Euterwarme Kuhmilch oder "Cuba Libre" Bauern und Frauen mit großen Gefühlen
23.11.2010, 10:29 Uhr
Eine hartgesottene Journalistin heult höchstens, wenn die Betriebslaufzeiten von AKWs verlängert werden, Air Berlin einen Streik für den nächsten Morgen ankündigt oder das eigene Kind beim Kindergarten-Fest einen Pilz spielt. Oder wenn sie "Bauer sucht Frau" sehen muss.
Zum ersten Mal gucke ich mir heute "Bauer sucht Frau" an. Natürlich kenne ich die Sendung vom Hörensagen, und ich tu' jetzt mal nicht so, als ob ich sonst nur Arte und ausgesuchte Dokus verfolgen würde, mitnichten: Ich bin eine Freundin des gepflegten Trash-TVs. Aber was zu weit geht, geht zu weit, dachte ich, und deswegen sah ich bisher auch nicht dabei zu, wie charmante Schweinebauern, hagere Hühnerwirte oder quirlige Kubanerinnen ihre Balztänze in der freien Natur oder bei scharfen Scheunenfesten aufführten, sondern juchzte ab und an lediglich pseudo-entrüstet auf, wenn die kichernden Kollegen sich die schönsten Szenen am nächsten Morgen nacherzählten - und das geht los mit Zitaten wie von Rosi: "Ich fahre nur ungern, aber ich komme wieder!" Und Willy: "Ja, denn wer nicht fährt, kann auch nicht zurück kommen", bis hin zu nachgestellten Szenen, auf die ich jetzt mal lieber nicht weiter eingehe.
Meine Grundausbildung in Sachen "Landwirt-TV" besorgte bei der letzten Staffel freundlicherweise Stefan Raab, der ein "Best of 'Bauer sucht Frau'" in seiner Show bot und mich somit auch zu einem Fan von Narumol und Josef machte, die nach ihrer Hochzeit derzeit wohl in echt an einem kleinen Bauern oder einer kleinen Frau arbeiten.
Keine Chance für die Liebe?
Ja, überhaupt scheinen sich die Frauen, die von weit her kommen, um sich einen feschen Knaben aus der Agrarszene zu angeln, allergrößter Beliebtheit zu erfreuen: Erst die naive Narumol aus Thailand und jetzt Janet, die Kuschelige aus Kuba, süß und gefährlich wie ein "Havana Highball". Die Damen aus unseren deutschen Landen dagegen haben fast alle gegen ihre Pfunde und oft auch gegen sich selbst zu kämpfen, während die Ladys aus Übersee mit niedlichen Sprachfehlern und natürlichen Bikini-Szenen im Dorfanger von sich Reden machen. Eine Barbara, die von ihrem Gerhard in der Lausitz auf die Lieblichkeiten der Umgebung aufmerksam gemacht wird, reagiert dagegen mit einem muffeligen: "Jetzt können wir aber auch wieder gehen!" nach nur zehn Minuten auf der Aussichtsplattform und einem Anschiss, der sich gewaschen hat: Seine Fingernägel sind zu dreckig, und deswegen mag die unberührbare Babs auch nicht von ihm "angelangt" werden, auf Körperlichkeiten steht sie eh nicht so.
Erschütternd, und das meine ich ehrlich, dann aber die Abschiedszene der beiden, bei denen der Funke einfach nicht überspringen wollte, am Bahnhof: Beide weinen, aber wohl nicht so sehr um den anderen, sondern darum, dass diese Chance vertan wurde, und die Suche nach dem Traumbauern oder der Traumfrau nun wieder von vorne losgehen muss. Denn eines ist klar: Seinen Lebensabend (ein Wort, das in der Sender relevanten Zielgruppe eigentlich noch keine Rolle spielen dürfte), will hier keiner allein verbringen, vor allem dann nicht, wenn man sich nun schon eine Woche vor den Kameras zum Löffel gemacht hat. Aber der Sigrun, der der gesellige Gerhard auf dem letzten Scheunenfest noch so schnöde einen Korb verpasst hat, kann so ein knackiger Hühnerkenner einfach einen Brief schreiben und sie noch mal einladen. Und siehe da: Die Vorschau am Schluss der Sendung lässt vermuten, dass da etwas Warmherzigeres ankommen wird als die bärbeißige Barbara.
