Teil 1 Santa, Fun And Rock & Roll
07.12.2007, 16:04 UhrWie heißt es doch in dem alten Weihnachtslied: Alle Jahre wieder kommt die Plattenindustrie auf die Idee, dass wir Konsumenten sind. Mit einem schwachen Charakter, einem noch schwächeren Gedächtnis und einem locker sitzenden Portemonnaie. Dann schneit es nur so Reeditionen von Alben, die wir alle längst als Vinyl im Schrank haben. Das heißt, alles haben wir natürlich nicht. Geschickt ködern uns die Firmen mit einem raffinierten Gemisch aus Bekanntem, Seltenem und Unbekanntem. Da man an die beiden letztgenannten Komponenten ohne das Erstgenannte schwerlich herankommt, siegt der schwache Charakter über den gesunden Menschenverstand.
So ist der Titel der Serie "Rock Legends - Classic Hits and Rare Recordings" schon verdammt gut ausgedacht. Wen lockt man schon mit einem "Best Of ...” von Status Quo hinterm Ofen hervor? Aber besagter Zusatz lässt Hoffnungen aufkommen. Und siehe da: Man findet "Paper Plane", eine Single von 1973. Die Überraschung wäre komplett gewesen, hätte es die Flipside "Softer Ride" auch auf die Kompilation geschafft. Da hätte aber noch Butter bei die Fische gekonnt: Wenn es das unüberhörbare "Rockin’ All Over the World", eine Cover-Version aus dem 75er Soloalbum von John Fogerty, dem Frontmann von Creedence Clearwater Revival, auf die CD geschafft hat, warum dann nicht auch das tatsächlich unvergängliche "Pictures Of Matchstick Man", der einzige Hit der Londoner, der es in die Spitzengruppe der US-Charts schaffte. Die Wege der Herren der Platten sind unerforscht.
Frage des Einflusses
Manchmal. Die CD von Velvet Underground mit ihren 15 klassischen Hits und raren Aufnahmen ist da vollständiger. Neben dem Stil prägenden "White Light/White Heat" findet sich eine Liveaufnahme von "Rock And Roll", das als Studioeinspielung 1970 auf der LP "Loaded" erschienen war. Eines erschließt sich dem geneigten Hörer aber auch nach all den Jahren und dem Konsum der CD nicht: Warum gelten die New Yorker mit ihrer morbid-dekadenten Spielweise als eine der einflussreichsten Bands? Es sind wohl manchmal die Kritiker, die etwas schönschreiben. Lassen Sie sich also nicht beeindrucken und machen Sie sich ihr eigenes Velvet-Bild.
Von den bereits erwähnten Creedence Clearwater Revival (CCR) heißt es gemeinhin, sie wären nicht so einflussreich gewesen. Misst man den Einfluss quantitativ an den Plattenverkäufen, ist die Aussage falsch. Aber auch in qualitativer Hinsicht waren die Jungs aus Berkeley/Kalifornien, die übrigens als The Blue Velvets begannen, bedeutsam: Die Leadgitarre von John Fogerty hat es in sich. Nicht immer, aber was der Mann kann, zeigt er – zum Beispiel bei SusieQ, der instrumentalen Albumversion ihrer ersten Single vom Juli 1968. Dazu kommt Fogertys unverwechselbar kehlige Stimme.
Während sich Velvet Underground im Schlamm der New Yorker Großstadtneurotiker wälzten, griffen CCR früh Themen der Arbeitenden auf wie in "The Working Man". Speicherkapazität der CD und der Anspruch, "rare recordings" zu veröffentlichen, setzen Grenzen: So sind zwar Hits wie "Bad Moon Rising", "Proud Mary" oder "Up Around The Bend" dabei, der 71er Singletreffer "Sweet Hitch-Hiker" ist in der auf dem letzten CCR-Langspielwerk "Mardi Gras" von 1972 mit von der Partie. Aber "Green River" oder "Travellin’ Band" fehlen. Schade.
Free unterschätzt
Das ist beim Album von Free etwas anderes. Die 1968 in London gegründete Truppe hatte nur einen richtigen Hit: "All Right Now", der aber auch richtig traf: Der Song war in mehr als 20 Ländern Nummer eins. Free wollten sein und klingen wie Cream, was ihnen aber auch gelang. Schwer zu sagen, woran’s lag, dass sie nicht so erfolgreich waren wie Baker/Bruce/Clapton: Bassist Andy Fraser hatte schon mit 15 (!) gleich Master Eric in John Mayalls Bluesbreakers mitgespielt, die Leadgitarre von Paul Francis Kossoff war nicht weniger virtuos als die des späteren Mr. Slowhand. Paul Rodgers’ Stimme ist vielleicht besser als die von Jack Bruce. "Wishing Well" wurde häufiger nachgespielt als "Sunshine Of Your Love", "Mourning Sad Morning" ist eine Ballade, die an "Stairway To Heaven" von Led Zeppelin heranreicht. Die 16 klassischen Hits und seltenen Aufnahmen von Free legen Zeugnis ab von einer Kapelle, die Besseres verdient hätte.
Also: Santa einen Brief schreiben und dann Fun haben mit dem Rock and Roll von Free. Und CCR und Status Quo und vielleicht auch mit Velvet Underground.
Creedence Clearwater Revival: "16 Classic Hits And Rare Recordings”, CD, Concord Universal
Free: "16 Classic Hits And Rare Recordings”, CD, Island Universal
Status Quo: "18 Classic Hits And Rare Recordings”, CD, Mercury Universal
The Velvet Underground: "15 Classic Hits And Rare Recordings", CD, Polydor Universal
Quelle: ntv.de