Ein Krieg der Welten "Warriors Of The Rainbow"
08.04.2013, 07:16 Uhr
Lin Ching-Tai als Mona liefert mit Abstand die beste schauspielerische Leistung.
Jahrhunderte zivilisiert Europa die Welt. Das klappt so gut, dass ganze Völker ihre alte Identität über Bord werfen und sich mit der neuen aufmachen, das gebrachte Heil weiterzutragen. So auch Ende des 19. Jahrhunderts, als Japan das kleine Taiwan unterwirft. Doch die Stämme begehren auf.
Krieger jagen durch den Wald - barfuß. Ihr Ziel ist ein Wildschwein. Allen voran Mona, der Sohn des Häuptlings der Seediq Bale. Ein stolzer Krieger mit langen schwarzen Haaren, der weder Gnade gegenüber dem Wild noch den Kriegern anderer Stämme kennt. Wenn er aufbricht, werden Blutopfer gebracht. Wer mit dem Kopf des Gegners heimkehrt, wird in den Stammeshierarchien aufsteigen. Es ist ein wildes, ein archaisches Leben, das die Seediq Bale führen. Die Bilder sprechen eine gewaltige Sprache, und würde man es nicht besser wissen, könnte man annehmen, dass hier die Fortsetzung des "Letzten Mohikaners" läuft. Aber der Zuschauer befindet sich nicht im Land der Indianer, sondern in Taiwan.
Zivilisation als Heilsbringung
Wir schreiben das Jahr 1895. Der erste chinesisch-japanische Krieg ist beendet. Das kleine Land, das reich an Wald und Bodenschätzen ist, wird Japan zugeschlagen und gerät unter ein barbarisches Diktat. In zweierlei Hinsicht: Zum einen wird die Knute eines Herrenvolks über ihnen geschwungen, zum anderen vollziehen die Japaner an den Ureinwohnern Taiwans einen Prozess, dem sie selbst vor nicht allzu langer Zeit unterlegen waren. Wer sich auf den Film über die Regenbogenkrieger einstimmen möchte, sollte sich zuvor "Last Samurai" ansehen. Hier verlieren die Japaner ihren Stolz und ihre Tradition, um sich dann dem Glauben zu unterwerfen, dass in den technischen Neuerungen der Europäer das Heil liegt.
Genau das ist es, was die Japaner nach Taiwan bringen: Schulen, Postämter und Hotels. Errungenschaften, die in der Interpretation der Europäer und später auch der Japaner die Grundfesten der Zivilisation sind. Aber um diese Zivilisation weiterzutragen, müssen andere Völker unterworfen werden. Ihre Art zu leben muss zerstört, ihr Wille gebrochen werden, damit dass scheinbar bessere Neue seinen Platz einnehmen kann. Um diesen Prozess zu vollziehen, helfen andere zivilisatorische Highlights: Massenvernichtungswaffen.
50 Tage des Kampfes
Zwanzig Jahre gehen ins Land. Mona ist immer noch ein stolzer Krieger. Seine Jugend ist der Weisheit gewichen. Sein Mut der Schlauheit. Doch die Seediq Bale leben in Reservaten, die nachgewachsene Generation begehrt auf. Sie wollen die Tätowierungen der Krieger tragen, sie wollen sich aus den Klauen des Feindes befreien und wieder in ihre Jagdgründe zurückkehren. So leben, wie es die Geschichten ihrer Väter beschreiben.
Häuptling Mona gerät unter Druck. Er weiß, dass ein Kampf aussichtslos ist. Er weiß, dass die Seediq Bale mit ihrem Leben bezahlen werden. Aber er weiß auch, dass nur die Krieger, die im Kampf sterben, über die Regenbogenbrücke zu den Vorfahren gehen dürfen. Am 27 . Oktober 1930 erheben sich 1236 Männer aus sechs Stämmen der Seediq Bale zu einem Aufstand gegen die Japaner. Nach 50 Tagen des Kampfes überleben weniger als 300. Die, die am Leben bleiben, werden an den Paikang Fluss umgesiedelt, wo die Japaner sie besser überwachen können. Bis heute sind die Seediq nicht in ihr angestammtes Gebiet zurückgekehrt.
Ein Epos mit feinen Zügen
Lin Ching-Tai in der Rolle des alten Mona spielt beeindruckend. Sein Charisma lässt über schlechte Spezialeffekte und die etwas hölzerne Spielweise der anderen Protagonisten gut und gerne hinwegsehen. Mona stellt sich die immer wieder aufkeimende Frage, ob es besser ist, in der Unterjochung zu leben oder aufrecht zu sterben. Der Film entwickelt, vielleicht gerade, weil die Protagonisten nicht mit der geschulten Glattheit angloamerikanischer Darsteller über die Leinwand fegen, eine ganz eigene Qualität.
Genau aus diesem Grund lässt sich auch der emotionale Tiefgang nicht beschreiben, wenn sich dutzende Mütter der Seediq Bale vor den Augen ihrer Söhne das Leben nehmen, damit sie in die Schlacht ziehen, um Männer zu werden und das Land von der Tyrannei zu befreien. Bewegende Szenen, die diesen Film zu einem Epos machen, der den mutmaßlichen zivilisatorischen Wandel, wie ihn die erste Welt seit Jahrhunderten über die Kontinente trägt, erneut infrage stellt. Eine Frage, die man sicher auch Jugendlichen stellen kann. Doch der Film ist ab 18. Auch das hat seinen guten Grund: Die Kampfszenen sind sehr explizit und vielleicht sollte die Frage, ob man lieber stehend stirbt oder auf den Knien durchs Leben geht, erst beantwortet werden, wenn man auf Grund der eigenen Erfahrungen eine Vorstellung hat, was das bedeuten könnte.
Quelle: ntv.de