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Verlorene Jungs und starke Mädchen Astrid Lindgrens Leben

Das ist ein wirklich komisches Gefühl, ein Buch zu lesen oder vielleicht besser anzuschauen und dabei immer wieder von Freude, Lachen und sogar Rührung übermannt zu werden. Zumal das Buch eine Biografie ist, die Lebensgeschichte von Astrid Lindgren, die in diesem Jahr ihren 100. Geburtstag gefeiert hätte.

Genauso aber ist es mir mit "Astrid Lindgren. Bilder ihres Lebens" ergangen. In einer einzigartigen Mischung ist es Jacob Forsell, Johan Ersus und Margareta Strömstedt gelungen, Lindgren beinahe wieder zum Leben zu erwecken. Zum einen sind da die vielen Fotos, vom ersten Babyfoto bis zu den Bildern einer unheimlich schönen alten Frau.

Aber es sind nicht nur Bilder des fortschreitenden Lebens von Astrid Lindgren. Es sind Bilder ihrer Kinder und Fotos einer Frau, die Kinder über alles liebte. Und ob man will oder nicht, stellen sich beim Ansehen eines Fotos, auf dem ihr Sohn Lasse dreijährig durch einen Bretterzaun schaut, Bilder von Michel ein. Von Michel aus Lönneberga, blondköpfig und immer zu einem Streich aufgelegt.

Dazu erzählen die Autoren die Geschichte einer 18-Jährigen jungen Frau, die ein Verhältnis mit ihrem weitaus älteren, verheirateten Chef hat und schwanger wird. Da sie den Mann nicht liebt, will sie mit ihm auch nicht leben. Das Kind aber will sie, 1926, wohlgemerkt. Nur ist in der Kleinstadt Vimmerby an ledige Mutterschaft nicht zu denken und so geht Astrid ins dänische Kopenhagen, um ihr Kind zur Welt und keine Schande über die Familie zu bringen.

Den Jungen lässt sie bei einer Pflegemutter, die künftige Schriftstellerin arbeitet hart, hungert sogar, nur um sich immer wieder die Fahrkarte nach Dänemark leisten zu können. Als die Pflegemutter krank wird, nimmt die Mama Anfang 1930 ihren kleinen Lasse mit nach Stockholm, obwohl sie ihn kaum unterbringen kann und auch keine Betreuung für ihn hat. Die Betreuung übernimmt die Vermieterin und auch sonst kommt Astrids Leben langsam wieder in ruhigere Wasser. Ab dem Sommer lebt der Junge bei ihren Eltern auf dem Kindheitshof Näs. 1931 heiratet Astrid Sture Lindgren, Lasse kommt zurück nach Stockholm, 1934 wird auch noch Tochter Karin geboren.

Das private Glück, vor allem mit den Kindern, dürfte Lindgrens größte Inspiration gewesen sein. Allerdings wer nur die heile Welt von Bullerbü sieht, dem wird hier klar, dass all die verloren Jungen und starken Mädchen in Lindgrens Werk etwas mit dem kleinen Lasse und ihrer eigenen Kindheit zu tun haben. Knapp vierzigjährig ist Lindgren angekommen, sie hat Mann und Kinder und lebt in der Wohnung, die sie bis zu ihrem Lebensende bewohnen wird. Und sie hat begonnen zu schreiben, zunächst kleinere Geschichten, bis Tochter Karin sich jene legendäre Pippi Langstrumpf ausdenkt, von der sie im Herbst 1941 Krankengeschichten hören möchte.

Zwei Jahre später beginnt Astrid Lindgren, diesmal muss sie das Krankenbett hüten, damit, die Geschichten aufzuschreiben. Nun wird ihr ganzes Leben Material. Immer wieder tauchen im Buch Begebenheiten auf, die die Autoren erzählen, um dann hinzuzufügen, in welcher Lindgren-Geschichte welche Figur eben jenen Satz sagt. Auf wunderbare Weise ist bei Lindgren aus dem Leben Literatur geworden, mit großer Weisheit und möglicherweise noch größerer Liebe für die Menschen.

Wer als Kind gern die Bücher von Astrid Lindgren gelesen hat, sie nun vielleicht immer noch gern vorliest, dem sei dieses Buch ans Herz gelegt. Selten ist es einer Biographie so überwältigend gelungen, eine Begegnung mit einem Menschen zu ermöglichen. Unglaublich liebevoll und detailreich wird hier eine Frau beschrieben, die das Kind in sich immer wieder nährte und spielen ließ und so den kleinen wie den großen Menschen unvergessliche Bücher schenkte.

Jacob Forsell, Johan Ersus, Margareta Strömstedt: "Astrid Lindgren. Bilder ihres Lebens", 271 Seiten mit vielen Fotos, 39,00 Euro

Quelle: ntv.de

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