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Wie alles anfing Geburtsorte des Rock'n'Roll

Vom russischen Moskau über das lappländische Korvantunturi bis zum niederländischen Amsterdam streiten sich die Heimathistoriker, woher denn nun der Mann mit dem weißen Rauschebart und dem mal roten, mal blauen und andernorts weißen Mantel kommt. Und ob denn sein richtiger Name nun Weihnachtsmann, Knecht Ruprecht, Santa Claus, Väterchen Frost oder Sinterklaas ist. Alle beanspruchen die Wahrheit für sich, wie könnte es anders sein. Wo der Rock and Roll entstand, ist ebenso strittig.

Meist wird der US-amerikanische Radio-Discjockey Alan Freed als Namensgeber genannt, der Mitte der 50er Jahre dem zumeist von Afroamerikanern gespielten Gemisch aus Rhythm & Blues, Folk, Blues und Country einen Namen gab, der in der schwarzen Umgangssprache ein Synonym für, na, sagen wir, engste zwischenmenschliche Beziehungen war.

Weder schwarz noch weiß?

Der Rock and Roll hatte auch in seinen Anfangsjahren keine Hautfarbe, wie schon seine Bestandteile erkennen lassen. Unbestritten aber ist wohl, dass farbige Musiker einen entscheidenden Anteil an seiner Entstehung hatten. Die Textzeile "rock and roll" ist schon in den 40er Jahren bei Aufnahmen von Big Bill Broonzy zu hören. Dem Weißen Freed kommt also lediglich das Verdienst zu, dem Kind einen Namen gegeben zu haben. Dass er dabei von dem schwarzen Bluesmann Chuck Berry als Gegenleistung für die Sendung von dessen Song "Maybelenne" die Mitautorenschaft bei dem Stück verlangte, steht beispielhaft für den Versuch der "weißen" Vereinnahmung einer Musikrichtung, die, wenngleich nicht ausschließlich, in afroamerikanischen Kreisen beheimatet war.

Die vorliegende "Roll Your Moneymaker"-Album ist eine jener leider immer selteneren Kompilationen, auf denen zumindest ein Teil der Geschichte der ersten musikalischen Revolution des vergangenen Jahrhunderts nachzuvollziehen ist. Und die zeigt, dass die zweite Umwälzung der Populärmusik in den sechziger Jahren ohne sie nicht möglich gewesen wäre.

So verhalfen die Londoner Kinks dem Song "Got Love If You Want It" von Slim Harpo zu neuen Ehren. Rufus Thomas, hier vertreten mit "Tiger Man", inspirierte die Rolling Stones zu einer Neuaufnahme seines genialen "Walkin’ The Dog". Thomas’ Antwortsong auf Big Mama Thorntons "Hound Dog" lieferten Elvis Presley die Vorlage zu seinem Hit " Hound Dog". Wer Johnny "Guitar" Watsons "Space Guitar" hört, weiß, wo Jimi Hendrix seine Anregungen herholte.

Berühmt und unvergänglich

Wie sehr Grenzen zwischen angeblich weißer und schwarzer Musik verschwimmen, zeigt das Stück "You've Got To Lose" von Ike Turner's Kings Of Rhythm. Es könnte ebenso gut von Eddie Cochran oder - bittschön - Brian Setzer gespielt worden sein. Nicht zufällig wohl nennt der einstige Stones-Gitarrist Bill Wyman seine Rhythm & Blues All Star Band Bill Wyman’s Rhythm Kings. Wyman wiederum war mit Eric Clapton, Charlie Watts und Ringo Starr 1970 bei den berühmten "Howlin’ Wolf London Sessions" dabei, als dieser sein unvergängliches "You Gonna Wreck My Life" noch einmal inspielte. Wer das Original hören will, dem sei der "Moneymaker" empfohlen, der mit "Deep Feeling", einer der seltenen Instrumentalaufnahmen von Chuck Berry und "Heart-O-Matic Love" des leider kürzlich verstorbenen Bo Diddley und anderem in der Adventszeit noch mehr musikalisches Naschwerk zu bieten hat.

Fazit: Der Rock and Roll hat ebenso viele Geburtsorte wie der Weihnachtsmann und ebenso viele Facetten.

Howlin' Wolf, Rufus Thomas u. a.: "Roll Your Moneymaker – Early Black Rock 'n' Roll 1948-1958", CD, Trikont

Quelle: ntv.de

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