Unterhaltung

Einer für alle und alles auf null Ein Lob für den ESC

"Unser Star für Baku": Roman Lob.

"Unser Star für Baku": Roman Lob.

(Foto: picture alliance / dpa)

Wie heißt es so schön: Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Es heißt aber auch: No jokes with names. Sagen wir es also schlicht: Deutschlands Vertreter beim Eurovision Song Contest heißt Roman Lob. Das war zu erwarten. So wie es das Ergebnis in Baku ist.

Oh je! Phil wirft keinen Schatten. Damit ist klar: Der Winter 2012 wird lang und wir müssen uns warm anziehen. Jedenfalls, wenn man an die alljährlichen Prophezeiungen des Murmeltiers in Punxsutawney glaubt.

Sendet Grüße: Murmeltier Phil.

Sendet Grüße: Murmeltier Phil.

(Foto: REUTERS)

Nein, Punxsutawney mag für manch einen womöglich ziemlich kaspisch klingen, es liegt jedoch nicht in Aserbaidschan, sondern in den USA. Und, zugegeben, inzwischen ist es schon zwei Wochen her, dass Phil dort aus der Kiste kam. In Zeiten, in denen Baku in Europa ist, weiß man allerdings nie - und so liegt es vielleicht ja an der Zeitverschiebung, dass der Murmeltiertag offenbar erst jetzt hierzulande angekommen ist. In Köln. In den Sendezentralen von ARD und Pro Sieben. Beim Vorentscheid zum Eurovision Song Contest (ESC).

So schickte das Murmeltier nicht nur während der ersten Shows von "Unser Star für Baku" einen Gruß nach dem anderen in unsere Wohnzimmer, sondern auch beim Finale. Moderatorin Sandra Rieß schlüpfte beim Zieleinlauf als Erste in die Rolle des allzeit visionären Nagers, in dem sie wieder einmal die "nationale Aufgabe" beschwor, die mit Lenas Sieg in Oslo 2010 doch schon einmal erledigt schien. Passend dazu kam die Jury in die Nationalfarben Schwarz (Stefan Raab), Rot (Frida-Gold-Frontfrau Alina Süggeler) und Gold (Thomas D) gekleidet ins Studio. Blöd nur, dass, so wie die drei saßen, es eher nach Gold-Rot-Schwarz aussah. Aber richtig, das Finale lief ja in der ARD. Und da nimmt man es mit dem Aussehen der Nationalflagge bekanntlich nicht so genau.

Grüße an Lena und Max

Roman Lob und Ornella de Santis hießen die beiden Finalisten, die aus der Schar der ursprünglich zwanzig gecasteten Lena-Epigonen am meisten herausstachen. Und auch wenn es am Ende zwischen den beiden äußerst knapp zu sein schien, ist das Ergebnis doch wenig überraschend: Der seit der ersten Ausgabe, ja, sogar seit den ersten Minuten von "Unser Star für Baku" in der Gunst von Publikum und Jury vorne liegende Roman machte das Rennen. Ein Durchmarsch, wie ihn auch Lena 2010 hingelegt hatte. Statt süßer 18 ist "unser Star" diesmal süße 21. Statt eines kecken Oberarm-Tattoos hat er eine lausbübische Brust-Tätowierung. Statt runder Kulleraugen hat er runde Kuller im Ohr. Und, ach ja, er hat einen Bart. Von Romans Auftreten her schickt das Murmeltier zudem noch einen weiteren Gruß, diesmal an die Adresse von Max Mutzke. Darauf geschrieben steht: "sympathisches Understatement".
 

Auch Kasperletheater kann spannend sein: Stefan Raab.

Auch Kasperletheater kann spannend sein: Stefan Raab.

(Foto: picture alliance / dpa)

Doch es waren nicht nur die Kandidaten, die uns während der zurückliegenden Wochen so manches Déjà-Vu-Erlebnis beschert haben. Stefan Raab in der Jury, das kannten wir doch irgendwie auch schon, genauso wie das Quotendesaster, in dem "Unser Star für Baku" dem Flop der Lena-Alleinunterhaltungsshow bei "Unser Song für Düsseldorf" im vergangenen Jahr in nichts nachsteht. Die Medienschelte für die Show war ebenso wenig neu wie die scheinbare Beratungsresistenz der Verantwortlichen.

Nur die "Blitztabelle", die war neu. Ausgabe für Ausgabe feierten sich Raab und Co für ihre ach so innovative Erfindung selbst, während es von außen Kritik hagelte, dass sie für mehr Verwirrung als Transparenz sorge und sich dabei vor allem für eins eigne: zum intransparenten Gelddrucken der beteiligten Sender. Und siehe da: Zu Beginn des Finales war die "Blitztabelle" auf einmal kommentarlos verschwunden. Und ehe sie bei der alles entscheidenden Abstimmung darüber, wer denn nun für Deutschland die knapp 5000 Kilometer lange Reise nach Baku antreten darf, dann doch wieder aufleuchtete, befand sie seltsamerweise niemand mehr groß der Rede wert. Man darf also gespannt sein, ob das Murmeltier sie in seine Grußkarten-Sammlung aufnimmt oder diese Schwalbe doch nur einen Winter flog.

