gelingen, dem Civic ein Herz einzupflanzen, das den Anforderungen der Kunden besser entspricht? Der neue Vierzylinder hat 1,6 Liter Hubraum und leistet 120 PS. Das sind nur 30 PS weniger als beim vormaligen 2,2-Liter-Aggregat und für einen Kompakten allemal genug.
Die Umstellung zeigt schon Wirkung auf dem deutschen Markt. Möglich, dass die in Paris anstehende Premiere eines neuen Civics zusätzlichen Schwung in die Verkäufe bringt. Der Dieselanteil bei den Neuzulassungen hat sich in diesem Jahr schon spürbar erhöht, bis Ende August waren ein Drittel der Fahrzeuge mit Selbstzünder unterwegs. Im Vergleichzeitraum des Vorjahres waren es gerade mal 18 Prozent. Was die Honda-Verantwortlichen aber nicht glücklich stimmen kann, ist die Tatsache, dass die Stückzahlen insgesamt leicht rückläufig sind.
Höfliche Gurt-Erinnerung
Zu verstehen ist das nicht. Auch wenn das ei-förmige Design nicht jedermanns Sache sein mag, so hat der Civic doch allerhand Qualitäten, die eine nähere Betrachtung lohnen. Wer im Kompakt-Segment seinen fahrbaren Untersatz sucht, ist oft pragmatisch veranlagt und möchte ein Allround-Fahrzeug, das als Pendler- und Urlaubswagen, als Familien- und Freizeitauto, als Flanier- und Transport-Vehikel tauglich ist. Das alles kann der zuweilen auch gern mal "Tschwitsch" genannte Honda und sein Styling bietet Gewähr dafür, dass er nicht in der Masse der Mitbewerber untergeht.
Für das Modelljahr 2014 hat der Hersteller Änderungen an Radaufhängung und Lenkung vorgenommen, die Kontrolle und das Handling verbessern sollen. Zudem gibt es eine Reihe neuer Assistenzsysteme, die in der Kompaktklasse durchaus nicht selbstverständlich sind. Von außen ist das überarbeitete Modell an den abgedunkelten Heckscheiben und Rückleuchten sowie den schwarzen Abschlüssen an Heckklappe und Stoßfängern zu erkennen. Bei einigen Ausstattungsvarianten gibt es dunklere Radlaufzierleisten und silber-schwarze 17‑Zoll-Leichtmetallfelgen, mit denen auch der Testwagen angezogen war. Neu sind im Innenraum die weißen Nähte an Lenkrad, Sitzen und Kniepolstern sowie schwarze Bedienelemente am Lenkrad und am Audio-Panel.
Allerlei Schrilles hat das Autofahrer-Ohr schon vernommen, wenn er mal vergisst, den Gurt anzulegen. Da wird gesummt, gepiepst, gebimmelt, geschnarrt und geklingelt, dem schuldbewussten Zusammenzucken folgt oft die Unsicherheit, was denn nun genau nicht stimmt. Im Civic geht es persönlicher zu: "Bitte schnallen Sie sich an" sagt in ebenso höflichem wie unnachgiebigem Tonfall eine weibliche Stimme und man kommt der Aufforderung gerne nach. Ein wenig zurückhaltender hätte es dagegen bei der Cockpit-Gestaltung zugehen können. Das bogenförmig um den Fahrer gespannte Digital-Panel bietet nicht nur eine unerwartete Farben-, sondern auch Informationsfülle, so dass Neueinsteiger Probleme mit dem Überblick haben könnten. Erst recht bei Dämmerungsfahrten kann ein so buntes Mäusekino auch Ablenkungspotenzial in sich bergen. Lobenswert ist aber, dass die Monitorbeleuchtung des Navi- und Enterntainment-Systems einen Ruhezustand kennt und bei Nichtbenutzung einfach schwarz bleibt. Auf Sparsamkeit erpichte Fahrer achten darauf, dass sie den Farbbogen vor sich stets "im grünen Bereich" halten.
Assistenten wie die Großen
Die reichhaltige Ausstattung des Civic Executive umfasste einen City-Notbremsassistenten, Kollisionswarner, Spurhalteassistent, Verkehrszeichenerkennung, Fernlicht- und Toter-Winkel-Assistent sowie eine Überwachung des Querverkehrs, die das Ausparken sicherer machen soll. Im Endpreis von 33.850 Euro waren ferner Licht- und Regensensor enthalten, Nebelscheinwerfer, Isofix-Kindersitzbefestigungen, Lendenwirbelstütze, Alu-Sportpedale, Lederpolster, Einparkhilfe vorn und hinten, Panorama-Glasdach, Xenon-Scheinwerfer sowie ein Navigations- und Entertainment-System nebst Speicherplatz für 10 GB Audiodateien.
