Großer Bruder mit 65 PS Fiat setzt auf den Grande Punto
14.11.2005, 06:20 UhrVon Axel F. Busse
Neunzehn Zentimeter können eine Menge sein. Wenn der Zweitgeborene seinen Bruder um dieses Maß überragt, darf er wohl den Beinamen "Grande" mit Selbstbewusstsein führen. So ist das jedenfalls beim neuen Fiat Punto, der seit wenigen Tagen bei den Händlern steht. Für Werner H. Frey, den Vorstandsvorsitzenden der Fiat Automobil AG, ist er "vielleicht das wichtigste neue Auto" des Konzerns. Das "Herz der Marke", wie Frey es sieht, soll kraftvoll schlagen und gegen Konkurrenten wie Renault Clio, Opel Corsa und Peugeot 206 punkten.
Tatsächlich hat Fiat große Erwartungen an ein mit 4,03 Metern Länge nicht mehr ganz kleines Auto. Von den angepeilten 60.000 Pkw und Transportern, die Fiat 2006 in Deutschland absetzen will, soll der Grande Punto einen Anteil von 50 Prozent einfahren. Das unter dreistelligen Millionenverlusten ächzende Unternehmen hofft auf eine Steigerung des Marktanteils auf zwei Prozent – gegenwärtig sind es derer 1,5. Fiat will mit dem Grande Punto wieder mehr junge Käufer ansprechen. Bisher liegt das Durchschnittsalter der Punto-Kunden bei 44 Jahren, was aber zu einem großen Teil der Tatsache geschuldet sein dürfte, dass der Zweitwagen vom Papa gekauft und der Tochter genutzt wird.
Design von Giugiaro
Die Fortschreibung der Erfolgsgeschichte des Punto, der in drei Generationen immerhin 6,5 Millionen Käufer fand, soll mit einem Modell gelingen, das erst auf den zweiten Blick als Fiat zu erkennen ist. Die Silhouette erinnert stark an die Wettbewerber aus französischer Fertigung, auch wenn Star-Designer Giorgetto Giugiaro bestimmt Dutzende von Argumenten dafür liefern würde, warum diese Beobachtung ein Irrtum ist. Die Frontpartie, das sei ihm zugestanden, hat ihre Vorbilder im italienischen Automobilbau und erinnert an Maserati.
Wer den fahrenden Grande Punto, egal mit welcher Motorisierung, zum ersten Mal wieder zum Stehen bringen will, wird die herzhafte Verzögerung der Bremsanlage wohlwollend registrieren. Die Bremsscheiben sind innenbelüftet und 257 mm bzw. 284 mm groß, was in dieser Fahrzeugklasse durchaus nicht selbstverständlich ist. Außer kräftigen Bremsen hat Fiat auch andernorts viel für die Sicherheit getan: Fahrer- und Beifahrer-Airbags, ABS, Isofix-Kindersitzbefestigungen und Gurtkraftbegrenzer schützen die Insassen serienmäßig. Für einige Varianten ist ESP nur gegen Aufpreis zu bekommen (500 Euro).
Der Hersteller geht davon aus, die etwa die Hälfte der Kunden sich für die Ausstattungslinie "Dynamic" entscheiden wird. Sie ist ab 12.300 Euro zu haben und bietet zusätzlich Seitenairbags vorn, eine Klimaanlage, einen höhenverstellbaren Fahrersitz und eine Funkfernbedienung für die Zentralverriegelung.
Einstiegsmotor mit 65 PS
Schon in der Grundausstattung ab 10.990 Euro sind bereits Servolenkung und Zentralverriegelung, elektrisch verstellbare Außenspiegel, der Tripcomputer sowie ein längs- und höhenverstellbares Lenkrad enthalten. Der Motor für den Einstieg ist ein 65 PS-Benziner, der es dann mit einem mindestens 1.100 Kilo schweren Dreitürer zu tun bekommt. Die nächste Leistungsstufe ist bei 77 PS erreicht, aber auch der 1,4 Liter-Benziner kann nur einen Hauch von Temperament erzeugen. Vor allem, wer gern niedertourig fährt, kann Enttäuschungen durch ausbleibendes Drehmoment erleben.
Da überrascht es nicht wirklich, dass die stärksten Motorisierungen auch dieses Fiats im Dieselbereich zu suchen sind. Der 90 PS-Multijet Selbstzünder erwies sich bei ersten Probefahrten als den Aufgaben gewachsen, zügig nimmt der serienmäßig mit Sechsgang-Schaltgetriebe ausgestattete Kompakte Fahrt auf und auch der Federungskomfort ist tadellos. Weitere Dieselvarianten mit 120 und 130 PS werden das Angebot komplettieren.
Der Innenraum wirkt freundlich und wohnlich, die Materialien, Verkleidungen und Oberflächen fassen sich auch so angenehm an wie sie aussehen. Da der Platz für die Insassen reichlich bemessen ist, vor allem für die vorn Sitzenden herrscht ein angenehmes Raumgefühl, blieb wenig Raum für Tankvolumen. Nur wenn der 65-PS-Benziner seinen Normverbrauch von 6,1 Litern/100 km auch wirklich schafft, kann man die Reichweite als groß bezeichnen.
Wem das Wachstum des Grande Punto zu stattlich geraten ist, braucht übrigens nicht zu verzweifeln: Der kleine Bruder wird noch bis Ende 2006 in einer Version weiter gebaut, die auf Extras weitgehend verzichtet, dafür aber auch deutlich unter 10.000 Euro kostet. Dafür gibt es nun wirklich ein französisches Vorbild: Renault macht es mit dem neuen Clio genauso.
Quelle: ntv.de