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Nobelpreis für Literatur Patrick Modiano: Spurensucher in Paris

In Deutschland wurde Modiano Mitte der 80er Jahre mit seinem Werk "Eine Jugend" bekannt.

In Deutschland wurde Modiano Mitte der 80er Jahre mit seinem Werk "Eine Jugend" bekannt.

(Foto: AP)

Patrick Modiano begibt sich mit seinen Figuren immer wieder auf die Suche nach Sinn und Glück. Geprägt ist dieses Bestreben von der eigenen Biografie, insbesondere einer bewegten Kindheit. Jetzt erhält der Franzose überraschend den Nobelpreisträger für Literatur.

"Archäologe der Vergangenheit" wird Patrick Modiano in Frankreich von seinen Kritikern genannt. Besser könnte man seinen Stil nicht beschreiben. Denn in seinen Büchern rekonstruiert der französische Autor Geschichten aus dem Paris der Nachkriegszeit. Dabei erforscht er seine Figuren wie ein Spurensucher, seine Sprache ist klar und präzise. Auch mit dem Blick auf die Details entwickeln seine Werke eine unnachahmliche Stimmung. Modiano hat in seiner mehr als vierzigjährigen Schriftstellerkarriere rund 30 Romane geschrieben. Sie wurden in über 30 Sprachen übersetzt. In Deutschland fand der mehrfach preisgekrönte Autor Mitte der 80er Jahre mit dem Werk "Eine Jugend" viele Fans - in einer Übersetzung des Österreichers Peter Handke.

Krieg, Liebe, Besatzung: Das sind die Themen, aus denen der Franzose seine Inspirationen schöpft. Egal ob in seinem 2013 auf Deutsch herausgebrachten Buch "Der Horizont", in "Unfall in der Nacht" oder "Aus tiefstem Vergessen", Modiano beschreibt in seinen Werken Erinnerungen an seine unglückliche Kindheit im Paris nach dem Zweiten Weltkrieg. "Ich versuche bei den Menschen und den Dingen die Schicht des Vergessens zu durchstoßen", sagte der medienscheue Autor unlängst in einem seiner wenigen Interviews.

Geschichten von Sinn- und Glückssuchern

Modiano wurde am 30. Juli 1945 in Boulogne-Billancourt bei Paris als Sohn eines jüdischen Kaufmanns und einer flämischen Schauspielerin geboren. Beide hatten sich während der deutschen Besatzungszeit kennengelernt. Modiano wuchs zunächst bei den Großeltern auf und verbrachte seine Jugend später im Internat. Der Tod seines zehnjährigen Bruders war ein Schock für ihn. Viele von Modianos frühen Arbeiten sind ihm gewidmet.

Meist sind es belanglose Details, die Modianos Geschichten in Gang setzen wie ein Früchtekorb in "Vorraum der Kindheit" (Deutschland: 1992) oder eine Zeitungsannonce in "Dora Bruder" (1998). Mit seiner präzisen und teilweise kargen Sprache erschafft er fast schon unwirkliche Stimmungen. Er entwirft in seinen Texten Geschichten und Bilder von Sinn- und Glückssuchern.

Modiano wurde mehrfach preisgekrönt. Im Jahr 1978 erhielt er für "Die Gassen der dunklen Läden" den begehrten französischen Prix Goncourt. Im Jahr 2010 wurde er in Deutschland mit dem Preis der SWR-Bestenliste für "Place de l'Étoile" (Deutschland: 2010) ausgezeichnet. Das Buch, mit dem er in Frankreich 1968 sein Debüt feierte, handelt von einem jungen Mann in Paris zur Zeit des Nationalsozialismus. In dem Roman beschreibe der Autor "Erinnerungsbilder aus der Vergangenheit, die viele Schattierungen von Sehnsucht aufweisen", hieß es damals in der Begründung. In Frankreich gilt Modiano deshalb auch als Autor gegen das Vergessen. In Österreich wurde er 2012 mit dem Staatspreis für Europäische Literatur ausgezeichnet.

Auch Frankreichs Staatspräsident François Hollande würdigte das Werk des neuen Literaturnobelpreisträgers Patrick Modiano als ansehnlich und subtil. "Er führt seine Leser bis in die tiefen Wirren der dunklen Besatzungsperiode", erklärte Hollande laut einer Mitteilung des Élysée-Palastes. Der französische Autor erforsche, was an der Erinnerung untergründig und an der Identität kompliziert sei. Und er versuche zu verstehen, "wie das, was geschieht, die Individuen dazu bringt, sich zu verirren oder sich zu offenbaren".

Quelle: ntv.de, Sabine Glaubitz, dpa

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