Praxistest

Kult mit Fortsetzungs-Potenzial Jaguar F-Type soll für Leidenschaft sorgen

Der Jaguar F-Type kann für Alarm sorgen: Schon das Einstiegsmodell hat einen 340 PS starken V6-Motor.

Der Jaguar F-Type kann für Alarm sorgen: Schon das Einstiegsmodell hat einen 340 PS starken V6-Motor.

(Foto: Axel F. Busse)

Eine automobile Legende zum Vorgänger zu haben, ist oft mehr Bürde als Auszeichnung für ein neues Pkw-Modell. Der E-Type von Jaguar fasziniert noch mehr als 50 Jahre nach seinem Start den PS-affinen Teil der Bevölkerung. Dem F-Type soll das möglichst auch gelingen. Die Voraussetzungen dafür sind gut.

Das Verdeck öffnet und schließt elektrisch in rund 11 Sekunden.

Das Verdeck öffnet und schließt elektrisch in rund 11 Sekunden.

(Foto: Axel F. Busse)

Selten ist ein Jaguar so sehnsüchtig erwartet worden wie der F-Type. Und genau wie beim E-Type erscheint zuerst der Roadster auf der Bildfläche. Wann das Coupé folgt, ist ungewiss. Die offene Variante soll der Marke zurückgeben, was trotz aller Verkaufserfolge in den letzten Jahren ein bisschen fehlte: die Leidenschaft. Der Hersteller hat dazu drei Motorisierungen aufgelegt, zwei Sechs- und einen Achtzylinder. Das Wort "Einsteigermodell" kann allerdings für die gefahrene V6-Kompressor-Variante nur als Euphemismus verstanden werden - immerhin hat schon dieser Zweisitzer 340 PS.

Chefdesigner Ian Callum und sein Team standen vor der Herausforderung, den Mythos des alten Kult-Jaguars in eine zeitgemäße Form zu gießen, gleichzeitig den F-Type aber so markant und eigenständig zu machen, dass er selbst zum Kultobjekt werden kann. Daran, dass er diesen Status erreicht, ist kaum zu zweifeln, denn obwohl erst seit Frühjahr in der deutschen Zulassungsstatistik verzeichnet, hat er jetzt schon die Absatzzahlen der Modelle XK und XJ überflügelt.

Druck vom Kompressor

Die scharf gezeichnete Kante am Heckdeckel versteckt gekonnt den ausfahrbaren Spoiler, der sich bei Geschwindigkeiten von mehr als 100 km/h in den Wind stellt. Die flachen Rückleuchten und der optisch nach oben gezogene Überhang hinten vermitteln Charakter und Dynamik. Der längere Überhang vorn hält die Spannung aufrecht, die senkrechten Lufteinlässe bieten einen Kontrast zur rund angelegten Geometrie des Bugs. Wenngleich man sich beim Styling des Frontgrills mehr Eigenständigkeit und eine zuverlässige Abgrenzung von vergleichbaren Sportwagen italienischer Herkunft hätte wünschen können, bleibt der F-Type doch ein Hingucker. Sicher nicht zufällig sind die Werte von Länge und Höhe sehr nah am Porsche 911 Cabrio, doch fast 17 Zentimeter mehr Radstand lassen den Jaguar gestreckter erscheinen. Da die Türgriffe versenkt sind, stört kein Fremdkörper die harmonische Seitenlinie.

Aus der Sportabgas-Anlage entweicht ein kerniger Sound.

Aus der Sportabgas-Anlage entweicht ein kerniger Sound.

(Foto: Axel F. Busse)

Traditionell verzichtet Jaguar auf Turbo-Technologie und gibt einer Kompressoraufladung den Vorzug. Ihr Vorteil ist es, dass schon bei geringer Motordrehzahl Verbrennungsluft komprimiert und zur Leistungssteigerung eingesetzt werden kann. Maßnahmen gegen das so genannte Turbo-Loch,  das die Leistungslücke bei zu geringem Abgasstrom beschreibt, sind nicht erforderlich. Bei 450 Newtonmetern erreicht der Dreiliter-Motor sein Drehmoment-Maximum, womit er den 3,4 Liter großen Sauger des "Elfers" um satte 60 Newtonmeter übertrifft.

