Japans Star-Regisseur wird 60 "... , der alles aufsaugt"
18.01.2008, 18:14 UhrSein Witz ist beißend, seine Filme sind oft brutal. Das Komische und Ernste sind für ihn wie ein Lebenspendel. "Meine Psyche braucht stets diese beiden Extreme. Sonst fehlt mir die Energie", sagte Takeshi Kitano einmal. Der Regisseur, Komödiant, Schauspieler, Dichter, Maler, Autor, Fernseh- und Radiomoderator ist eine der schillerndsten Persönlichkeiten Japans. Das international gefeierte Multitalent, das am 18. Januar 60 Jahre alt wird, ist so vielseitig und vielschichtig, dass es in keine Schublade passt. "Die produktivste gespaltene Persönlichkeit der Welt", wie die "New York Times" einmal schrieb.
Im Westen ist Kitano vor allem als Regisseur und Schauspieler bekannt, seine wortarmen und blutigen Gangsterfilme wie "Violent Cop" oder "Sonatine" sind längst Kult. In Japan kennt man ihn dagegen weiterhin eher als TV-Moderator und -komiker, obgleich er seit 1989 bereits 13 Filme gedreht hat. Erster Höhepunkt seiner Filmkarriere wurde "Hana-Bi", für den er 1997 den "Goldenen Löwen" bei den Filmfestspielen in Venedig gewann. Auch der Samurai-Film "Zatoichi" von 2003 wurde in Venedig gefeiert und prämiert. Bekannt wurde er in Deutschland zuvor bereits mit der chaotischen Gameshow "Takeshi's Castle", die bis Anfang der 90er in Japans Fernsehen gelaufen war.
Kitano wuchs als jüngstes von vier Kindern in einem Arbeitervorort von Tokio auf. Sein trinkender Vater arbeitete als Wandmaler und soll zuvor Mitglied der Yakuza, der japanischen Mafia, gewesen sein. Seine Mutter sorgte dafür, dass Takeshi es bis zur Universität schaffte. Doch nach seiner Beteiligung an Studentenprotesten brach er sein Ingenieurstudium ab und begann seine Karriere in den 70ern nach etlichen Gelegenheitsjobs als Komiker. Mit Kiyoshi Kaneko gründete er das für rasante und respektlose Auftritte bekanntgewordene Komiker- Duo "The Two Beats", woher sein Künstlername "Beat Takeshi" stammt.
Hyperaktiver Kulturmensch
Das hyperaktive Multitalent wurde einer der beliebtesten TV- Komiker Japans und ein Superstar des japanischen Fernsehens mit täglicher Bildschirmpräsenz in unzähligen Shows. Er selbst bezeichnete sich einmal als "Schwamm, der alles aufsaugt". Noch heute ist Kitano aktiv im TV-Geschäft, allerdings nicht mehr als Klamauk-Komiker, sondern als Showmaster und Moderator ernsterer Sendungen zu Gesellschaft und Wissenschaft. Seit seinem Erfolg als Filmregisseur betrachtet man ihn auch in Japan eher als "Bunka Jin", Kulturmensch.
1989 hatte Kitano seine erste Regiearbeit mit "Violent Cop" übernommen, gefolgt von weiteren Yakuza-Filmen. Es geht um den Bruch, der sich durch Japans Gesellschaft zieht, um Ehre, Freundschaft, Rache, Verrat und Wertezerfall. Für Kitano ist die Yakuza ein Mikrokosmos in der Gesellschaft Japans. In seinen langen, statischen Einstellungen explodiert die Gewalt aus der Stille heraus, roh, subtil. Er will sie aber nicht wie in Actionfilmen als Unterhaltung darstellen, sondern lediglich als das, was sie ist, nackte Gewalt.
Werke ohne Botschaft
Nach einem schweren Mopedunfall schwebte Kitano 1994 in Lebensgefahr. Seither ist seine rechte Gesichtshälfte teils gelähmt. Seit 2005 ist Kitano, der unlängst in Cannes zu einem der 35 besten Regisseure der Welt gewählt wurde und der in seinem jüngsten Streifen "Kantoku Banzai" sich selber als Regisseur spielt, neben der Film- und Fernseharbeit auch als Dozent einer Kunstuniversität in Tokio tätig. Zudem hat Kitano bereits viele Bücher veröffentlicht.
In einem seiner neuen Bücher, "Ikiru" (Leben), erzählt er über seine Ansichten über Leben, Tod und Kunst. Trotz seiner international gelobten Meisterwerke ist Kitano, der auch das Ansehen des einstigen Großmeisters des japanischen Films, Akira Kurosawa, genoss, ein bescheidener und geradezu schüchterner Mann geblieben, wie die japanische Tageszeitung "Mainichi Shimbun" aus Anlass seines 60. Geburtstages schrieb. Für Kitano, der stille Filme mag und es dem Publikum überlassen will, die Bilder auch ohne Dialog zu verstehen, gibt es in seinen Werken keine Botschaft. "Mit einer Botschaft ist es keine Kunst mehr", erzählte Kitano der Zeitung. Man würde ja auch einen Picasso nicht fragen: "Warum haben Sie dieses Bild gemalt?".
Von Lars Nicolaysen, dpa
Quelle: ntv.de