Unterhaltung

Edgar Allan Poe Der Gruselautor wird 200

Für das Fernsehpublikum ist es beim sonntäglichen "Tatort" selbstverständlich: Ein ungleiches Ermittler-Paar löst mit einer Mischung aus Logik und Instinkt abgründige Mordfälle. Dieses auf Spannung angelegte Handlungsschema ist Grundlage für fast jede Detektivgeschichte. Aus Sicht eines der Ermittler raten Zuschauer und Leser mit - und sollen am Ende doch überrascht werden. Erfunden wurde dieses Prinzip von dem Amerikaner Edgar Allan Poe, der vor 200 Jahren am 19. Januar 1809 in Boston geboren wurde. Das Leben des Krimi- Begründers war trostlos und von Misserfolgen geprägt - sein literarischer Weltruhm aber währt bis heute.

Poe sei der wirkungsmächtigste amerikanische Klassiker und der meistgelesene US-Erzähler des 19. Jahrhunderts, urteilt der Berliner Anglistikprofessor Hans-Dieter Gelfert in seiner unlängst erschienen Biografie "Edgar Allan Poe" (Verlag C.H.Beck). Die Liste von Poes literarischen Meriten ist lang und erstreckt sich über völlig verschiedene Felder: Er legte nicht nur den Grundstein für die Kriminalliteratur, in der Detektive ermitteln, sondern läutete auch die Erzählform "Short Story" ein. Mit seinen Ideen von Mondfahrten und einer menschenleeren Welt gilt er als Vorreiter des Science- Fiction und der Fantastischen Literatur. Und seine derben satirischen "Hoaxes" - Ulk-Geschichten - scheinen wie für die britischen Monty- Python-Komiker gemacht.

Ein Mord, kein Mörder noch Motiv


Edgar Allan Poes Meisterdetektiv und Vorgänger von Sherlock Holmes heißt Auguste Dupin. Er geht mit analytischem Blick schier unlösbaren Kriminalfällen auf den Grund, begleitet von einem Gehilfen, der ebenso wie der Leser der Aufklärung bedarf. 1841 erschien in einer Zeitschrift in Philadelphia "Die Morde in der Rue Morgue", die erste Detektivgeschichte der Welt. Darin waren zwei Frauen in ihrer Wohnung von einem Täter mit schier übermenschlichen Kräften grausam ermordet worden. Die Zeugenaussagen stimmen nicht überein, es gibt weder einen Fluchtweg für den Mörder noch ein Motiv. Der Protagonist Dupin löst das Rätsel: Ein entflohener Orang-Utan, der den hoch gelegenen Tatort kletternd erreichte, richtete das Massaker in Rage an.

Die Erzählung fand reißenden Absatz. Poe, der in seinem Leben immer wieder materielle Not durchlitt, schrieb noch weitere Erzählungen mit Dupin oder anderen Detektiven.

Intellektuelle Spiele

Psychologische Tiefe seiner Figuren war für den Autor zweitrangig. Das intellektuelle Spiel stand für ihn im Vordergrund. Das macht seine Texte aus Sicht des heutigen, Krimi-erfahrenen Publikums etwas altbacken und arg konstruiert. Damals jedoch waren sie etwas gänzlich Neues und Bahnbrechendes. In seiner zweiten Dupin-Geschichte, "Das Geheimnis um Marie Rogt" (1842), erstellt der Meisterdetektiv ein Täterprofil. Das sogenannte Profiling ist auch heute noch wesentlicher Bestandteil von Krimiserien.

Der zeitlebens verkannte Dichter starb 1849 unter mysteriösen Umständen. Vermutungen zufolge soff er sich zu Tode. Es gehört zur Tragik seines Lebens, dass der geniale Schriftsteller von seinem Werk die Krimis am wenigsten schätzte. Besonders seine Lyrik, hoffte er, würde der Nachwelt erhalten bleiben. Doch seine Gedichte sind, mit Ausnahme seines berühmten "Raben", wenig beachtet. In jedem Krimi hingegen liegt ein Hauch Edgar Allan Poe, wenn ein Ermittler dem Mörder mit kühlem Kopf das Handwerk legt.

Wolf von Dewitz, dpa

Quelle: ntv.de

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