Estlands erzähltes Gewissen Jaan Kross ist tot
28.12.2007, 16:41 UhrDer estnische Schriftsteller und Nobelpreis- Anwärter Jaan Kross ist im Alter von 87 Jahren in seiner Geburtsstadt Tallinn gestorben. Wie Angehörige mitteilten, erlag Kross bereits am Donnerstag in seiner Wohnung den Folgen einer Herzschwäche. Er war bereits seit längerem schwer krank und hatte sich schon Anfang der neunziger Jahre völlig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Kross wurde in den letzten zwei Jahrzehnten immer wieder zum engsten Favoritenkreis für den Literaturnobelpreis gerechnet.
Der am 19. Februar 1920 in Estlands Hauptstadt Tallinn geborene Schriftsteller studierte zunächst Jura. Er wurde nach seinem literarischen Debüt 1970 vor allem als Verfasser historischer Romane bekannt, in denen er die wechselvolle Geschichte seines Landes anhand von persönlichen Schicksalen nachzeichnete. Dabei stellte er nicht zuletzt Konflikte mit Baltendeutschen ins Zentrum.
Als Hauptwerk gilt "Der Verrückte des Zaren" (1978). Die Bücher von Kross sind in mehr als 20 Sprachen übersetzt. 1944 wurde der Este von den nationalsozialistischen deutschen Besatzern seines Heimatlandes inhaftiert und erst nach dem Einmarsch der Roten Armee freigelassen. Schon 1946 aber geriet er wegen angeblicher Kontakte zu "bürgerlichen Nationalisten" erneut in Gefangenschaft und wurde von den Sowjet-Behörden für acht Jahre nach Sibirien deportiert, wo Kross bis 1954 in Lagern des Gulag Zwangsarbeit leisten musste.
Bis zu seinem letzten Buch "Die Frauen von Wesenberg oder der Aufstand der Bürger" (deutsche Übersetzung 1997) veröffentlichte Kross 20 Romane. Er beteiligte sich Ende der achtziger Jahre an der Unabhängigkeitsbewegung in Estland und gehörte 1992-1993 auch kurz dem Parlament an. Er zog sich aber schnell wieder aus der Politik zurück, die er als "frustrierend" bezeichnete. Kross galt im eigenen Land als große moralische Autorität.
Estlands Staatspräsident Toomas Hendrik Ilves nannte Kross einen "großen Bewahrer von Estlands Kultur und Sprache". Er sagte weiter: "Er war einer von denen, die die Menschen geistig frisch gehalten haben. Damit schuf er eine wichtige Voraussetzung für die Wiedererlangung unserer nationalen Unabhängigkeit. Kross war mit der Schriftstellerin Ellen Niit-Kross verheiratet, mit der er zwei Töchter hatte.
Quelle: ntv.de