Das Zauberwort heißt Ecofuel Pfiffig Gas geben im Seat Mii
07.06.2013, 13:21 Uhr
Fünf Türen auf 3,56 Metern: Der Seat Mii ist ein kleiner Tausendsassa.
(Foto: Axel F. Busse)
Die Kleinen sind die Größten: Während in Europa der Absatz von großen Limousinen immer schwieriger wird, verzeichnen die Kleinwagenhersteller Zuwächse. Seat gehört seit 2012 zu den Gewinnern auf dem deutschen Markt. Ein ganz besonders sparsamer Kandidat, sozusagen der Benjamin der Marke, der Mii Ecofuel, ging durch den n-tv.de-Praxistest.
Mit dem Bordcomputer stimmt was nicht. Jetzt sind wir schon fast eine Stunde unterwegs, auf der Autobahn locker mitgehalten, und die rote LED-Anzeige behauptet "2,9 kg/100km". Kilogramm deshalb, weil gerade Erdgas verbrannt wird. Der Seat Mii Ecofuel kann beides, Benzin und Erdgas. Aber da muss doch ein Rechenfehler in der Verbrauchsanzeige vorliegen. Oder? Ein Kilo Erdgas kostet derzeit etwa 1,10 Euro. Das bedeutet, dass diese Fahrt knapp 3,20 Euro je hundert Kilometer kostet. Das geht selbst mit einem gut eingefahrenen Diesel nicht, der – mal angenommen – viereinhalb Liter je Normstrecke braucht. Bei einem Literpreis von 1,40 Euro wäre die Fahrt noch immer fast doppelt so teuer.
Doch der Computer des kleinen Seat hat richtig gerechnet. Offiziell sollen 2,9 kg/100 km sogar der Durchschnittsverbrauch nach EU-Norm sein, nicht nur die Momentaufnahme einer Überlandfahrt. Und der Mii ist eine Art dreifaches Lottchen. Er ist bis auf ein paar kosmetische Unterschiede identisch mit dem VW Up! und dem Skoda Citigo. Die jeweils auch mit einem Motor zu haben sind, der Benzin und Erdgas verbrennen kann. Der Sprittank ist eine Art Rettungsanker, denn das Netz der Erdgas-Tankstellen ist in den letzten Jahren hinter den Ausbau-Erwartungen zurück geblieben und längst nicht so dicht wie das der Benzin- und Diesel-Zapfsäulen. Nur etwas mehr als 900 Betankungspunkte für Erdgas gibt es derzeit in Deutschland.
Auch noch gut für die Umwelt
Insgesamt gibt der Hersteller die Reichweite des Seat Mii Ecofuel mit 600 Kilometern an, die sich aus 380 km Aktionsradius mit dem gasförmigen und 220 km mit dem flüssigen Kraftstoff errechnen. Zwar können dem mit gleichem Motor, aber 75 PS ausgestatteten reinen Benzinmodell angesichts eines 35 Liter-Tanks mehr als 800 km zugerechnet werden, aber eben nur theoretisch. Dass sich der Supersprit-Mii auf solch einem Dauerritt an den Normverbrauch von 4,2 Litern hält, ist eher unwahrscheinlich.
Ebenso wie in den benzinbetriebenen Mii-Modellen arbeitet in der Ecofuel-Ausführung ein Dreizylinder-Ottomotor mit 999 Kubikzentimetern Hubraum. Das kompakte Aggregat ist aus Aluminium gefertigt und liegt mit 68 PS leistungsmäßig etwa in der Mitte zwischen den ebenfalls angebotenen 60- und 75-PS-Maschinen der Benzin-Fraktion. Zwar ist der Motor leicht und drehfreudig Motor, kann aber nicht mehr als ein maximales Drehmoment von 90 Nm bei 3000 Umdrehungen mobilisieren und ist deshalb für Ampel-Duelle gänzlich ungeeignet. Sein CO2-Wert von nur 79 Gramm/km machen ihn aber unter Umweltgesichtspunkten zu einem Vorzeigemobil. Verglichen mit herkömmlichem Benzin entstehen bei der Verbrennung von Erdgas etwa ein Viertel weniger CO2 sowie erheblich weniger Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffe.
