Sentimentales mit Fingerzeig Tornatore in Venedig
02.09.2009, 18:17 UhrItalien kam die Eröffnung des 66. Filmfestivals in der Lagunenstadt zu: Keine absoluten Superstars wie vor einem Jahr George Clooney und Brad Pitt sollten diesmal den Startschuss geben für Venedigs jährliche Film-Biennale. Vielmehr erlaubte sich der künstlerische Chef des Festivals, Marco Müller, den Luxus, die ebenso melancholische wie überladene sizilianische Familiensaga "Baarìa" als erstes in das Rennen um den so begehrten Goldenen Löwen zu schicken. Zunächst der internationalen Filmpresse vorgestellt, stand die Welturaufführung des neuesten Werks von Oscar-Preisträger Giuseppe Tornatore ("Cinema Paradiso") dann am Abend an.
Klar, der rote Teppich war schon ausgerollt, ansonsten aber gleicht der Lido einer Baustelle, wurde doch bis zur letzten Minute bei hochsommerlichen Temperaturen gehämmert und geräumt. Das älteste Filmfestival der Welt - und auch eines der wichtigsten - baut gerade auf Hochtouren an einem neuen Palast, und das soll noch bis 2012 so gehen. Und doch: The Show must go on. Kameraleute und Autogrammjäger lagen also bereits mittags auf der Lauer. Sollte nicht Michael Moore schon am Lido sein, dessen neuestes Werk "Capitalism: A Love Story" in diesen venezianischen Tagen mit größter Spannung erwartet wird?

... und auch Francesco Scianna leistet Regisseur Guiseppe Tornatore (M) Gesellschaft am Lido.
(Foto: dpa)
Die Favoriten stehen schon fest ...
Der deutsche Starregisseur Werner Herzog und seine attraktiven Akteure Eva Mendes und Nicholas Cage haben bereits am Lido Stellung bezogen. Ihr US-Streifen "Bad Lieutenant" könnte sich womöglich schon bald unter die Favoriten für den Löwen eingereiht haben. Von Herzog hieß es, er wolle sich das Epos des sizilianischen Regisseurs nicht entgehen lassen. Dafür muss man aber etwas Geduld mitbringen. Denn Tornatore breitet in 150 langen Minuten das Los dreier Generationen einer Familie von 1930 bis 1980 komödiantisch aus. Es ist eine Art Suche nach der verlorenen Zeit - als man sich bitterarm durch das Landleben schlug, die Anhänger des "Duce" Mussolini verhöhnte, den Krieg ertrug und auf Kommunisten als Retter aus dem Elend setzte.
Elegisch unterlegt Musik-Altmeister Ennio Morricone ("Spiel mir das Lied vom Tod") das rechte pathetische Werk über die geplatzten Träume von einem gerechteren Leben, einem Sieg über die Krake Mafia und einem Aufbruch in die Zukunft. Doch, es gibt in "Baarìa" einen richtigen Star - kurz bringt Italiens Monica Bellucci Sex-Appeal zur Geltung. Aber nur ganz kurz. Der Ort bei Palermo ist Tornatores Heimatstadt, der 53-jährige Regisseur setzte Baarìa (Bagheria) also ein Denkmal. Humorvoll erinnert er darin auch daran, dass es immer das Kino gibt, ganz gleich, wer denn nun regiert: Sein Blick zurück in der Bestandsaufnahme des verflossenen Jahrhunderts mündet zwar nicht im Besseren, doch die faszinierende Fantasiewelt Kino bleibt.
Die sentimentale Reise in das vergangene Sizilien des Giuseppe Tornatore taugte nicht zum Paukenschlag des Wettbewerbs am Lido. Dabei zeigen sich der künstlerische Direktor Müller und Präsident Paolo Baratta überzeugt, nach Jahren der Kritik an der Auswahl und der Qualität der Filme diesmal richtig zu liegen. 24 Filme sind bis zum 12. September im Wettbewerb, eine erhebliche Zahl, und darunter anerkannte Regisseure wie Werner Herzog, Michael Moore, Fatih Akin, Patrice Chéreau und Jacques Rivette. Diese sollten doch verhindern, dass es nach Dutzenden von Werken am Ende am Lido wieder heißt: Die besten Streifen haben wir in Venedig doch außer Konkurrenz gesehen.
Quelle: ntv.de, soe/Hanns-Jochen Kaffsack, dpa