Der Cockpit-Bereich war bei diesen Testfahrten zugleich der Ort zweier Schwachpunkte, die das Fahrvergnügen durchaus einschränken können. Weil der neue Diesel so leise und kultiviert lief, wurden Verwindungsgeräusche auf unebener Fahrbahn umso stärker wahrgenommen. Ein paar Meter Kopfsteinpflaster, schon knirschte, knisterte und zirpte es an allen Ecken und Enden, was nach ein paar tausend Kilometern Laufleistung sicher noch nicht mit der Lockerung von Bauteilen zu erklären ist. Ein weiterer Grund zum Nachdenken ist die Maßstabs-Regelung im Navigationssystem. Braucht man wirklich eine 400- und eine 800-Kilometer-Einstellung? Wichtiger ist doch eine Abstufung zwischen 100 und 500 Metern zur Orientierung in der näheren Umgebung und eine Detailtiefe, die Nebenstraßen nicht einfach verschwinden lässt, wenn man den Maßstab vergrößert.
Pfiffiges Sitz-Konzept und viel Platz
Zum Glück gibt es ja noch eine Motor-Getriebe-Einheit, die aufkommenden Unwillen im Keim ersticken kann. Willig schnurrt der kleine Ölbrenner in überschaubaren Drehzahlen dahin, kann aber dennoch mit 300 Newtonmetern Drehmoment ein gehöriges Temperament entfachen. Das eng abgestufte Sechsganggetriebe lässt sich spielerisch und exakt schalten, was einen entspannten Fahreindruck vermittelt, wenn man sich erst einmal an den sehr späten Kraftschluss der Kupplung gewöhnt hat. In knapp elf Sekunden kann der Civic auf 100 km/h spurten und muss sich auch bei doppeltem Tempo noch nicht von der Überholspur schubsen lassen. Mit einem Testverbrauch von 4,9 Litern je 100 Kilometer gehört der Civic zu den genügsamsten Auto, die je im n-tv.de-Praxistest liefen. Der Federungskomfort ist gut, die Sitze sind bequem und langstreckentauglich.
In ihnen steckt, betrachtet man die Rückbank, noch eine raffinierte Besonderheit, die so kein Mitbewerber bietet: Die Sitzposter können auch nach oben weggeklappt werden. "Magic Seats" nennt Honda das System, mit dem der gesamte Raum zwischen Teppichboden und Dachhimmel für sperriges Gut wie etwa ein Fahrrad genutzt werden können. Natürlich ist es auch möglich, die Polster auf dem Boden zu verstauen. Es entsteht dann eine komplett ebene Gepäckfläche, die 1,80 Metern lang wird, wenn man Fahrer- und Beifahrersitz ganz nach vorn schiebt. Die Ladekante ist mit 68 Zentimetern durchschnittlich hoch, dahinter geht es 22 Zentimeter in die Tiefe. Insgesamt können 467 Liter Volumen genutzt werden, bei umgeklappter Rücklehne bis 1368 Liter. Zum Vergleich: In einem VW Golf sind es 380 bis 1270 Liter.
Fazit: In einem Segment, wo der VW Golf als Maß allen Wettbewerbs gilt, gehört der Honda Civic zweifellos zu den unterschätzten Protagonisten. Mit dem tadellos genügsamen 1,6-Liter-Diesel und einer umfangreichen Grundausstattung bietet er ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis. Über kleine Schwächen lässt sich hinwegsehen, denn das Gesamtbild ist positiv. Stilistisch unkonventionell, dafür aber üppig im Raumangebot und ungemein praktisch hätte er mehr Aufmerksamkeit verdient.
DATENBLATT | Honda Civic 1.6 i-DTEC |
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) | 4,32 / 1,77 / 1,47 m |
Leergewicht (DIN) | 1378 kg |
Sitzplätze | 5 |
Ladevolumen | 467 / 1368 Liter |
Motor | Reihen-Vierzylinder Diesel mit Turboaufladung, 1597 ccm Hubraum |
Getriebe | 6-Gang manuell |
Systemleistung | 88 kW/120 PS |
Kraftstoffart | Diesel |
Antrieb | Vorderradantrieb |
Höchstgeschwindigkeit | 207 km/h |
max. Drehmoment | 300 Nm bei 2000 U/min |
Beschleunigung 0-100 km/h | 10,8 s |
Normverbrauch kombiniert (Stadt, Land, kombiniert) je 100 km | 4,1 / 3,5 / 3,7 l |
Testverbrauch | 4,9 l |
Tankinhalt | 50 l |
CO2-Emissionen (Normverbrauch) | 98 g/km |
Emissionsklasse | EU 6 |
Grundpreis | 29.140 Euro |
Preis des Testwagens | 33.850 Euro |
Quelle: ntv.de