Auch wenn ein Jaguar kein Schoßkätzchen ist und gerne mal faucht, ein Imponiergehabe, wie beim Anlassen des F-Types, ist eigentlich unnötig. Da brüllt der Motor auf wie ein getretener Kater, als bestünde die Befürchtung, die schnittige Karosserie könnte nicht genug Aufmerksamkeit erregen. Und wer mittels Stopp-Start-Automatik demonstriert, dass ihm die Versöhnung von Sportlichkeit und Wirtschaftlichkeit am Herzen liegt, sollte auf einen solch überflüssigen Gasstoß ohnehin verzichten. Unterwegs gibt es noch genügend Gelegenheit, die Krawalltauglichkeit unter Beweis zu stellen, vor allem, wenn man für 1750 Euro extra die klappengesteuerte Sport-Abgasanlage installieren lässt, die auf Knopfdruck für richtig Alarm sorgen kann.

Ausfahrbare Lüftungsklappe

Wird der F-Type im Haushalt als Spaßmobil von mehreren Fahrerinnen oder Fahrern genutzt, könnten sich die Befestigungen der Sicherheitsgute als problematisch erweisen: Sie haben, insbesondere wenn der Sitz vor- oder zurückbewegt wird, die Eigenschaft, ihre Ruhestellung hinter der Rückenlehne zu suchen, was beim neuerlichen Anlegen zu einer fummeligen Suche des Gurtschlosses führen kann. Eine bewegliche Führungsschiene, wie sie andere Hersteller benutzen, könnte Abhilfe schaffen. Auf einen Einschub oder einen anderen festen Platz für den Zündschlüssel hat man gleich ganz verzichtet. Also Obacht, wer ihn wann in der Hosentasche hat.

Statt eines Drehstellers gibt es einen Ganghebel und Schaltwippen am Lenkrad.

Statt eines Drehstellers gibt es einen Ganghebel und Schaltwippen am Lenkrad.

(Foto: Axel F. Busse)

Das Cockpit ist traditionell gebaut und klar gegliedert. Die Hauptinstrumente sind in röhrenförmigen Gehäusen untergebracht und gut ablesbar. Wohl, weil eine ähnliche Technik im Jaguar XF den Insassen immer wieder Freude macht, hat auch der E-Type bewegliche Lüftungsklappen. Oberhalb des Navigationsmonitors fährt nach dem Motorstart eine Abdeckhaube circa fünf Zentimeter nach oben, um die Düsen freizugeben. Abweichend zu den Limousinen der Marke wurden Klima- und Sitzheizungs-Funktionen aus dem Touchscreen-Menü herausgenommen. Das ist sinnvoll und erleichtert die Bedienung. Die aus anderen Jaguar- und Land-Rover-Modellen bekannten Schwächen der Navi-Bedienung und Darstellung harren aber noch ihrer Abstellung.

Rechts neben dem Schalthebel, der den Vorzug gegenüber dem Drehsteller der Jaguar-Limousinen bekam, befindet sich die Kipptaste für das elektrische Stoffverdeck. Dass er entgegen der Logik (nämlich nach vorn zum Öffnen, nach hinten zum Schließen) bedient wird, hat man schnell gelernt, so dass der Freiluft-Fahrfreude nichts mehr im Weg steht. Nur 10,1 Sekunden vergingen beim Testwagen, um die Sonne hereinzulassen, 11,7 Sekunden, um sie auszusperren. Natürlich ist das Verdeck auch während der Fahrt beweglich, Jaguar gibt 50 km/h als Tempolimit für diese Funktion an. Den Waschstraßen-Test bestand das Verdeck tadellos, nur bleibt am Übergang zum Heckdeckel gern mal Wasser stehen, das entfernt werden sollte, um Stockflecken zu vermeiden. Dass in der Haube eine Menge Mechanik steckt, ist vor allem auf schlechtem Pflaster kaum zu überhören. Bei langsamer Fahrt über Kopfsteinpflaster, und davon gibt es in manchen Gegenden Deutschland leider noch recht viel, kann man es im Gebälk schon mal Knirschen und Knacken hören.