Um einen optimalen Betrieb mit Erdgas (CNG = Compressed Natural Gas) zu erreichen, wurde der Motor in einigen Bereichen modifiziert. Die von 10,5:1 auf 11,5:1 erhöhte Verdichtung verbessert die Effizienz der Verbrennung im CNG-Betrieb. Wegen der höheren Drücke und Brennraumtemperaturen verfügen die Zündkerzen über eine höhere Zündspannung. Die geringere Schmierfähigkeit gasförmiger Kraftstoffe wird kompensiert durch veränderte Ventile, spezielle Führungen und Sitzringe. Darüber hinaus modifiziert wurden die Nockenkontur und das Motorsteuergerät. Über die Lambdasonde erkennt das Motorsteuergerät auch die unterschiedlichen Gas-Qualitäten, wie sie insbesondere auf dem deutschen Markt zuweilen auftreten. Beim Betrieb mit Low-Gas, das aufgrund des geringeren Methananteils über einen niedrigeren Brennwert verfügt, wird die Einspritzzeit deshalb entsprechend angepasst. Nicht verbrannte Methan-Reste werden in einem Katalysator unschädlich gemacht.
In der Gesamtschau gilt: Damit der Kostenvorteil beim Kraftstoff sich auch wirklich in der Kasse niederschlägt, muss man den kleinen Dreizylinder eifrig fordern. Die doppelt ausgelegte Speicher- und Verbrennungstechnik bedeutet in der Anschaffung 1950 Euro Mehrkosten gegenüber dem konventionell angetriebenen Auto, wenn man das Modell mit 75 PS und Start/Stopp-Automatik in Anschlag bringt. Es ist also ähnlich wie beim Diesel – höherer Einstiegspreis, geringere Betriebskosten.
Zwei Stutzen hinter einer Klappe
Mindestens ebenso wichtig wie die wirtschaftlichen Faktoren sind für die Akzeptanz von Erdgasautos die Fragen der Nutzbarkeit. Eine Einschränkung von Funktionen aufgrund zusätzlich eingebauter Tanks würde die Kundschaft nicht hinnehmen. Deshalb sind die zusammen etwa 16,7 Kubikmeter CNG fassenden Druckbehälter unter der Rücksitzbank angebracht. Erdgasautos müssen die gleichen Anforderungen an die Crash-Sicherheit erfüllen wie herkömmlich angetriebene Fahrzeuge. Die Betankung ist unkompliziert, da der Anschluss für das Druckventil hinter der Tankklappe angebracht wurde, wo auch der Einfüllstutzen für das Benzin liegt. Klar als Fortschritt zu werten ist die Tatsache, dass in einem Instrument zwei getrennte Tankanzeigen vorhanden sind. Als die Hersteller anfingen, Erdgasautos auf den Markt zu bringen, war das nicht immer so.
Trotz dieses offenkundigen Vorteils kann der Mii seine Konzeption als Spar-Auto nicht verschleiern. Sie zeigt sich in dem Verzicht auf winzige Details, die aber in der Summe durchaus kostenrelevant sind. Hartplastikverkleidungen sind in keinem Auto schön, aber in dieser Preisregion wohl unvermeidlich. Zeitweise störend kann das Fehlen einer Taste an der Innenseite der Fahrertür für die Bedienung des Fensters auf der rechten Seite sein. Dank der schmal geschnittenen Kabine ist es aber kein Problem, mal eben rüber zu langen, wenn man nach einer Hausnummer fragen will. Bei der Hutablage wurde auf eine Zugschnur verzichtet, die sie beim Öffnen und Schließen der Heckklappe (Ladekante 74 cm) hebt und senkt. So kommt es, dass sie manchmal aufrecht stehen bleibt, und die Sicht durch den Rückspiegel beeinträchtigt. Dass die Längsverstellung der Lenksäule fehlt, daran hat man sich bei Kleinwagen dieses Kalibers gewöhnt. Es wäre für VW aber eine gute Chance gewesen, sich aus dem Wettbewerbsumfeld hervor zu heben.
