Und dichten kann er auch noch Mueller-Stahl in seiner eigenen Schreibe
17.12.2010, 08:24 UhrArmin Mueller-Stahl ist der schauspielernde Sänger, der malende Mime, der dichtende Zeichner, der musizierende Autor. "Die Jahre werden schneller" vereint seine Gedichte mit seinen Bildern, die zusammen eine persönliche deutsche Chronik ergeben.
Armin Mueller-Stahl lässt sich nicht auf eine Kunst beschränken. Noch bevor er in der DDR ein Kinostar wurde, in der Bundesrepublik Karriere machte, in Hollywood für den Nebenrollen-Oscar nominiert wurde, mit "Gespräch mit dem Biest" seine erste Regiearbeit vorlegte und im wiedervereinigten Deutschland als Thomas Mann im Dreiteiler "Die Manns" brillierte, studierte er Violine und Musikwissenschaft am Städtischen Konservatorium in Berlin.
Daneben hat Mueller-Stahl mittlerweile nicht nur seine assoziativ gehaltenen Erinnerungen vorgelegt, sondern auch mehrere Romane und Erzählungen veröffentlicht, darunter "Verordneter Sonntag", "Hannah" und "Kettenkarussell". Nicht zuletzt greift er, je weniger er vor die Kamera tritt, immer mehr zum Pinsel. In mehreren Ausstellungen konnte er bereits sein malerisches Talent unter Beweis stellen.
"Ich komme aus dem Nichts"
Zu Mueller-Stahls 80. Geburtstag macht ihm nun der Aufbau-Verlag ein besonderes Geschenk: "Die Jahre werden schneller" versammelt eine Auswahl seiner Gedichte aus den letzten fünf Jahrzehnten und illustriert diese mit fast 70 eigenen Zeichnungen und Bildern. Womit bewiesen ist: Der Mann ist ein Allroundkünstler. Die Gedichte sind teils federleichte Reime auf die Liebe und die Welt, teils bittere Abrechnungen mit dem unmenschlichen System der DDR, ihren Zwängen und Denunzianten.
Die Gedichte sind thematisch geteilt, erst kommen die Herzenssachen, dann die Gaukler, das Auf und Ab (der DDR), der Krieg, die Plagen der Welt und schließlich die letzten Dinge. Vom Innersten ausgehend, beginnend noch im Mutterleib, zieht Mueller-Stahl so seine Kreise, immer weiter und weiter, entdeckt und entzaubert er die Welt, um ganz am Ende wieder bei sich selbst zu landen: "Ich komme aus dem Nichts./Ich gehe in das Nichts./Hab gelernet wegen nichts./Hab gekämpfet wegen nichts./Wurd geschlagen wegen nichts./Wurd gehangen wegen nichts./Bin nun tot, und wieder nichts."
"Ich schlürfe die Zeitung/Und lese den Kaffee"

"Die Jahre werden schneller" erscheint im Aufbau-Verlag, hat 220 Seiten und kostet 24,95 Euro (D). Die Erstauflage kommt mit CD.
Dabei merkt man vor allem, dass Mueller-Stahl die Fähigkeit, zwischen den Zeilen zu schreiben, nicht verlernt hat. So dichtet er 1968, wie er jeden Tag beim Morgenkaffee in der Zeitung "fast das Gleiche" liest – "Bei uns haut die Welt wenigstens hin" –, bis er am Ende resigniert feststellt: "Ich schlürfe die Zeitung/Und lese den Kaffee". Vor allem diese Gedichte über seine Zeit in der DDR, über die bleiernen 60er Jahre, die Biermann-Kontroverse, die Ausreise in den Westen, die spätere Enthüllung seiner Stasi-Spitzel machen den Reiz des Buches aus, sie sind Erinnerung, Anklage und Kommentar, eine persönliche Chronik des anderen Deutschland.
Daneben stehen die Zeichnungen, Bilder und Aquarelle. Sie sind teils auf Gedicht-Manuskripte gemalt und kommentieren so direkt das Geschriebene, verschmelzen mit ihm. Viele Personen sieht man, als Skizze, als Schatten, als Abstraktion. Beklemmende Bilder in dunklen Farben, hintergründig wie die Texte, wechseln sich ab mit farbenfrohen Aquarellen, die mit kräftigem, expressivem Strich gemalt sind.
Erstaunlich ist auch, mit welcher Leichtigkeit Mueller-Stahl mit den Worten spielt. Er braucht keine verquaste Lyrik, um die moderne Welt zu beschreiben. Vielmehr liegt ihm das Liedhafte, das Chanson ist nicht weit. So ist der Erstauflage des Buches eine CD mit vier Songs beigefügt. Es sind Auszüge aus dem eben erschienenen Album "Es gibt Tage", das Mueller-Stahl zusammen mit Günther Fischer und Tobias Morgenstern eingespielt hat. Darunter sind Eigen-, aber auch Fremd-Vertonungen, zum Beispiel von François Villon. Der leise, melancholische Charakter der Lieder, die ruhige Stimme des erfahrenen Mimen machen Lust auf mehr – von dem Schauspieler, Regisseur, Dichter, Musiker und Maler Armin Mueller-Stahl.
Quelle: ntv.de