Lobenswerte Idee Bruce in Japanese Disguise
21.05.2008, 16:35 UhrNatürlich gibt's hierzulande schon CDs von Bruce Springsteen. Aber als "Japan-Edition"? Was, bittschön, ist eigentlich eine "Japan-Edition", wird sich manch geneigter Leser fragen? Eigentlich nichts anderes als eine "Deutschland- oder Was-weiß-ich-sonst-für-eine-Edition". Eigentlich. Aber es sind die kleinen, die feinen Unterschiede, die den Reiz ausmachen. Zunächst die Verpackung: "Papersleeve" nennt der Fachmann das, was so aussieht wie dereinst eine Langspielplatte. Nur kleiner halt. Drinnen dann das so genannte Innersleeve Cover, ein quadratisches Pappkuvert mit allerlei nützlichen Informationen über Aufnahmeort, Erscheinungsjahr, Songtexten und vielem mehr. In besagtem Cover steckt dann der Tradition getreu ein Plastiktütchen und darin - endlich - die Platte, pardon, die CD.
Lobenswert die Idee, 17 (17!) Long Player dieser ungewöhnlichen Art auf einmal herauszubringen. Und dies zu einem Preis, der deutlich unter dem liegt, der sonst für Importe aus dem Land der aufgehenden Sonne üblich ist. Auf einmal kaufen wird die Kollektion trotzdem nicht jedermann können, das wäre dann doch arg kostenintensiv. Aber es geht ja auch stufenweis'. Allerdings nur bis Jahresende, dann sollen die "Papersleeves" wieder vom Markt genommen werden. Beruhigend, dass davor noch der Weihnachtsmann kommt. Wie auch immer: Vier CDs mögen hier stellvertretend für den Rest stehen.
Auf das Wesentliche reduziert
Das Erstlingswerk bei einem Majorlabel "Greetings From Ashbury Park, N.J." aus 1973 sollte sich jeder einmal zu Gemüte führen, der Springsteen verstehen will. Nicht, weil es ein überragendes Oeuvre wäre, sondern weil man da den Suchenden erkennt, der sich - inspiriert von Großen wie Roy Rogers, Hank Williams und Bob Dylan - einen eigenen Weg bahnen will. Rätselhaft bis auf den Tag bleibt, wie das von Springsteen verfasste "Blinded By The Light" bei ihm ein Flop, der Song mit Manfred Mann's Earth Band aber in den Vereinigten Staaten und anderswo eine Nummer eins wird. Es mag am keyboardlastigen Arrangement des Südafrikaners Mann liegen. Warum ist es so schwer, Originalität zu akzeptieren?
Gleichwohl wird Springsteen daraus lernen. In seinem Durchbruchsalbum "Born To Run", 1975, und in seinem erfolgreichsten Werk, "Born In The USA", 1984, spielen die Keyboards eine tragende Rolle. Allein "Born In The USA" brachten dem 1949 in Long Branch/New Jersey Geborenen sieben Hits ein. Die Platte markiert auch die Hinwendung zum Stadionrock, kurze Stücke, einprägsam, auf das Wesentliche reduziert, zum einmal hören, mitsingen und nie mehr vergessen. Aber Springsteen ist einer, der es sich nicht einfach macht. Er hätte nach "Born To Run" auf der Popschiene weiterfahren können, hat's aber nicht gemacht.
Auf dem Doppelalbum "The River" aus 1980 zieht er fast alle Register, von der Folkballade mit Gitarre und Bluesharp bis hin zum pianounterlegten und mit einem krächzenden Saxophon verzierten Rock and Roll. Mit der Singleauskopplung "Hungry Heart" kommt er zum ersten Mal unter die Top Ten. Zwar legt Springsteen mit "I'm A Rocker" ein Bekenntnis ab, aber er ist mehr. Es sei denn, man begreift den Rock and Roll als weit gefassten Kulturbegriff. Dann passt auch die Scheibe "Nebraska" aus 1982 hinein. Düstere Beschreibungen von düsteren Erscheinungen einer Gesellschaft, in der beileibe nicht alles, was glänzt, Gold ist, und selbst das Gold manchmal stumpf ist. Gitarre, Mundharmonika, daheim aufgenommen, wohl eines der besten Alben Springsteens überhaupt.
Wer also Musik hören will, die aus dem Bauch kommt, mit der Hand gemacht und nur mit dem Herzen zu verstehen ist, für den ist die 17er Edition gerade richtig. Wer's dazu noch gern nostalgisch hat, siehe die Einlassungen zur Verpackung. Aber Vorsicht: Wer die CD auf den Plattenteller legt und dann die Nadel aufsetzt, erlebt eine böse Überraschung.
Bruce Springsteen:
"Greetings From Ashbury Park, N.J." (1973)
"The Wild, The Innocent And The E-Street Shuffle" (1974)
"Born To Run" (1975)
"Darkness On The Edge Of Town" (1978)
"The River" (1980)
"Nebraska" (1982)
"Born In The U.S.A." (1984)
"Live 1975-85"
"Tunnel Of Love" (1987)
"Human Touch" (1992)
"Lucky Town" (1992)
"In Concert - MTV (Un)Plugged)" (1993)
"Greatest Hits" (1995)
"The Ghost Of Tom Joad" (1995)
"18 Tracks" (1999)
"Live In New York City" (2001)
"The Rising" (2002) (alle Sony BMG)
Quelle: ntv.de