Anfang 2015 hatte Sigmar Gabriel - damals noch als Bundeswirtschaftsminister - das System der Ausbeutung in der deutschen Fleischindustrie als "Schande für Deutschland" bezeichnet. Fünf Jahre später nimmt er einen Berater-Job bei dem Fleischkonzern Tönnies an und kassiert dafür 10.000 Euro im Monat sowie ein zusätzliches vierstelliges Honorar für jeden Reisetag. Ende Mai habe der ehemalige SPD-Chef dann die Tätigkeit wegen einer Erkrankung beendet. Im "Spiegel" verteidigte er seine Tätigkeit: "Ich kann an dem Beratungsverhältnis mit einem großen Arbeitgeber nichts Problematisches erkennen", sagte Gabriel. "Tönnies macht nichts Verbotenes." Und überhaupt würden seine privatwirtschaftlichen Tätigkeiten keiner Veröffentlichungspflicht unterlegen. "Für normale Menschen sind 10.000 Euro viel Geld. Aber in der Branche ist das kein besonders hoher Betrag. Ich bin kein Politiker mehr", so Gabriel. Im Stammwerk des Tönnies-Fleischkonzerns im westfälischen Kreis Gütersloh hatten sich im Juni weit mehr als 1000 Mitarbeiter mit dem Coronavirus infiziert. Deshalb gab es heftige Kritik an den Arbeitsbedingungen im Unternehmen.
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Politiker kritisieren Gabriel für seine Nebentätigkeit scharf.
- Aus seiner ehemaligen Partei kommt Kritik von Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans: "Für jeden aufrechten Sozialdemokraten ergibt sich dabei aus unseren Grundwerten, an wessen Seite man sich begibt und wo man besser Abstand hält".
- Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Stephan Weil nannte Gabriels Tönnies-Engagement "befremdlich und peinlich".
- Dem "Spiegel" sagte Gabriel, dass er die Reaktion der SPD-Parteichefs nicht ernst nehmen könne. "Beide gehören auch zu denen, die heute laut Kritik üben, sich damals aber keinen Deut um die Fleischindustrie gekümmert haben."
- Die Linken-Spitze kritisiert: "Das rundet das Gesamtbild von Sigmar Gabriel ab. Er hat keine Skrupel, als Sozialdemokrat für einen der größten Ausbeuter zu arbeiten", sagte der Parteivorsitzende Bernd Riexinger dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
- Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, nannte die Kombination von "Hungerlöhnen und fetten Honoraren bei Milliardär Tönnies unfassbar".
In diesem Jahr hatte bereits Gabriels Berufung in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank viel Kritik ausgelöst - wie so oft, wenn frühere Spitzenpolitiker in die Wirtschaft wechseln.
Auch die Twitter-Community hält sich mit Kritik nicht zurück: