Infografik

BA.2 und mehr ältere Covid-Fälle Das steht im RKI-Wochenbericht

Deutschland hat den "Scheitelpunkt der Omikron-Welle" überschritten. Der "Infektionsdruck", warnt das RKI, sei jedoch nach wie vor "sehr hoch". Wie stark breitet sich der Omikron-Subtyp BA.2 aus? Die wichtigsten Daten aus dem RKI-Wochenbericht.

Zwei Jahre nach Beginn des Coronavirus-Ausbruchs muss sich Deutschland mit der fünften und mit Abstand stärksten Infektionswelle auseinandersetzen. Die hochansteckende Virusvariante Omikron hat die Fallzahlen Anfang 2022 steil in die Höhe getrieben. In der siebten Kalenderwoche bis Sonntag, 20. Februar wurden erneut über eine Million Covid-19-Fälle erfasst, wie das Robert-Koch-Institut (RKI) im aktuellen RKI-Wochenbericht mitteilte. "Der Scheitelpunkt scheint aber überschritten."

Ist das Schlimmste bereits überstanden? Die Belastungen im deutschen Gesundheitssystem sind weiter unverändert hoch, fasste das RKI die Lage zusammen. Das Fallaufkommen steigt demnach in den höheren Altersgruppen weiter an. Das RKI registriert eine zunehmende Anzahl an Ausbrüchen in Alten- und Pflegeheimen sowie in medizinischen Behandlungseinrichtungen.  Anlass zur Entwarnung sieht das Institut bisher nicht. Es herrsche weiterhin "ein sehr hoher Infektionsdruck in der Bevölkerung".

Hinweis: Die Angaben beziehen sich auf den RKI-Wochenbericht vom 24. Februar 2022

Die Zahl der Covid-Neuaufnahmen in den Krankenhäusern zieht weiter an, wie die Daten zur Lage in den Kliniken zeigen. Bundesweit wurden in der zurückliegenden Woche zwar insgesamt rund zehn Prozent weniger neue Infektionsfälle gemeldet als in der Woche davor.

In Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Thüringen jedoch scheint sich die Pandemie-Lage insgesamt zu verschärfen. Wie stellt sich die Lage an der Laborfront dar? Welche Virusvariante beherrscht aktuell das deutsche Infektionsgeschehen? Im jeweils Donnerstag erscheinenden Wochenbericht veröffentlicht das RKI eine ganze Reihe verschiedener Datensätze.

Das Coronavirus mutiert ständig: Mit der hohen Zahl an Infektionen weltweit steigt die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten weiterer Erregertypen mit möglicherweise veränderten Eigenschaften. Das RKI überwacht das Infektionsgeschehen daher auch hinsichtlich der Ausbreitung neuer Coronavirus-Mutanten. In Deutschland stehen derzeit fünf Virusvarianten unter gesonderter Beobachtung: Alpha, Beta, Gamma, Delta und Omikron. Dazu kommen verschiedene Subtypen, aktuell insbesondere die Omikron-Variante BA.2.

Benannt werden Die Coronavirus-Varianten auf Vorschlag der Weltgesundheitsorganisation WHO anhand eigens vergebener Buchstaben aus dem altgriechischen Alphabet. Die hochansteckende Virusvariante Omikron wurde erst im November 2021 in Südafrika entdeckt. Binnen weniger Wochen konnte Omikron sich auch in Deutschland ausbreiten. Seit Ende Januar 2022 ist sie auch hierzulande der vorherrschende Erreger.

Das RKI veröffentlicht zur Ausbreitung Besorgnis erregender Coronavirus-Varianten (Variants of Concern, VOC) zwei unterschiedliche Datensätze: einerseits die aufgrund der Meldung laut Infektionsschutzgesetz aus den Bundesländern übermittelten Angaben zur Anzahl der gemeldeten Laborhinweise und andererseits die auf Basis einer Zufallsstichprobe gewonnenen Erkenntnisse zur VOC-Ausbreitung auf Basis einer vollständigen Genomsequenzierung.

Die reine Anzahl der mittels variantenspezifischer PCR ermittelten Laborhinweise liefert eine grobe Orientierung. Da hier aber meist gezielt und anlassbezogen nach bestimmten Virusvarianten gesucht wird, erscheint der prozentuale Anteil hier oft höher. Belastbare Aussagen zur tatsächlichen Verbreitung eines Erregertyps lassen sich dagegen nur anhand der Sequenzierung gewinnen. Zusätzlicher Vorteil: Nur in diesem aufwändigeren Laborverfahren lassen sich weitere Veränderungen im Virusbauplan wie etwa neue Subtypen sowie vollkommen neu auftretende Mutationen erkennen.

