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"Weck sie auf, mach ihr Kaffee" Wenn ein Kind seine Mutter verliert

Massimo ist neun Jahre alt, als seine Mutter stirbt. Dass sie niemals wiederkommen wird, kann er nicht akzeptieren. Noch als junger Mann erfindet er seine ganz eigene Wahrheit - bis er das Geheimnis um den Tod der Mutter lösen kann.

Am Morgen des Silvestertages 1969 wird Massimo von einem markerschütternden Schrei geweckt. Auf seinem Bett liegt der Morgenmantel seiner Mutter, im Flur steht sein Vater, gestützt von zwei ungekannten Männern, und schlägt um sich. Schnell wird der Junge zu Nachbarn gebracht. Die erzählen ihm, die Mutter sei "Besorgungen machen" und der Vater hätte "Kopfweh gehabt". Keiner traut sich ihm zu sagen, was wirklich passiert ist.

Das Buch ist bei Piper erschienen, hat 208 Seiten und kostet 16,99 Euro.

Das Buch ist bei Piper erschienen, hat 208 Seiten und kostet 16,99 Euro.

Denn wie sagt man einem Neunjährigen, dass seine Mutter gestorben ist? Schließlich versucht es der Pfarrer. Aber mit dessen Erklärung, dass die Mutter jetzt ihre ewige Ruhe gefunden hätte, gibt sich Massimo nicht zufrieden. Er hat nur einen Wunsch: "Weck sie auf, mach ihr einen Kaffee und schick sie sofort wieder hierher."

Der Junge kann einfach nicht verstehen, warum seine Mutter nicht mehr da ist. Hat er etwas falsch gemacht? Ist sie gegangen, weil sie ihn nicht mehr lieb hat? Fragen über Fragen. Aber keine einzige Antwort. Also erfindet Massimo seine eigene Wahrheit. Er ist fest überzeugt, dass seine Mutter wiederkommen wird. Jahrelang erzählt er allen, sie lebe in den USA und leite dort ein internationales Kosmetikunternehmen.

Um die Zeit bis zu ihrer Wiederkehr zu überbrücken, hält der Junge Ausschau nach einer Ersatzmama. Aber da ist niemand, keine Großmutter, keine Tante. Nur das Kindermädchen mit Mundgeruch. Die einzige Option, die Lehrerin mit dem großen Herzen, wird nach der Grundschulzeit durch den zu Handgreiflichkeiten neigenden Pater Schädel ersetzt.

Aus Mangel an einer weiblichen Alternative hält Massimo sich an seinen Vater. Zumindest möchte er das gerne. Aber der Vater ist ein sehr distanzierter Mann, zärtliche Gesten sind ihm fremd, und tröstende Worte liegen ihm nicht, die Mutter ist ein Tabuthema. Und so finden die beiden, obwohl sie den tiefen Schmerz über den Verlust teilen, nicht zueinander. Nur ein gemeinsames Interesse bringt sie einander näher: die Spiele des Turiner Fußballklubs Toro.

Angst vor dem Leben

Ohne den wichtigsten Halt im Leben eines Kindes, die Liebe der Mutter, wächst Massimo heran, das Gefühl der Verlassenheit und der Hilflosigkeit lässt ihn nie los. Er hat große Angst vor der Erde, weswegen er wie ein Elf auf Zehenspitzen geht, aber auch vor dem Himmel, also läuft er mit gesenktem Blick. Aber das alles sind nur sichtbare Zeichen seiner größten Angst: der vor dem Leben.

Und so stolpert Massimo von der Schule und in die Uni. Er wählt mit Jura das falsche Studienfach und verliebt sich ständig in die falschen Frauen. Immer wieder sucht er nach Wegen, den Tod der Mutter begreifen zu können. Er versucht, sich mithilfe seiner rudimentären Kenntnisse in Psychoanalyse selbst zu verstehen - ohne Erfolg. Und die buddhistischen Meditationen können zwar die Parkplatzprobleme eines anderen Teilnehmers lösen, ihn aber nicht von seinem Trauma befreien.

Massimo Gramellini.

Massimo Gramellini.

(Foto: Mauro Vallinotto)

Erst 40 Jahre nach dem Tod der Mutter erfährt Massimo, was in der Winternacht, die sein Leben veränderte, wirklich geschah. An der Seite seiner Frau Elisa schafft er es, sich dem Schmerz zu stellen.

Mit Leichtigkeit und Ironie

Massimo Gramellini hat ein anrührendes Buch über Verlust, Verdrängung und Einsamkeit geschrieben, das in Italien über ein Jahr lang an der Spitze der Bestsellerliste stand. Die Namensgleichheit des Autors mit dem Protagonisten seines Buches ist dabei kein Zufall: Gramellini verlor mit neun Jahren unter tragischen Umständen seine Mutter. Es sind seine eigenen Erfahrungen als Halbwaise, die dem Roman "Träum was Schönes" als Basis dienen.

Vielleicht gelingt es ihm deswegen, niemals einen sentimentalen Ton anzuschlagen. Gramellini, der als Sportreporter und Kriegsberichterstatter unterwegs war und heute als Vizechef bei der Tageszeitung "La Stampa" arbeitet, wählt zarte Worte und eine sehr pointierte Sprache. Und er streut eine große Portion Ironie ein, die eine unendliche Traurigkeit sichtbar werden lässt und der Erzählung dieser ganz persönlichen Katastrophe gleichzeitig Leichtigkeit verleiht.

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Quelle: ntv.de

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