"Cats" oder Rammstein?

Apropos Spannung: Die gab es im Finale zumindest in einer Hinsicht, nämlich in der Frage der Song-Auswahl. "Das spielt natürlich schon 'ne Rolle", welches Lied "unser Star" so trällert, erkannte Stefan Raab scharfsinnig, dass man vielleicht besser kein bayerisches Gstanzl in Baku vortragen sollte. Obwohl? Wenn man Aserbaidschans diesjährigen Beitrag gehört hat, wäre das ja sogar in etwa eine Liga. Aber nein, stattdessen offerierte man uns zur Auswahl vier mehr oder weniger in Schmachtfetzen gekleidete Songs, die samt und sonders pianogetragen daherkamen. Mit "Conflicted" und "Quietly" hatten Roman und Ornella jeweils ein nur für sie bestimmtes Lied am Start, während sie die Stücke "Alone" und "Standing Still" beide in unterschiedlichen Versionen zum Besten gaben.

Nur knapp - mit 49,3 zu 50,7 Prozent - unterlegen: Ornella de Santis.

Nur knapp - mit 49,3 zu 50,7 Prozent - unterlegen: Ornella de Santis.

(Foto: picture alliance / dpa)

Anders als im vergangenen Jahr, als die jeweiligen Komponisten stark in den Vordergrund gerückt worden waren, wurde die Herkunft der Songs diesmal weniger betont. Eins war ohnehin schon einmal klar: Von Stefan Raab stammten sie nicht. Gewisse Lena-Assoziationen konnten bei der dunkelhaarigen Ornella im Mini-Kleid nur schwer verdrängt werden, auch wenn sie bei den rockigeren Songs doch ziemlich piepsig daherkam. Roman indes machte aus jedem Lied eine irgendwo zwischen Coldplay und Kings of Leon angesiedelte Version.

Keine Frage: Auch wenn die Songs sich von der Anlage sehr ähnelten - es waren durchweg gute Arrangements mit hohem Mainstream-Potenzial. Aus der Reihe fiel eigentlich nur Ornellas musicalartiges "Quietly", das von ihren Vorträgen beim Publikum auch prompt am Besten ankam. Jeden Augenblick erwartete man da das "Cats"-Ensemble aus den Kulissen steigen. Gewünscht hätte man sich allerdings im Laufe der Show manchmal eher, dass ein paar Jungs wie Rammstein auftauchen und die Bühne mal so richtig zerlegen.

Die Kasperletheater-Oberklasse

Denn das war es, woran "Unser Star für Baku" von Anfang an krankte. Im Casting-Allerlei der "Superstars", "Voices" und "X Factor"-Träger ging die Show ebenso unter wie im Strudel der uninspirierten Suche nach einem Lena-Klon. Zum zweiten Mal nach dem Hick-Hack um Lenas Titelverteidigung 2011 und dem darauf folgenden missglückten (Song-)Vorentscheid mussten Stefan Raab und seine ARD-Gefolgschaft erkennen, dass eben doch nicht alles automatisch zu Gold wird, was der Pro-Sieben-Pächter anfasst. Vielleicht zeitigt diese Erfahrung ja diesmal etwas weniger Beratungsresistenz bei den Verantwortlichen.

Da Einschaltquoten auch für öffentlich-rechtliche Sender längst nicht mehr pillepalle sind, ist das eigentlich zu erwarten. Es wäre aber auch zu wünschen. Denn auch wenn er das mit Rücksicht auf die beiden Finalisten schnell wieder revidierte, hat Raab mit einem ja recht: der Jahr für Jahr von rund 120 Millionen Menschen verfolgte ESC ist "Kasperletheater auf ganz großem Niveau". Wer jedoch in der Kasperletheater-Oberklasse mitspielen will, muss erst einmal in der nationalen Kasperletheater-Liga obsiegen. Dafür aber reicht eine "Blitztabelle" nicht aus. Stattdessen sollte man sich für die Zukunft grundsätzliche Gedanken über das Konzept von "Unser Star" und die Öffnung des Vorentscheids für unterschiedliche Kandidaten-Konstellationen - also auch Bands und ältere Semester - sowie verschiedene Musikstile machen.

Doch auch Thomas D hat, bei allem Unfug, den er zum Teil in den vergangenen Wochen vom Stapel gelassen hat, mit einem recht: Mit Roman und seinem am Ende zu unserem Song für Baku gekürten "Standing Still" machen "wir uns nirgends zum Affen". Der Sieg in Aserbaidschan dürfte mit dem geschmeidigen Wohlfühl-Song ohne Ecken und Kanten zwar schwer werden, aber ein guter Platz im Mittelfeld ist wieder allemal drin. Während das noch ungelegte Eier von morgen sind, ist der Vorentscheid nun auch schon wieder Schnee von gestern. Das Murmeltier bleibt bis zum nächsten Winter auf jeden Fall in der Kiste. Jetzt heißt es: Alles auf null. Und: Einer für alle, alle für einen. Go, Roman!

Quelle: ntv.de

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