Die RKI-Auswertung der Sequenzierungsdaten belegt, dass Omikron bereits Mitte Januar auch in Deutschland alle übrigen Virusvarianten verdrängt hatte. Der Anteil der Omikron-Fälle stieg in der repräsentativen Stichprobe zuletzt auf 99,1 Prozent (hier: inklusive aller Omikron-Subtypen). Damit ist Omikron nachweislich die vorherrschende Corona-Variante in Deutschland. Die zuvor dominierende Mutante Delta wurde - wie erwartet - binnen weniger Wochen abgelöst. Der Delta-Anteil wird im aktuellen Wochenbericht mit nur noch 0,3 Prozent angegeben (Vorwoche: 0,8 Prozent).

Da die Genomsequenzierung mehrere Tage in Anspruch nimmt, sind belastbare Aussagen zur Ausbreitung neuer Varianten jeweils nur für die vorvergangene Woche möglich. Die aktuellen Labordaten reichen daher nur bis Ende der sechsten Kalenderwoche (KW 06), also bis zum Sonntag, 13. Februar 2022. Die Daten für die vergangene Woche (KW 07) sind erst mit dem nächsten Wochenbericht am kommenden Donnerstag, 3. März zu erwarten.

Mit Blick auf die Omikron-Vorherrschaft im aktuellen deutschen Infektionsgeschehen geht das RKI davon aus, dass die gezielte Suche nach Omikron-Ansteckungen an Bedeutung verloren hat. Auf die variantenspezifischen PCR-Tests könne zunehmend verzichtet werden, da ihr "Zusatznutzen", wie es im RKI-Wochenbericht heißt, angesichts der sehr starken Verbreitung der Omikron-Variante "eingeschränkt" sei. Die tägliche Veröffentlichung eines eigenen Omikron-Berichts stellte das RKI bereits Ende Januar ein.

Die Omikron-Variante wurde von der WHO am 26. November als "besorgniserregend" eingestuft. In Südafrika wurden die ersten Fälle erst wenige Wochen zuvor, am 9. November, entdeckt. Noch im Dezember stand das Infektionsgeschehen in Deutschland überwiegend unter dem Einfluss der Delta-Variante. Zum Jahreswechsel zeichnete sich aber bereits ab, dass sie schrittweise durch die neue Omikron-Variante verdrängt wird.

Die Entwicklung ist nach Ansicht vieler Experten keine große Überraschung: Mit Blick auf die verbliebenen Impflücken in den Industriestaaten und den riesigen Impfdefiziten in Schwellen- und Entwicklungsländern schien es nur eine Frage der Zeit, bis weitere "besorgniserregende Coronavirus-Varianten" (VOC) auf dem Radar auftauchen. Es gibt keine Garantie, dass nach Delta und Omikron nicht noch weitere Virusvarianten mit vielleicht veränderten Eigenschaften auftreten.

"Von schweren Krankheitsverläufen weiterhin am stärksten betroffen sind ungeimpfte Menschen in höheren Altersgruppen und Menschen mit vorbestehenden Erkrankungen", heißt es beim RKI. Von den massenhaften Infektionen der Delta- und Omikron-Welle waren zunächst vor allem jüngere Bevölkerungsschichten betroffen, darunter viele Kinder und Jugendliche. Das Virus dringt jedoch Wochen nach Beginn der Ansteckungswelle zunehmend auch in die besonders gefährdeten höheren Altersgruppen vor.

Die jüngeren Altersgruppen scheinen den Höhepunkt der Omikron-Welle tatsächlich bereits hinter sich zu haben. Die Kinderinzidenz und auch das Fallaufkommen unter jungen Erwachsenen gehen in den RKI-Daten deutlich zurück. Bei den Älteren jedoch läuft das Ausbruchsgeschehen unvermindert weiter. Das bedeutet auch, dass in den kommenden Tagen wohl mit mehr schwereren Covid-Fällen gerechnet werden muss.

Für Kinder und Jugendliche gilt Covid-19 als akut weniger gefährlich. Ganz ohne Risiko ist eine Infektion jedoch nicht. RKI-Chef Lothar Wieler warnte mehrfach davor, die Gefahr zu unterschätzen. Auch wenn es bei infizierten Kindern meist weniger schwere Krankheitsverläufe gebe, zeigten Studien, dass auch hier sogenannte Long-Covid-Symptome auftreten könnten. Dazu gehörten Atem-, Konzentrations- und Erschöpfungsprobleme, sagte Wieler.

Das Virus breitete sich im Laufe der Pandemie in verschiedenen Altersgruppen oft recht unterschiedlich stark aus: Zu Beginn der Infektionswellen zirkulierte es meist verstärkt unter Jüngeren und bahnte sich dann seinen Weg auch in betagtere Bevölkerungsschichten.

In den RKI-Daten zeichneten sich im Verlauf der Pandemie unterschiedliche Trends bei der Altersstruktur der Infizierten und schwer Erkrankten ab: Ein sinkender Altersmedian deutet dabei auf eine höhere Zahl an jüngeren Infizierten hin, wie sie typisch für Frühphasen beginnender Ansteckungswellen ist.

