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Kommunistische Kindheit in den USA Mein Vater und Che Guevara

Ein iranischer Vater, eine Mutter aus einer jüdisch-amerikanischen Intellektuellenfamilie und der Glaube an die Weltrevolution - kein leichtes Schicksal für ein Kind in den USA.

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Die Kindheit von Said Sayrafiezadeh darf getrost als ungewöhnlich bezeichnet werden. Mitten im Turbokapitalismus der Vereinigten Staaten wächst Said in den 1970-er Jahren in einer kommunistischen Familie auf. Die Eltern sind Mitglieder der Sozialistischen Arbeiterpartei der USA. Er hat den ziemlich seltenen Nachnamen Sayrafiezadeh, sein Vater stammt aus dem Iran. Und damit nicht genug. Um der Weltrevolution willen verlässt der Vater die Familie, als Said gerade neun Monate alt ist. Er bleibt zunächst mit den beiden älteren Geschwistern und seiner Mutter Martha zurück, doch auch die Geschwister sind bald auf revolutionären Pfaden unterwegs.

So lebt Said eine trostlose und entbehrungsreiche Kindheit mit seiner alleinerziehenden Mutter. Es mangelt an Geld für alles, was ein Jungenherz begehren könnte, nie aber an ideologisch knallharten Begründungen, warum beispielsweise keine Weintrauben gekauft werden dürfen oder Skateboards für alle umsonst sein müssten. Für Said gibt es natürlich kein Skateboard, weil es ja noch nicht kostenlos ist. Dafür müssen Versammlungen und Demonstrationen besucht, Flugblätter verteilt und Zeitungen verkauft werden.

Der Sankt-Nimmerleinstag kommt nicht

Der Autor Said Sayrafiezadeh.

Der Autor Said Sayrafiezadeh.

(Foto: Aufbau-Verlag)

Während seine Mutter die Weltrevolution herbeisehnt und der Vater egomanisch seinen Trotzki-Trip verfolgt, lebt Said seine Tage voller Traurigkeit. Der Freiton des Telefons hallt nächtens durch die Wohnung. Gelegentlich sendet der Vater ein Lebenszeichen, das Glück darüber scheint den Jungen schier zu zerreißen. Doch mit jedem der traurigen Tage bekommt Saids Glaube an den Sieg des Kommunismus mehr Risse. Dafür wächst die Gewissheit, dass sein Vater eben einfach abgehauen ist und seine Mutter vielleicht ein wenig zu kontrollwütig ist. Vor allem aber will er nicht länger auf den Tag der Weltrevolution warten.

Sayrafiezadeh hat einen Onkel, der Schriftsteller und wohlhabend ist. Je älter Said wird, desto mehr träumt er sich ein solches Leben. Geradezu zwangläufig landet er als Angestellter bei der Superkapitalistin Martha Stuart, verliebt sich und beginnt zu schreiben.

Absurd komisch und bitter zugleich, dabei ohne Groll schildert er seine Kindheit und Jugend. Gelegentlich blutet dem Leser das Herz, beispielsweise wenn Said erzählt, wie ein Genosse in der ärmlichen Wohnung übernachtet und die Gelegenheit nutzt, um den Jungen zu missbrauchen. Als die Mutter dies vor den anderen Genossen zur Sprache bringt, erfährt sie keine Unterstützung, dafür neue Belehrung: "Im Kapitalismus hat jeder seine Probleme." Eine bewegende autobiographische Geschichte aus dem Kabinett der Unmenschlichkeit.

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Quelle: ntv.de

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