"Von Kamen nach Corleone" Im Kampf gegen die Mafia
14.09.2010, 11:04 UhrPetra Reski zeigt wieder Mut und Flagge. Die Autorin, die seit mehr als 20 Jahren in Venedig lebt, veröffentlicht ihr zweites Buch gegen die Mafia. "Von Kamen nach Corleone" ist ein Aufruf an die Deutschen, diese "Krake" endlich ernst zu nehmen.

Petra Reski will darauf aufmerksam machen, dass die Mafia in Deutschland bereits fest verwurzelt ist.
(Foto: dpa)
Die deutsche Journalistin und Schriftstellerin Petra Reski lässt in ihrem Kampf gegen die Mafia nicht nach. Ja, ihre erste Breitseite gegen das organisierte Verbrechen ("Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern") war schon ein Erfolg, brachte ihr Drohungen der Mafia und Auszeichnungen ein. Doch ihre Kernbotschaft sieht die in Venedig lebende Autorin, Jahrgang 1958, längst nicht bei allen angekommen: Achtung bitte, die italienische Mafia, allen voran die kalabrische 'Ndrangheta, ist hoch im Norden, nicht zuletzt auch in Deutschland, bereits zutiefst verwurzelt. Also legt Reski jetzt nach, sie aktualisiert und untermauert ihre Warnung mit einem persönlicher gehaltenen Reisereport der speziellen Art: "Von Kamen nach Corleone". Das Buch erscheint in Deutschland am 16. September.
Vom Ruhrpott ins Reich des Paten auf Sizilien zu fahren, das ist für die streitbare Autorin weit mehr als nostalgische Auffrischung der ersten Erinnerung an Italien und die "Krake" Mafia. Nun, jetzt natürlich nicht mehr am Steuer eines alten Renault 4, sondern in einem rostfreien, weißen Alfa Romeo Spider (Cabrio). Aber wieder von ihrem damaligen Wohnort aus: "Kamen-Corleone: 2448 Kilometer. Behauptet jedenfalls Google Maps." So geht es los, um nicht nur in dem Ort des berühmten "Paten" zu enden, sondern um den Deutschen noch deutlicher ins Gewissen zu reden: "Die Mafia in Deutschland", so der Untertitel.
"Wurde mir von meinem Onkel in Italien geschenkt"
"Seit der Abschaffung der Grenzkontrollen hat sich die Mafia verstärkt in Nord- und Mitteleuropa ausgedehnt", zitiert Reski den Staatsanwalt und 'Ndrangheta-Ermittler Nicola Gratteri. Und solange in Deutschland nicht richtig abgehört werden könne, Zugehörigkeit zur Mafia kein Delikt sei und die Geldwäsche ungleich einfacher als in Italien, solange könne die Mafia dort auch nicht wirksam bekämpft werden. In Deutschland etwa, so die Autorin, könne schon der Satz "Wurde mir von meinem Onkel in Italien geschenkt" reichen, um den Verdacht auf Geldwäsche zu entkräften. Das Geld kommt im Koffer.

Der sechsfache Mafiamord von Duisburg im August 2007 ist in Deutschland praktisch vergessen.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Zwei kritische Kernpunkte schälen sich heraus. "Man fürchtet Einbrecher und den Lauschangriff, aber nicht die Mafia." So sei das Duisburger Massaker der 'Ndrangheta - der sechsfache Mafia-Mord im August 2007 - praktisch vergessen, auch weil das weit verzweigte organisierte Verbrechen in Deutschland sonst nicht nach klassischem Muster morde, sondern seine üblen Geschäfte am liebsten still abwickle. Außerdem konnte die Mafia hoch im Norden auch deshalb viel einfacher zu einer "Erfolgsgeschichte" werden, weil die Deutschen seit dem 11. September 2001 eben ganz auf islamistische Gefahren starrten. Ob da die sehr ausführlichen Auszüge aus internen Mafia-Ermittlungsberichten oder die zitierten BKA-Zahlen über Hunderte von Clans, die in Deutschland aktiv sind, etwas nutzen?
Autorin beweist Mut
Riesige Razzien mit Hunderten von Festnahmen im Mafia-Milieu Norditaliens verblüfften selbst im Stiefelstaat vor kurzem viele, die doch täglich - und das seit Jahrzehnten - von der Camorra oder Cosa Nostra lesen müssen. Von dem alten Klischee der Mafia als Auswuchs des rückständigen Mezzogiorno profitieren die Bosse also bereits in Italien selbst. Die akribische, feuilletonistisch ausgeschmückte Fleißarbeit der deutschen Mafia-Expertin ist damit ganz besonders verdienstvoll, auch wenn sie teilweise stark ausufert. Weniger wäre mehr gewesen im Sinne der Botschaft. Das ändert nichts an dem Mut der Autorin, die so nicht aufhört, mögliches Ziel von Drohungen zu sein.
Quelle: ntv.de, Hanns-Jochen Kaffsack, dpa