Man sitzt gut, die Karosserie bietet eine gute Übersicht, und auch hinten gibt es erstaunlicher Weise genug Platz für ausgewachsene Passagiere. Ihre Scheiben können die hinten Sitzenden nur einen Spalt öffnen, denn es sind Ausstellfenster – auch ein Zugeständnis an die Kostenvorgabe. Sind alle Plätze belegt, bleibt natürlich nur wenig Platz für Gepäck, 213 Liter sind es genau. Sie lassen sich durch Umlegen der Rücksitze auf 913 Liter vergrößern. Dass sich hinter der Ladekante ein Abgrund von fast 30 Zentimetern auftut - denn so weit unten liegt der Ladeboden - ist nicht schön, aber der Konstruktion geschuldet. Ohne die hoch gezogene Heckstruktur wäre die nötige Karosseriesteifigkeit kaum hinzukriegen gewesen.
Kosten für Extras überschaubar
Die Ausstattung ist ordentlich. In der gefahrenen Version Reference sind Fahrersitz mit Höheneinstellung, Zentralverriegelung mit Funkfernbedienung, Start-Stopp-System mit Bremsrückgewinnung, elektrische Fensterheber vorn, geteilte Rücksitzbank, Einstiegshilfe ‘Easy Entry‘ inkl. Memory-Funktion und Servolenkung inklusive. Für lediglich 375 Euro gibt es das Seat Portable System, worin Navigation und Entertainment sowie ein Reisedaten-Computer enthalten sind. Das handliche Gerät wird kabellos auf einer Dockingstation auf dem Armaturenbrett montiert. Für weitere 350 Euro bekommt man noch den Tempomat, Multifunktionsanzeige und eine Einparkhilfe hinten (drei Sensoren) dazu. Dann ist das Auto eigentlich komplett.
Betulich schnurrt der Dreizylinder, nur wenn er einen Tritt bekommt (aufs Gaspedal versteht sich) faucht er ein wenig unwirsch. Der sechste Gang wird nicht vermisst, auch bei Autobahntempo ist das Geräuschniveau niedrig. Laut Datenblatt soll der Mii Ecofuel 164 km/h laufen, der Testwagen tat uns diesen Gefallen nicht. Selbst langer Anlauf konnte ihn nicht motivieren, mehr als 150 km/h (GPS-Messung) herzugeben, was bedeutet, dass ihn im Zweifelsfalle auch ein übermotivierter Sprinter-Fahrer von der linken Spur schubsen könnte.
Fazit: Manche mögen 400 PS oder brauchen belederte Lüfter-Lamellen zur Status-Verortung, wer günstig von A nach B will, dem reicht ein Mii Ecofuel. Das Auto ist stimmig, erfüllt viele Grundbedürfnisse bravourös und streichelt bei jedem Tankstellenbesuch das Portemonnaie. In der Ausstattungslinie Reference sind die wichtigsten Komfortmerkmale enthalten. Der Erdgas-Mii ist ein Auto für Vernunftmenschen. Sie könnten sich zwar auch einen Eco-Up! leisten, wollen aber gern als etwas pfiffiger gelten.
DATENBLATT | Seat Mii Ecofuel |
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) | 3,56/ 1,64/ 1,48 m |
Leergewicht (DIN) | 1031 kg |
Sitzplätze | 5 |
Ladevolumen | 213 Liter/ 913 Liter |
Emissionsklasse | EU 5 |
Motor/Hubraum | Dreizylinder Ottomotor mit 999 ccm Hubraum |
Getriebe | 5-Gang manuell |
Leistung | 68 PS (50 kW) bei 6000 U/min |
Kraftstoffart | Benzin/Erdgas |
Antrieb | Frontantrieb |
Tankinhalt (CNG / Benzin) | 11kg / 10 Liter |
Höchstgeschwindigkeit | 164 km/h |
max. Drehmoment | 90 Nm bei 3000 U/min |
Beschleunigung 0-100 km/h | 15,8 s |
Normverbrauch (innerorts/außerorts/kombiniert) | 5,5/ 3,8/ 4,4 Liter |
Testverbrauch | 4,0 kg CNG/ 100 km |
CO2-Emissionen (Normverbrauch) | 79 g/km |
Grundpreis | 13.035 Euro |
Preis des Testwagens | 17.765 Euro |
Quelle: ntv.de