Vaughan, Tull und Co. Vom Blues besessen
09.05.2008, 14:52 UhrEs gibt Musiker, die spielen den Blues. Es gibt andere, die sind von der Schwermutsmusik der Afroamerikaner nachgerade besessen. Dazu gehörte der nicht mehr auf dieser Welt weilende Stevie Ray Vaughan. Die CD "Solos, Sessions & Encores steht exemplarisch für einen nur für die Musik lebenden Menschen, der auf der Bühne über sich selbst und seine Vorbilder hinauszuwachsen verstand.
Die Nachlassverwalter haben Aufnahmen herausgesucht, die den Texaner an der Seite von berühmten Kollegen zeigen: Mit Albert King, B. B. King und Paul Butterfield spielt der 1954 in Dallas Geborene die maßgeblich durch Elmore James beeinflusste Nummer "The Sky Is Crying". Mit Lonnie Mack, dem Mann, der es schaffte, Chuck Berrys "Memphis Tennessee", die B-Seite von dessen Hit "Back In The U.S.A.", als Instrumental in die Charts zu bringen, legt er eine atemberaubende Version von dessen "Oreo Cookie Blues" hin.
Viel Surf und ein Flop
Dass Blues auch Surf sein kann - oder bittschön - auch umgekehrt, zeigt Vaughan im Duett mit Dick Tale, einem der unbestritten besten Gitarristen des kalifornischen Strandsounds: Für den Paramount-Film "Back To The Beach" legt er eine Version des - einzigen, dafür aber klassischen - Hits der Chantays aus Santa Ana/California hin, die das Original aus 1962 zwar nicht übertrifft, aber in der atemberaubenden Weise, in der der Titel gespielt wird, alle anderen Coverversionen in den Schatten stellt. Das gilt auch für die Variation der Ventures, denen manch Oberflächling zuschreibt, sie hätten das Stück zuerst aufgenommen.
Ein Flop ist auch dabei: "Let's Dance", 1983 aufgenommen mit David Bowie, dem immer wieder Epoche machende Stücke angedichtet werden. Die Aufforderung zum Tanz gehört mit Sicherheit nicht dazu. Die zeitgleich zu den "Solos, ..." erschienene DVD führt die Besessenheit des Guitarrero jenem, der's bei der CD noch nicht geschnallt hat, auch visuell vor Augen. Liveaufnahmen, Clips und Werbespots für Platten zeigen einen Mann, der die Musik über alles geht. Aggressiv, vielleicht ein bisschen zu aggressiv. Aber überzeugend. Wie sehr, zeigt, dass Stevie Wonder in Vaughans Coverversion seines Hits "Superstition" im Video auftaucht.
Form von Antirassismus
Dass Weiße wie Stevie Ray Vaughan schwarze Musik spielen und sich völlig mit ihr identifizieren, ist sicher auch eine spezifische Form von Antirassismus. Ob nun bewusst oder unbewusst. Dazu gehören auch Ten Years After. Als Alvin Lee mit der Band 1969 beim legendären Woodstock Festival auftrat und die Gruppe damit als international respektierten Act etablierte, stand sein Gitarrespiel dem sagenumwobenen Auftritt von Jimi Hendrix nur wenig nach.
Die Briten verstanden es, sich an der Wende von den 60er zu den 70er Jahren zu einer der führenden Bands des Genres hochzuspielen. Darin besteht ihre Größe und ... ihre Tragik. Während die Rolling Stones zur Popband wurden, blieben die Jungs ihren Überzeugungen treu. Albert Lee ging dann eigene Wege, ohne seine Gitarre waren Ten Years After aber nicht mehr das, was sie einmal waren. Die vorliegende Scheibe war als CD bislang nur als kostenintensiver Import aus Japan erhältlich, nun ist das Ganze etwas preiswerter. Leider ist "Watt" etwas lieblos ediert, so fehlen die bei Neuauflagen dieser Art zu einer Art Axiom gewordenen Bonustracks. Wer aber wissen will, wie dereinst British Blues der Extraklasse klang, für den ist "Watt" gleichwohl ein Muss.
Revolution in der britischen Rockrevolution
Bonustracks im Überfluss hat's bei der Neuauflage von Jethro Tulls erstem Album. "This Was". So gibt es neben der Monoversion die entsprechende Stereobearbeitung, Aufnahme aus John Peels selig berühmter BBC-Show "Top Gear". Der wie ein irrsinniger Derwisch herumhüpfende Mann mit seiner Querflöte schlug 1968 derart ein, dass ihn die Rolling Stones mit "A Song For Jeffrey" neben etablierten Größen wie John Lennon, Eric Clapton und den Who in ihrem Film "The Rolling Stones Rock and Roll Circus" auftreten ließen. Ian Anderson und Jethro Tull probten damals eine Symbiose von traditioneller englischer Musik und US-amerikanischem Blues. "This Was" spiegelt die Suche nach einem eigenen Stil wider. Die Platte zeigt trotzdem schon die hohe Spielkunst von Anderson & Co.
Im Unterschied zu Ten Years After schafften Jethro Tull allerdings den Sprung vom mehr oder weniger herkömmlichen Blues zu neuen Ufern. Das erklärt vielleicht das unterschiedliche Herangehen der Plattenfirma an die Neuauflagen. Sage und schreibe vierzig Jahre ist es her, dass "This Was" auf den Markt kam. Eine kleine Revolution in der britischen Rockrevolution. This was ... good music. Vorbei, kommt so nie wieder. "Once upon a time fangen die Märchen im Englischen an, "es war einmal. Vielleicht ein netter Titel für eine Gesamtneuausgabe von Tull. Verdient hätten sie's. Mit "This Was" ist jedenfalls der Anfang gemacht.
Jethro Tull: "This Was, 2CD, Crysalis, EMI
Ten Years After: "Watt, CD, Chrysalis, EMI
Stevie Ray Vaughan & Friends: Solos, Sessions & Encores, CD, Legacy Sony BMG
Stevie Ray Vaughan and Double Trouble: "Pride And Joy, DVD, Legacy Epic Sony BMG
Quelle: ntv.de