Bücher

US-amerikanisches Kooperationsverhalten Wie mächtig ist der mächtigste Staat?

Die weltweit mit großer Vehemenz vorgetragene Ablehnung der amerikanischen Invasion im Irak war der – vorläufige – Höhepunkt eines im Laufe der 90er Jahre stetig wachsenden Unbehagens an der US-Außenpolitik. Im Mittelpunkt der Kritik steht dabei vor allem die Einschätzung, dass das Land einzig und allein seine eng definierten nationalen Interessen zum absoluten Maßstab außenpolitischen Handelns erhebt und auf die Interessen und Wünsche anderer Staaten, seien sie Rivalen oder auch Verbündete, keinerlei Rücksicht zu nehmen bereit ist. Mehr noch: Diese eigenmächtige (unilaterale) Vorgehensweise, die sich zuvorderst in der apodiktischen Ablehnung jedweder internationaler Kooperationsabsprachen manifestiere, wird wahlweise als das Produkt kommerzieller Kalküle einflussreicher Lobbies oder als die logische Folge einer aus einem christlichen Fundamentalismus resultierenden ideologischen Borniertheit gedeutet.

Antriebskräfte und Erfolgsaussichten

Nun hat die Bush-Administration in der Tat keine Gelegenheit ausgelassen, internationale Kooperationsvorhaben systematisch zu torpedieren, potenziellen Gegner unverhohlen zu drohen und Verbündete schroff zu brüskieren. Allerdings verstellen diese etwas machohaften Attacken auf die Usancen internationaler Politik den Blick auf die Antriebskräfte und Erfolgsaussichten unilateraler außenpolitischer Strategien. Eine außergewöhnlich kompakte und detailreiche Studie über US-amerikanisches Kooperationsverhalten hat nun Danko Knothe unter dem Titel "Macht und Möglichkeit" vorgelegt. Ihm geht es in erster Linie darum aufzuzeigen, dass Unilateralismus mehr ist als eine bloße Devianz von internationalen Normen. Aus einer Dissertation entstanden, stehen die neben Sicherheitsfragen zwei wohl wichtigsten Bereiche im Fokus: Handel und Umwelt. Der Titel kommt dabei nicht von ungefähr, denn auch die mächtigste Nation kann nicht nach Gutdünken schalten und walten, sondern hat den überaus komplexen weltpolitischen und weltwirtschaftlichen Verflechtungen Rechnung zu tragen.

Machtressourcen sind nicht gleich Macht

Ausgehend von der Prämisse, dass Machtressourcen nicht gleichbedeutend sind mit Macht, verstanden als Fähigkeit zur Durchsetzung von Interessen, unternimmt Knothe den Versuch, das Phänomen Unilateralismus analytisch zu durchdringen. Für unerlässlich hält er es dabei, eine Differenzierung verschiedener Handlungsebenen vorzunehmen: Während im engeren sicherheitspolitischen Bereich noch von einer veritablen amerikanischen Überlegenheit ausgegangen werden kann, kommt den USA auf der weltwirtschaftlichen Ebene allenfalls noch die Stellung eines Primus inter Pares zu. Nur sehr geringe Einflussmöglichkeiten besitzt das Land indes auf der Ebene der sog. Weltprobleme wie Klima, Migration, Kriminalität etc. Im Gegensatz zu vielen Analysten, die den Vereinigten Staaten eine quasi-imperiale Rolle attestieren, spricht Knothe konsequenterweise von einer "unechten Hegemonie".

Kooperation durch Abhängigkeit

Für den Autor liegt es auf der Hand, dass in diesen drei Bereichen eine unterschiedlich stark ausgeprägte Neigung zur Kooperation anzutreffen ist. Für ihn sind es der Grad der Abhängigkeit, das Vorhandensein stabiler institutioneller Strukturen und die Existenz anderer handlungsfähiger Akteure, die kooperatives Verhalten befördern. Da der Handlungsspielraum auf der militärischen Ebene noch am größten ist, verwundert es nicht, dass hier die unilaterale Versuchung besonders stark ist. Der Fall Irak hat jedoch gezeigt, dass man zwar Kampagnen in Eigenregie starten kann, aber nicht über die Mittel verfügt, gewünschte Ergebnisse zu erzwingen, sodass man im Endeffekt dennoch auf multilaterale Hilfe angewiesen ist.

Auf der ökonomischen Ebene ist der Zwang zur Kooperation hingegen von vornherein ungleich höher, da ein Ignorieren der tiefen wechselseitigen Abhängigkeiten unmittelbar spürbare Folgen haben würde. Zudem stehen den USA andere potente Akteure (EU) gegenüber, die ihren Interessen über belastbare internationale Institutionen effektiv adressieren können. Auf der Ebene der Weltprobleme sind die Folgen zwar nicht geringer, sie stellen sich aber nicht unmittelbar ein und haben eher diffusen Charakter. Belastbare institutionelle Strukturen sind angesichts massiver Interessensdivergenzen die Ausnahme. Hier ist der unilaterale Impuls folglich wieder stärker ausgeprägt, wobei man sich freilich höchstens unliebsamen Kooperationsbemühungen verweigern, diese maximal blockieren, aber im Ergebnis kaum verhindern kann. Die Mechanismen auf Ebene zwei und drei werden in den Fallstudien zur US-Handelspolitik und US-Klimaschutzpolitik in extenso offen gelegt, wobei die Welthandelsorganisation (WTO) als Beispiel für ein effektives Verhandlungsforum, das Kyoto-Protokoll hingegen als ein Steuerungsinstrument mit geringer Verpflichtungskraft angeführt wird.

Kooperation als Regelfall

All diese Punkte lassen die Einschätzung des Autors, dass regelgeleitete Kooperation das dominante Prozessmuster der US-Außenpolitik ist, als plausibel erscheinen. Dem entspricht auch, dass das Land Mitglied fast aller wichtigen Organisationen und Abkommen und dort in der Regel auch der größte Beitragszahler ist. Allerdings wird Kooperation nicht zum Selbstzweck, sondern steht unter permanenten Vorbehalt und hat einen Ertrag zu erbringen. Gelingt dies, kann der Unilateralismus, so Knothe, gezähmt und schließlich "eingebettet" werden. Jedoch scheint die Erkenntnis über die Grenzen amerikanischer Machtentfaltung bei einer Reihe von innenpolitischen Akteuren, die über den Kongress bedeutende außenpolitische Kompetenzen besitzen, noch nicht vollends angekommen zu sein.

Die Erfahrung, dass amerikanische Alleingänge selbst in dem Bereich, wo der formale Spielraum noch am größten ist, selten ihr Ziel erreichen, dürfte aber la lounge diesbezügliche Lernprozesse anstoßen. Da die Erfolgsaussichten des US-Unilateralismus also deutlich geringer ausfallen als gemeinhin angenommen, kann auch die eingangs erwähnte Kritik an Alleingängen ein Stück weit relativiert werden. Der vorliegenden Studie ist es gelungen, den Maßstab zurechtzurücken. Sie bietet nachvollziehbare Kriterien, anhand derer die US-Außenpolitik angemessen beurteilt werden kann.

Daniel Müller

Danko Knothe, Macht und Möglichkeit. Eingebetteter Unilateralismus in der Handels- und Klimaschutzpolitik der USA, LIT Verlag, Berlin 2007, 391 Seiten, 34,90 Euro

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen