Wegen Nazi-Parolen vor Gericht Galliano kann sich nicht erinnern
22.06.2011, 17:36 Uhr
Galliano während seiner Ankunft im Gericht.
(Foto: AP)
Karriere und Ruf sind hin - nun droht dem Modeschöpfer John Galliano eine weitere Strafe. In Paris beginnt ein Prozess wegen des Vorwurfs judenfeindlicher Pöbeleien. Ein Paar und eine Frau hatten den Designer im Winter angezeigt.
Der britische Modeschöpfer John Galliano muss sich seit Mittwoch wegen angeblicher Nazi-Pöbeleien vor einem Pariser Gericht verantworten. Dem 50-Jährigen wird in zwei Fällen die schwere Beleidigung von Besuchern einer Brasserie vorgeworfen. "Dreckiges Judengesicht, Du solltest tot sein!" ist einer der Ausdrücke, die von ihm stammen sollen. Galliano behauptete vor Gericht, dass er sich an nichts erinnern kann. Seit 2007 nahm er nach eigenen Angaben regelmäßig Medikamente - unter anderem Valium. Er neige auch zu verstärktem Alkoholkonsum.
Für seine Alkoholsucht machte Galliano Versagensängste verantwortlich: "Ich dachte, das Trinken würde helfen, (der Wirklichkeit) zu entfliehen." Ende Februar hatte er einen zweimonatigen Entzug in Arizona begonnen, danach wurde er in der Schweiz behandelt, sagte Galliano. Der exzentrische Brite war in einer weiten schwarzen Hose und einer dunklen Jacke erschienen, trug dazu ein Tuch um den Hals. Die Haare sind noch immer lang, er trägt sie offen.
Nach Angaben seines Anwalts will Galliano in dem Prozess beteuern, kein Antisemit zu sein und auf seine schweren Suchtprobleme verweisen. Bei einem der ihm zur Last gelegten Vorfälle war er nachweislich stark betrunken. Auf öffentliche rassistische Beleidigungen stehen in Frankreich bis zu sechs Monate Haft und 22.500 Euro Geldstrafe. Gefängnisstrafen werden allerdings nur äußerst selten für ein solches Delikt verhängt.
Schwierigkeiten mit der Realität
Der exzentrische Brite ist seit dem Skandal um die Vorwürfe arbeitslos. Das Modehaus Dior, das auch das Label "John Galliano" kontrolliert, setzte ihn Anfang März vor die Tür. Kurz zuvor hatte ein Video die Affäre weiter angeheizt. In ihm lallt Galliano die Worte: "I love Hitler" und beschimpft die Gäste. "Leute wie Sie, sollten tot sein. Ihre Mütter, Vorfahren - sollten alle verdammt vergast sein." Ein unbekannter Gast stellt ihm daraufhin die Frage, woher er komme. "Aus Ihrem Arsch", lautet die Antwort Gallianos.
Viele Weggefährten glauben unterdessen nicht, dass Galliano wirklich ein Hitler-Verehrer und Judenhasser ist - vor allem weil der Brite als Schwuler selbst zu einer von den Nazis verfolgten Minderheit gehört. Nach dem Dior-Rausschmiss berichteten etliche Branchenkollegen zudem über Gallianos Trunksucht sowie Schwierigkeiten, sich in der Realität zurechtzufinden.
Der Tod eines Lebensgefährten vor einigen Jahren sowie der Selbstmord seines Kollegen Alexander McQueen im vergangenen Jahr sollen dem Briten schwer zugesetzt haben. Eine Quelle aus dem Umfeld des Luxusunternehmens LVMH, zu dem das französische Modehaus Dior gehört, sagte der Nachrichtenagentur dpa, es habe schon seit längerer Zeit Probleme mit Gallianos Alkoholkonsum und verbalen Ausfällen gegeben. Es sei schon früher erwogen worden, ihn zu entlassen.
Quelle: ntv.de, dpa