Ein steigender Altersmedian dagegen war bisher meist mit einer steigenden Zahl an Todesfällen verbunden. Der Median teilt die Fälle ja nur in zwei gleich große Hälften. Das heißt: 50 Prozent der Fälle sind jünger als das im Median angegebene Alter, 50 Prozent sind älter.

Diese Wellenbewegungen lassen sich auch am Altersdurchschnitt der Infizierten, Hospitalisierten, Intensivpatienten und Verstorbenen ablesen. Die Schwankungen hier sind auch durch die variable Grundgesamtheit bedingt (nicht nur die alterstechnische Zusammensetzung der Infizierten schwankt, sondern auch ihre Gesamtsumme).

Besonders die zweite Ansteckungswelle traf Deutschland schwer: Um Weihnachten 2020 herum kam es vermehrt zu Infektionen und Krankenhausaufenthalten immer älterer Menschen. Auf dem Höhepunkt war zwischenzeitlich die Hälfte aller Covid-Patienten auf den Intensivstationen älter als 77 Jahre. Entsprechend düster entwickelten sich wenige Tage und Wochen später die Totenzahlen.

Deutschland am Test-Limit?

Die außergewöhnlich hohen Fallzahlen der laufenden Omikron-Welle spiegeln sich in voller Breite in den Labordaten wider, "wobei sich die Situation bei den Testkapazitäten weiter entspannt hat", wie das RKI schreibt. Mit der immer noch eingeschränkten Verfügbarkeit von PCR-Tests geht aber weiter die Gefahr massiver Untererfassung einher.

Die Folge: Die Dunkelziffer unerkannter Infektionsfälle bleibt hoch, der Blick auf das Infektionsgeschehen wird unscharf. Laut dem aktuellen Wochenbericht vom 24. Februar wurde der Erreger Sars-CoV-2 in der zurückliegenden Woche (vom 14. bis zum 20. Februar 2022) weiterhin in fast der Hälfte aller Abstriche nachgewiesen. Die Positivenquote stieg zuletzt weiter an von 44,1 auf aktuell rund 45,7 Prozent.

Die Zahl der analysierten PCR-Tests brach in der Woche bis zum 20. Februar von gut 2,489 Millionen auf rund 2,144 Millionen Proben ein. Davon waren jedoch kna 979.000 Befunde positiv (Vorwoche: 1,098 Millionen), sie bestätigten also den Verdacht einer vorliegenden Coronavirus-Infektion.

Die dramatisch hohe Trefferquote gilt unter Epidemiologen als klarer Beleg dafür, dass in Deutschland viel zu wenig getestet wird. Die Priorisierung der PCR-Tests stellt eine Notfallmaßnahme dar, mit der die Pandemie-Politik auf die Engpässe der Laborkapazitäten reagiert.

Zugleich wird mit der Einführung der PCR-Priorisierung zwangsläufig der Versuch aufgegeben, die Ausbreitung des Erregers möglichst lückenlos zu erfassen. Die Grundlagen für eine effektive Kontaktnachverfolgung fallen weg. Kurz: Deutschland lässt sich von der Omikron-Welle überrollen.

In vielen Regionen überstieg die Nachfrage nach PCR-Tests zeitweise das verfügbare Angebot. Die Labore, die seit zwei Jahren im Ausnahmezustand arbeiten, hatten ihre Kapazitätsgrenzen erreicht. Auch in vielen Gesundheitsämtern laufen derzeit mehr Fallmeldungen ein, als an einem Tag bearbeitet werden können. Mit den bundesweit sinkenden Fallzahlen zeichnet sich hier eine gewisse Entspannung ab.

Dazu kamen im Januar zeitweise Probleme mit der vom RKI empfohlenen Bearbeitungs-Software zur Fallerfassung. Das führt zu einem größeren Rückstau und zahlreichen Nachmeldungen, was wiederum starke Schwankungen bei der Sieben-Tage-Inzidenz auslöste. Auch diese Probleme dürften mit den insgesamt zurückgehenden Fallzahlen in den Griff zu bekommen sein. Überstanden ist die Ansteckungswelle damit aber noch lange nicht.

Unabhängig davon ist davon auszugehen, dass unter Omikron-Bedingungen mehr und mehr Infizierte, die womöglich kaum oder gar keine Symptome verspüren, unter dem Radar des Test- und Meldesystems bleiben. Die Betroffenen können dem Erreger so - womöglich ohne es zu ahnen - eine weitere Ausbreitung ermöglichen.

Die weitere Ausbreitung des Subtyps BA.2 könnte Deutschland bald vor neue Herausforderungen stellen: . "Aufgrund der leichteren Übertragbarkeit" könne eine "deutlich langsamere Abnahme oder erneute Zunahme der Fallzahlen nicht ausgeschlossen werden", schreibt das RKI im Wochenbericht vom 24. Februar. Ein "wichtiger Faktor für den weiteren Verlauf" sieht das Institut in der Frage, "wie stark infektionsrelevante Kontakte im Rahmen der geplanten Lockerungen zunehmen".

Quelle: ntv.de, lwe/mmo

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