Praxistest

Audis Q7 gegen Mercedes GL Der Feine unter den Groben

Audi will noch mehr, Mercedes reicht es jetzt: V8-Motoren stellen gegenwärtig die leistungsmäßige Spitze der Selbstzündertechnologie dar. Während aber Audi seinen Zwölfzylinder schon fertig hat und nächstes Jahr herausbringen will, hat Mercedes jüngst bekannt gegeben, dass der 420 CDI-Motor keinen Nachfolger bekommen wird. Höchste Zeit also, im Vergleich der dicken Diesel nach dem Feinsten unter den Groben zu suchen.

Es erscheint zweifelhaft, ob die Schöpfer des Begriffs "Sport Utility Vehicle" damit Fahrzeuge meinten, die mehr als fünf Meter lang sind und unbeladen zweieinhalb Tonnen wiegen. Das Kürzel SUV hat sich aber eingebürgert und gilt damit auch für Dickschiffe wie den Audi Q7 und den Mercedes GL. Sie bieten ihren Besitzern von allem ein bisschen mehr: Platz und Leistung, Kosten und Emissionen. Wer weniger als 70.000 Euro für den Autokauf oder wenigstens eine dem entsprechende monatliche Summe für Leasingrate verfügbare hat, sollte nicht weiter über die Anschaffung nachdenken. Der Gegenwert ist kolossal, unabhängig vom Markenlogo erhält man ein Luxusgefährt mit gehobener Sicherheits- und Komfortausstattung sowie der Fähigkeit, bei Bedarf auch mal querfeldein den Stau umfahren zu können.

Mercedes ein echter Geländewagen

Doch jenseits des Asphalts offenbaren sich bereits schwerwiegende Unterschiede zwischen den Kontrahenten. Beim Mercedes ist die komplette Geländeausstattung an Bord: Sperren für Hinterachs- und Mitteldifferenzial, Getriebereduktion, Bergan- und -abfahrkontrolle sowie Unterfahrschutz. Ein ernst zu nehmender Offroader also, der bei Bedarf 60 Zentimeter tiefe Furten durchwatet oder 45 Grad steile Rampen emporkraxelt.

Bis auf 307 Millimeter kann die Luftfederung des Mercedes die Bodenfreiheit aufpumpen. Auch der Audi hat Luftfederung und eine variable Bodenfreiheit bis immerhin knapp 240 Millimeter, jedoch sind auch gegen Aufpreis weder Geländereduktion noch Sperrdifferenzial zu haben. Auf schwerem Geläuf hängt der Mercedes den Audi klar ab.

Dafür, dass der Audi-Besitzer wegen des minimal größeren Hubraums rund 32 Euro Kfz-Steuer jährlich mehr zahlen muss als der Mercedes-Eigner, bekommt er als Gegenleistung das kraftvollere Auto. In Nennleistung (326 zu 306 PS) und Drehmoment (760 zu 700 Newtonmeter) übertrifft der Vier-Ringe-Wagen das Stern-Auto. Im Praxisvergleich machte sich dieser Unterschied kaum bemerkbar, im Gegenteil: Der Audi leistete sich eine spürbare Anfahrschwäche. Bis der Tritt aufs Gaspedal in den erwartet brachialen Vorwärtsdrang umgesetzt ist, vergeht ein quälend langer Moment.

Audi mit leichten Verbrauchsvorteilen

Die Siebengang-Automatik des Benz ist auf Spurts aus dem Stand besser eingerichtet, dafür lässt sie sich von Hand nicht so komfortabel schalten, wie es mit den Lenkradpaddeln der 6-Gang-Tiptronic des Audi geht. Die Unterschiede in der Höchstgeschwindigkeit (Audi 236 km/h, Mercedes 230) haben für die Praxis nur nachrangige Bedeutung. Einigermaßen überraschend das Verbrauchsergebnis: Auf der gemeinsamen, rund 600 Kilometer langen Testfahrt mit hohem Autobahnanteil verbrauchte der Audi 11,2 Liter Diesel, der Mercedes genehmigte sich 11,9 - und das bei geringerem Hubraum.

Trotz der gewaltigen Abmessungen liegen beide Autos gut in der Hand. Für den Mercedes wünschte man sich größere Außenspiegel, ihnen fehlen auf jeder Seite rund 100 Quadratzentimeter gegenüber der Fläche, die Audi für die Rück-Sicht bietet. Zehn Zentimeter mehr Scheitelhöhe und ein dementsprechend höherer Schwerpunkt lassen den Mercedes im Handling etwas behäbiger erscheinen. Mit der direkteren Lenkung und dem straffer abgestimmten Fahrwerk sammelt der Q7 Agilitätspunkte gegenüber dem GL.

Auf einen dynamischen Fahrstil ist auch das Audi-Gestühl ausgelegt, gleichzeitig sportlich-stabil und bequem. Den vorderen Insassen des 420 CDI spendiert Mercedes seine Multikontursitze samt Memoryfunktion, deren sesselhafte Üppigkeit Kunden anderer Modelle mit rund 1000 Euro bezahlen müssen. Ob die gleichzeitige Verwendung von Zierelementen in Chrom und mattem Aluminium wie im Mercedes-Cockpit wirklich den Gipfel der Wohnlichkeit darstellt, ist Geschmackssache.

Stop-and-Go regelt das Auto

Wer mit zwei Kubikmetern oder mehr Laderaum wirbt, muss damit rechnen, dass sie auch genutzt werden. Der GL soll zum Beispiel bis zu 2300 Liter Volumen hinter der ersten Sitzreihe schlucken, die aber durch eine 98 Zentimeter breite Ladeöffnung bugsiert werden müssen. Beim Audi beträgt diese Breite 1,20 Meter, jedoch sind Höhe und Tiefe des Laderaumes geringer.

Für beide Autos gibt es eine dritte Sitzreihe als Sonderausstattung, für 1844 Euro (Mercedes, elektrisch versenkbar) oder 875 Euro bei Audi. Aufpreisfrei bietet der GL 19-Zoll-Felgen, Licht- und Regensensor, Reifendruckkontrollsystem und elektrisch abklapp- sowie abblendbare Außenspiegel. Das kann man auch bei Audi bekommen, kostet zusammen aber mehr als 1700 Euro extra.

In Bezug auf die Bedienfreundlichkeit lassen sich am Navigationssystem deutliche Unterschiede feststellen. Der Audi-Testwagen verfügte über das modernere und weiter entwickelte System, was sich nicht nur an der kleinteiligen und damit praxisgerechten Maßstabsabstufung, sondern auch an dem einfacheren Zugriff auf diese Funktion erkennen ließ. Während beim Benz für die Maßstabsänderung zweimaliger Tastendruck nötig ist, genügt beim Audi eine Drehung des zentralen Bedienknopfes.

Wer mehr zahlt, bekommt auch mehr

Unterschiede auch bei den Assistenzsystemen. Temporegelung nebst Abstandsradar gibt es für beide Modelle gegen Aufpreis, nur das Audi-System verfügt über die weiter gehende Funktion, die auch automatisches Stop-and-Go im zäh fließenden Verkehr zulässt. Weder eine Rückfahrkamera will, kann sie beim Q7 nur als Teil des „Advanced-Parksystems (plus 870 Euro) bekommen. Dafür sind im Monitor je nach Lenkradeinschlag Hilfslinien zur Einschätzung der Fahrzeugbewegung sichtbar, was die Kamera des GL (plus 464 Euro) nicht darstellt.

Fazit: Zwei tolle Autos, die Feines und Grobes ideal vereinen. Den höheren Einstiegspreis rechtfertigt der Mercedes durch die umfangreichere Grundausstattung und die uneingeschränkte Geländetauglichkeit. Dass er am Ende eine Nasenlänge vorn liegt, verdankt er aber der Tatsache, dass er auf pistenmäßige Härtefälle vorbereitet ist den kompletten Spagat zwischen Lackschuh und Bergstiefel schafft.

Quelle: ntv.de

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