Unterhaltung

Koks, Sex und tote Chinesen CSI: Münster

Hat dem netten Kulturattaché von Beginn an misstraut: Nadeshda Krusenstern

Hat dem netten Kulturattaché von Beginn an misstraut: Nadeshda Krusenstern

(Foto: WDR/Thomas Kost)

Zu viel Klamauk! Zu wenig Krimi! Die Macher des Münsteraner "Tatorts" nehmen sich die Kritik zu Herzen und gehen in "Die chinesische Prinzessin" neue Wege. Ob neben Professor Boerne auch die Qualität darunter leidet?

"Chinesische Mafia und Geheimdienste in Münster … was denn noch? FBI, CDU, GEZ?" Kommissar Thiel (Axel Prahl) ist völlig runter mit den Nerven: Als ob es nicht schon reichen würde, dass Professor Boerne (Jan Josef Liefers) zugekokst bis unter die Hutkrempe eine chinesische Prinzessin auf dem Gewissen haben soll und er nun die Scherben aufsammeln muss. Nein, die einzige greifbare Zeugin, bis dato schweigsam wie ein Grab, macht auf einmal das ganz große politische Fass auf: Der chinesische Geheimdienst, die Triaden, politische verfolgte Uiguren, korrupte Kuratoren – plötzlich tummeln sich alle im beschaulichen Münster und machen dem Kommissar das Leben schwer. Und dann ist da noch die Sache mit seiner Assistentin Nadeshda (Friederike Kempter), die den mordsmäßig verkaterten Thiel am meisten umtreibt: Hat er oder hat er nicht?

Nimmt kein gutes Ende: die Liaison zwischen Songma und Boerne

Nimmt kein gutes Ende: die Liaison zwischen Songma und Boerne

(Foto: WDR/Willi Weber)

Die Einleitung verrät es bereits: Im neuen Münster-"Tatort" durfte sich der Drehbuchautor (Orkun Ertener) mal wieder so richtig austoben - auch wenn die Verantwor tlichen aus den durchwachsenen Kritiken der beiden Klamauk-Vorgänger gelernt haben. Nach "Das Wunder von Wolbeck" (liebenswerte Ziegen und ein kotbesudelter Boerne) und "Summ, summ, summ" (freilaufende Schlagerstars und Bananenspinnen) versucht Regisseur Lars Jessen diesmal, den Spagat zwischen Krimi und Komödie wiederzufinden – was den Ermittlungen rund um die ermordete Künstlerin Songma (Huichi Chiu) spürbar gut tut.

Im Namensdickicht der "Pappchinesen"

Gleich zu Beginn lässt sich Boerne von der Femme fatale becircen, zeigt der namensgebenden chinesischen Prinzessin die Pathologie (quasi die Briefmarkensammlung der Rechtsmediziner) und wird am nächsten Morgen neben ihrer Leiche gefunden – ohne sich an etwas erinnern zu können. Die retrograde Amnesie und ein Haftbefehl nehmen den sonst so eloquenten und flamboyanten Professor vorerst aus dem Spiel. Ein cleverer Kniff, nachdem in den letzten Episoden das Binnenverhältnis zwischen Boerne und Thiel noch stärker in den Vordergrund gerückt und die Fälle zu bloßem Beifang verkommen waren.

Nadeshda und Thiel funktionieren auch als Zweiergespann tadellos.

Nadeshda und Thiel funktionieren auch als Zweiergespann tadellos.

(Foto: WDR/Willi Weber)

Vor allem eine profitiert ungemein von Boernes Totalausfall: Die ewige Kommissaranwärterin Nadeshda Krusenstern, großartig ges pielt von Friederike Kempter, darf endlich mal zeigen, was sie draufhat. Während sich der raunzige Thiel noch im Namensdickicht der "Pappchinesen" verheddert, hat Nadeshda längst rausgefunden, dass die wichtigste Zeugin schwanger, der schmierige Museumskurator Dr. Martin (Tonia Arango) korrupt und die chinesische Mafia involviert ist.

Noch schöner wird es nur, wenn die junge Polizistin und ihr Chef das Dienstliche hinter sich lassen: "Sie sind ein wahrer Gentleman", gurrt Krusenstern auf der Wache. Und obwohl objektiv gesehen nichts passiert, ist es dieser ganz eigene Sexappeal, den sie wie in "Oh Boy" (wer sie da nicht als Julika Schwulika gesehen hat, sollte das dringend nachholen) mit einem schwer fassbaren Hauch von Wahnsinn vermengt – und bei dem man durchaus verstehen kann, warum der gute Kommissar anschließend nur noch ein hilfloses "Ach, wirklich?" herausbringt.

Der Fall selbst ist mal wieder die Achillesferse

Trotz des tadellos funktionierenden neuen Zweiergespanns ist Kollege Boerne natürlich nicht komplett abgeschrieben. In der zweiten Hälfte der Episode beweist ausgerechnet seine kleinwüchsige Kollegin Silker Haller (Christine Urspruch) die Unschuld des Rechtsmediziners – und der vom spitzfindigen Saulus zum kleinlauten Paulus mutierte Professor verzichtet nicht nur auf die obligatorische "Alberich"-Anrede, sondern lässt sich von seinen Gefühlen übermannt sogar zu einer Umarmung hinreißen. Gut möglich, dass einige Zuschauer mit Boernes ungewohnter Rolle zunächst etwas fremdeln – doch spätestens wenn der Professor zum Ende hin langsam wieder Oberwasser bekommt, sollten auch eingefleischte Münster-"Tatort"-Fans auf ihre Kosten kommen.

Apropos Ende: Die Spannung, die anfangs zum einen aus der ungewohnten Ermittlerkombi und zum anderen aus dem relativ unverbrauchten Thema erwächst, hält "Die chinesische Prinzessin" leider nicht bis zur letzten Minute durch. Nach den ersten plotbedingten Enthüllungen wird relativ schnell klar, wo die Reise hingeht. Wie so oft ist in Münster der Fall selbst die Achillesferse – daran ändert auch der absurd in die Länge gezogene Showdown nichts. Songma trifft den Nagel dann doch nur teilweise auf den Kopf, als sie Boerne fragt, was er denn so macht.

Er: "Ich bin Rechtsmediziner."

Sie: "Ah, CSI?"

Er: "Naja, ein bisschen."

Und das ist vielleicht auch ganz gut so.

Quelle: ntv.de

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