Eine Mauer bröckelt
In der Werbepause dann fragt Narumol: "Woraus wird Käse gemackt? A: Milch, B: Mehl?", die Antwort ist immerhin 3.000 Euro wert, und weiter geht's mit Harald und Janet: Sie tollen im Wasser, er ist hin und weg, sie findet ihn süß und ich merke, wie eine Mauer langsam in mir bröckelt, fast neidisch sitze ich nun vor der Glotze, denn er schwärmt mit jedem Wort von ihr ("Sie ist meine Traumfrau"), und sie sieht ihn an, als gäbe es auf Kuba keine Männer mehr außer Fidel. Am Schluss schenkt er ihr ein Kälbchen und ein Foto von dem Kälbchen und sich, und sie sagt mit feuchten Augen, dass er ihr kein besseres Geschenk hätte machen können. Eine Träne kullert meine Wange hinunter. MIR hat noch NIE einer ein KÄLBCHEN geschenkt, ich kann von Glück reden, wenn mich mal einer auf einen Kalbsbraten einlädt (meine Mutter), oder mir ein Foto schenkt, von dem er sagt, dass es besonders WITZIG ist, nix da mit Traumfrau! Ich fange an, auf den Teletextseiten von RTL nach den Bewerbungsunterlagen zu suchen.
Doch da switche ich auch schon wieder auf den Bildschirm zurück, denn nun wird der sensible Bio-Bauer Johannes aus dem Odenwald mit dem 400 Jahre alten Hof angekündigt, und ich denke: "Hey, ein sensibler Bio-Bauer, das ist doch die Zukunft!". Der Typ sieht noch ganz lässig aus, die Zähne sind okay, der Zopf ist frisch gewaschen, da kommt auch schon die lustige Lageristin Anja, 28, und schwingt sich zu ihm auf die Kutsche. Im Hintergrund die traumhafte Musik von "Drei Nüsse für Aschenbrödel", und ich denke, man, ist ja auch bald Weihnachten. Aber im Odenwald da strahlt noch die Sommersonne, und der Johannes, der gerne lustige Sätze sagt und sich dann selbst tierisch darüber amüsiert, fängt nun in der Küche an, ein Festmahl für seine Auserwählte zu brutzeln, Würstchen mit Sauerkraut und Kartoffelpürree. Man hofft, dass die beiden, die bereits Händchen halten, diese erste Nacht noch in getrennten Betten verbringen werden, denn Anja, die ganz schön reinhaut, wird in dieser Nacht sicher das eine oder andere Mal mehr raus müssen. Dem Johannes gefällt es aber, dass die Blondine so einen gesegneten Appetit hat, und Anja ist hin und futsch von ihrem kochenden, wiehernden Pferdeflüsterer, der nun auch noch anfängt zu singen.
"Gell, du vergisst mich nicht!"
Bevor es kritisch bei der Beobachtung einzelner Exemplare dieser Paarungs-Doku wird, ist RTL so schlau, dem Zuschauer das komplette Fremdschämen zu ersparen und zu einem anderen Gehöft zu schalten, z.B. dem vom talentierten Mister Willy, seines Zeichens Ackerbauer und bis über beide Ohren verknallt in die robuste Rosi, die hart, aber herzlich ist und in dieser Folge mehrfach und gut sichtbar von ihren Gefühlen übermannt wird. Bei den beiden geht ganz viel über das Essen, und daher ist es nicht verwunderlich, dass Willy seiner Angebeteten dieses Mal ein Picknick bereitet, das sie so schnell nicht vergessen wird. Dort kommt es nun auch zum fast Äußersten. Doch bevor es soweit ist, muss auch die Rosi nach einem stärkenden Schluck noch euterwarmer Milch das Städtele verlassen.
"Gell, Willy, du vergisst mich nicht!", sagt sie in fast Scarlett O’Hara’scher Manier, und ich muss schniefen, denn auch hier wirken die Gefühle so gefühlsecht, dass ich mich nicht wundern würde, wenn die Rosi nächstes Jahr in Potsdam einen Bambi überreicht bekommen würde. Oder ein Kälbchen!
Quelle: ntv.de