Proberunde im neuen 911er Überzeugende siebte Auflage
22.11.2011, 13:45 Uhr
Trotz zehn Zentimetern mehr Radstand wirken die Proportionen authentisch.
(Foto: n-tv.de/Busse)
Mit der siebten Auflage wächst der 911er deutlich und überzeugt durch klassische Qualitäten: Die Porsche-Ikone ist schnell, leicht, weniger durstig und - teuer.
Dass Leistung sich nicht lohne, hat man Porsche nie klagen hören. Auch der neue 911er ist ein schönes Beispiel dafür, wie man sich Motorleistung belohnen lassen kann. Von den 50 PS Unterschied zwischen den Modellen Carrera und Carrera S kostet jede einzelne Pferdestärke 288 Euro.
Lohnen tut sich auch die Anschaffung, sagen sie, die einen oder mehrere in der Garage haben. Nicht nur wegen der Wertbeständigkeit, sondern auch wegen der Haltbarkeit: 80 Prozent alle je gebauten 911er sind noch für den Straßenverkehr zugelassen – weltweit mehr als eine halbe Million. Den traditionellen Proportionen treu, im Innenraum moderner und durch eine rampenartige Konsole den aktuellen Modellen von Cayenne und Panamera verwandt, präsentiert sich die auf immerhin 4,50 Meter gewachsene Sportwagen-Ikone.
Als die ersten Details der siebten Generation des vor 48 Jahren als Nachfolger des 365ers erstmals vorgestellten Coupés bekannt wurden, machte sich Sorge breit unter den Puristen. Ein verlängerter Radstand würde die fahrdynamischen Qualitäten negativ beeinflussen, fürchteten sie. Einen Mini kriegt man schließlich auch flinker ums Eck als eine S-Klasse. Wenn es eine Erkenntnis der ersten Testfahrt gibt, dann diese: Die Porsche-Leute können’s einfach. So wie der Umstieg von Luft- auf Wasserkühlung den Mythos 911 nicht "verwässern" konnte, kratzt auch die Neuerscheinung nicht an dem Denkmal, sondern fügt nur eine weitere, aufregende Facette hinzu.
Erstmals Sieben-Gang-Handschaltung
Die liegt jedoch nicht in zehn Zentimetern mehr Radstand, sondern eher im weltweit ersten Handschaltgetriebe mit sieben Gängen. Analog zum PDK-Getriebe mit sieben Stufen, wofür sich zuletzt mehr als zwei Drittel der 911er- Kunden entschieden haben, bietet der Hersteller für die Freunde des manuellen Gangwechsels jetzt ebenso viele Übersetzungen an. Der siebte Gang liegt oben rechts (die älteren werden sich noch an die ersten Fünfgang-Schaltboxen erinnern) und eine automatische Sperre sorgt dafür, dass man nicht versehentlich von vierten in den siebten Gang rutschen kann.
Die Kupplung dazu ist hart wie eh und je, die Gänge flutschen knackig und präzise rein, aber wer will, kann den Elfer auch schaltfaul fahren. Fünf Prozent mehr Drehmoment (vorher 400 Newtonmeter) und 400 PS statt 385 klingen nicht nach explosionsartigem Schub, doch beim Kurvenwedeln im bergigen Hinterland von Los Angeles wird man schnell eines Besseren belehrt. Der dritte Gang hat unter diesen Bedingungen ein Spaßpotenzial, dass neuerdings nicht nur fühlbar, sondern sogar objektiv messbar ist: Das Sport Chrono Paket (es kostet 1594,60 Euro Aufpreis) liefert im Kombi-Instrument neben dem zentralen Drehzahlmesser eine so genannte G-Force-Anzeige mit. Sie stellt visuell die Längs- und Querbeschleunigungskräfte dar und speichert die Höchstwerte. Den in diesem konkreten Falle erreichten Vergnügungsfaktor von 1,3 G dürften nur wenige Kirmes-Fahrgeschäfte übertreffen.
Motorlager passen sich an
Dennoch wären 1595 Euro für einen animierten Leuchtpunkt etwas happig, hätte das Sport Chrono Paket nicht noch mehr zu bieten. Zum Beispiel gehören jetzt dynamische Motorlager dazu, wie sie erstmals im 911 GT3 eingeführt wurden. Sie können, je nach Anforderungsprofil zwischen zügiger Geradeausfahrt und schnellem Richtungswechsel zwischen weicher und harter Dämpfung eingestellt werden. Harte Lager können, beispielsweise auf der Rundstrecke, den durch die Massenträgheit des Antriebsstranges ausgelösten verzögerten Kraftimpuls deutlich minimieren und so die als Nachdrängen des Hecks empfundene Bewegung des schwersten Bauteils unterdrücken. Weiche Lager hingegen dämpfen die Motorvibrationen ab und schaffen so mehr Komfort. Eine Stoppuhr für die Feststellung der Rundenzeiten auf dem Armaturenbrett gibt’s noch obendrauf.