Geschmeidig und schnell: die Achtgang-Automatik

Das ist alles vergeben (und vergessen), wenn man erstmal ein paar Kilometer schön geschwungener Landstraße "oben ohne" genossen hat. Die Katze als treue Gefährtin der Insassen offenbart ihre besten Eigenschaften und passt sich ihrer Stimmungslage gefühlvoll an. Von sensibel und geschmeidig bis kraftvoll und bissig sind alle Schattierungen abrufbar, auf Wunsch auch mit kerniger Akustik, denn die Taste mit dem Auspuffsymbol hält, was sie verspricht. Eigentlich überflüssig, die Achtgang-Automatik im Sport-Modus zu bewegen, denn sie reagiert so schnell und anforderungsgerecht, dass sich ein unmittelbares und dynamisches Fahrerlebnis auch ohne Hochdrehzahl-Ausflüge im Nu einstellt. Die Lenkung bietet trotz des schweren V6 auf der Vorderachse genügend Direktheit und Rückmeldung, dass die Scheu vor allzu spontanen Richtungswechseln gar nicht erst aufkommt.

Obwohl der F-Type im Gegensatz zum Modell XK auf hintere Seitenscheiben verzichtet, ist die eindringende Zugluft kaum spürbar, die tiefe Sitzposition und die ausgeklügelte Aerodynamik erlauben entspanntes Offenfahren bis 140 km/h auch ohne lederne Sturmhaube. Zum Cruisen ist der F-Type nicht zu schade, im Landstraßentempo gleitet man mit Drehzahlen um 1500 dahin und hängt vielleicht spannenden Fragen nach, wie zum Beispiel: Warum taugen solch vergnügliche Autos so selten zu längeren Reisen? Nicht mehr als 196 Liter schluckt der Kofferraum, der sich 82 Zentimeter über dem Boden öffnet und 85 Zentimeter tief ist. Leider stehen diese Platzverhältnisse nicht im Einklang mit einer anderen positiven Eigenschaft des F-Types. Mehr als 400 Kilogramm Zuladung sind erlaubt, bei vielen anderen zweisitzigen Sportwagen ist es kaum mehr als die Hälfte davon.

Man kann sich auch fragen: Wozu braucht man in so einem Auto eigentlich 380 oder 495 PS? Das wären nämlich die beiden anderen Motorvarianten. Die bringen natürlich ein paar Zehntel auf der Rundstrecke, aber das "Einstiegsmodell" ist so stimmig und fahraktiv, dass keine Sehnsucht aufkommt. Die 40 PS im F-Type "S" kosten übrigens gleich mal 11.500 Euro mehr. Dieser Preisunterschied illustriert überzeugend, wie dicht Jaguar der Firma Porsche auf den Fersen ist: Beim 911 Cabrio beträgt die Differenz zwischen Basis- und S-Modell 295 Euro je Pferdestärke, beim Jaguar sind es schon 287.

Fazit: Der F-Type war nötig - gut, dass er da ist. Er bringt frischen Wind ins Jaguar-Modellprogramm, hat das Zeug zum Kultmobil und ist eine ernstzunehmende Alternative unter den schnellen und komfortablen Zweisitzern, von denen viele deutscher Herkunft sind. Mit mehr als elf Litern Testverbrauch fuhr das Auto zwar souverän am EU-Normwert vorbei, doch wenn ein Cabrio erst Spaß zu machen beginnt, ist es ein aussichtloses Unterfangen, Sparziele zu erfüllen. Sparen kann man ja stattdessen bei der Zylinderzahl. Der V8 klingt auch nicht besser als dieser V6.

DATENBLATTJaguar F-Type V6
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe)4,47 / 1,92 / 1,31 m
Radstand2,62 m
Leergewicht (DIN)1597 kg
Zuladung428 kg
Sitzplätze2
Kofferraumvolumen196  Liter
MotorV6-Zylinder-Ottomotor mit 2995 ccm Hubraum und Kompessoraufladung
Getriebe8-Gang Quickshift-Automatik
Leistung340 PS (250 kW) bei 6500 U/min
KraftstoffartSuper bleifrei
AntriebHeckantrieb
Höchstgeschwindigkeit260 km/h (abgeregelt)
max. Drehmoment450 Nm bei 3500 - 5000 U/min
Tankinhalt72 Liter
Beschleunigung 0-100 km/h5,3 Sek
Normverbrauch (außerorts/innerorts/Duchschnitt)12,6  l / 6,9 l / 9,0 l
Testverbrauch11,3 l
CO2-Emissionen
(Normverbrauch)
209 g/km
Grundpreis73.400 Euro
Preis des Testwagens90.390 Euro

Quelle: ntv.de

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