Wie die soziale Akzeptanz von hoch motorisierten Sportwagen vom Hersteller beeinflusst werden kann, weiß man natürlich auch bei Porsche. Deshalb gehören auch eine Schaltpunktanzeige sowie eine Start-Stopp-Automatik zur Ausstattung des neuen 911ers. Das Sparpotenzial der automatischen Unterbrechung des Motorlaufs zum Beispiel an der Ampel wird auf 0,6 Liter je 100 Kilometer taxiert. Und wer es darauf anlegt, kann mit dem Auto sogar "segeln". Diese Fähigkeit ist in der Praxis die Steigerung der bekannten Schubabschaltung: Geht man in flottem Marschtempo vom Gas, wird nicht nur die Spritzufuhr unterbrochen, sondern auch der Antriebsstrang entkoppelt.
Erstmals unter 200 Gramm CO2
Das muntere Hakenschlagen auf griffigem Geläuf funktioniert mit der elektromechanischen Lenkung genauso gut, wie mit der hydraulischen, es fehlt weder an Präzision, noch an Rückmeldung von der Straße. Dass die statte Präsenz auf dem Asphalt so authentisch rüberkommt, dürfte auch an der breiteren Spur vorne liegen, die gegenüber dem Vorgänger um 50 Millimeter zulegte.
Gemeinsam mit einem verbesserten Luftwiderstandsbeiwert (0,29) und einer effizienten Lenkung (sie verbraucht im Geradeauslauf keine Energie) hat der 911er mit automatischem Getriebe den Verbrauchs-Prüfstand mit einem Ergebnis von 8,7 Litern je 100 Kilometer verlassen. Das sind weniger als 200 Gramm CO2 pro Kilometer, sagt aber für die Praxis bekanntlich nicht viel. Doch selbst bei porsche-gemäßer Fahrweise, also höhertourig und mit dem Ehrgeiz, den animierten Leuchtpunkt in Richtung "1G" zu bewegen, registrierte der Bordcomputer nicht mehr als 11,2 Liter im Schnitt.

Die rampenförmige Mittelkonsole setzt das Designthema anderer Porsche-Modelle fort.
(Foto: Guy Spangenberg)
Für die relative Sparsamkeit sorgt nicht zuletzt die strenge Diät, die bei der Komposition der Einzelteile oberste Maxime darstellte. Das Auto ist größer als der Vorgänger, doch gleichzeitig bestehen rund 45 Prozent der Karosserie aus Aluminium, wodurch der fahrfertige 911er nicht mehr als 1400 Kilogramm auf die Waage bringt. Das sind etwa 40 Kilogramm weniger als das Auto der Baureihe 997. Ein gut ausgestatteter VW Golf kommt auf das gleiche Gewicht. Wenn wesentlich leistungsstärkere Wettbewerber als der neue Carrera die Nordschleife in deutlich mehr als 7:40 Minuten durchmessen, dann vor allem deshalb, weil sie immer noch zu viel Speck auf den Rippen haben. Weitere 13 Kilogramm kann man sparen, wenn man sich statt der serienmäßigen Stahlbremse für die Scheiben aus Keramik-Verbundstoff entscheidet. Für die dann fälligen 8508,50 Euro kann man seinen Porsche aber ebenso gut mit dynamischer Chassiskontrolle (inklusive Wankausgleich), Sportabgasanlage und variabler Antriebsmomentverteilung ausstatten.
Quasi als Gegengewicht zu den vielen technischen Innovationen bleibt eines bei Porsche verlässliche Konstante: Die fast ruinöse Aufpreispolitik. 102.436 Euro für den 911 Carrera S mag man angesichts von Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsumfeld als gerechtfertigt ansehen, doch wer die Ausstattungsfreude bis zu lederbezogenen Luftdüsenlamellen ausreizt, kann diesen Preis ohne Anstrengung verdoppeln. Dass Leistung sich auf diese Weise lohnt, nehmen die Kunden willig hin und sorgen dafür, dass die vom Vorstand als Ziel ausgegebene Umsatzrendite von 15 Prozent zuverlässig erreicht wird.
Quelle: ntv.de