Es geht ums blanke Überleben Die Streif - One Hell of a Ride
15.01.2015, 13:10 Uhr
Das Gefühl, zu fliegen - das kennen nicht nur Profi-Skifahrer. Hoffen wir mal, dass dieses Jahr nichts passiert!
(Foto: Pressefoto "Streif - One Hell of a Ride")
Der Klammer, Franz würde die Streif "nie, nie wieder" runterfahren, "das sollen andere Deppen machen!" Dass es davon jedes Jahr auf's Neue immer wieder genug gibt, zeigt der Film von Gerald Salmina. Und wer da oben einmal gestanden hat, weiß, was Franz Klammer meint.
Die Weltcup-Abfahrt der Skirennfahrer in Kitzbühel ist eine Legende für sich, die Sieger machen sich in Wintersportkreisen für immer einen Namen. Kaum eine Alpin-Strecke erfordert so viel Mut, fahrerisches Können und Kompromisslosigkeit. "Auf der Streif geht es ums blanke Überleben", behauptet Norwegens Olympiasieger Aksel Lund Svindal, einer der besten Athleten in den schnellen Disziplinen.
Stoff genug für einen Film, dachten sich Regisseur Gerald Salmina und seine Mitstreiter, packten ihre Kameras ein und fuhren nach Kitzbühel. Zurück kamen sie mit Bildern, die die Zuschauer tatsächlich in Atem halten. Pünktlich vor dem diesjährigen Weltcup-Stopp vom 23. bis 25. Januar startet die Dokumentation "Streif - One Hell of a Ride" auch in den deutschen Kinos. In Österreich ist der Streifen bereits ein Publikumserfolg.
115 Minuten lang werden die beeindruckendsten Fahrten und die schwersten Stürze der vergangenen Jahrzehnte ebenso gezeigt wie der emotionale Nachtslalom-Sieg von Felix Neureuther vergangenes Jahr. Im Mittelpunkt aber steht der Höhepunkt der Hahnenkammrennen selbst: die Abfahrt, die international ihresgleichen sucht. "Kitzbühel ist einfach brutal, die herausforderndste Abfahrt überhaupt", sagt Olympiasieger und Abfahrts-Weltmeister Franz Klammer. Aber eben auch: "Da würde ich nie, nie wieder runterfahren, das sollen mal andere Deppen machen!" In den siebziger und achtziger Jahren gewann der Österreicher viermal auf der Streif, besser ist nur der inzwischen ebenfalls zurückgetretene Schweizer Didier Cuche mit fünf Siegen.
Jeder Sturz in Zeitlupe
Der 40-Jährige tritt im Film als Erzähler in Erscheinung, liefert Anekdoten und berichtet über seine Angst, als er das erste Mal in Kitzbühel am Start stand. Der Streif-Streifen raubt Nerven, weil er beinahe jeden schweren Sturz auf der Streif zeigt, in Echtzeit, in Zeitlupe, aus den verschiedensten Perspektiven. Fast der halbe Film dreht sich um schwerste Verletzungen, um die latente Gefahr, um die Sorgen. Allein in der jüngsten Vergangenheit stürzten der Schweizer Daniel Albrecht (2009) und Hans Grugger (2011) aus Österreich so unglücklich, dass beide Schädel-Hirn-Traumata erlitten und die Ärzte um das Leben der Topfahrer kämpfen mussten.
Szenen von damals aus dem Krankenhaus werden nachgestellt, überhaupt ist der drohende Tod auf der Streif der makabre Hauptspannungsbogen des Films. "Ich bin froh, dass mich die Streif am Leben gelassen hat", sagt Grugger aufgeregt in die Kamera. Albrecht berichtet aufgewühlt: "Ich hätte sterben können."
Gladiatoren statt Sportler
Salminas Dokumentation lebt von der Dramatisierung, mitunter auch von der Übertreibung. Und von ausgeprägtem Product-Placement: Mehrere Athleten, darunter Svindal und Gesamtweltcupsieger Marcel Hirscher aus Österreich, fahren in der ersten Hälfte des Films in Red-Bull-Rennautos um die Wette. Was zweifellos auch damit zusammenhängen dürfte, dass der Energy-Drink-Hersteller aus Österreich den Film mitfinanziert hat. Ein anderes Mal fährt Hirscher in einer Limousine mit hoher Geschwindigkeit von A nach B, das Logo des Autoherstellers steht mehrmals im Fokus der Kamera.
Die Geschichte des Films handelt weniger von Sportlern. Eher von modernen Gladiatoren, die voller Adrenalin in eine Art Krieg ziehen, um ein Streckengefälle von bis zu 85 Prozent bei Geschwindigkeiten von über 140 Kilometern je Stunde zu überstehen, um gegen die Natur zu bestehen. Salmina inszeniert den Film als wahres Heldenepos. Unterlegt wird das Ganze mit packender Filmmusik; bombastische Landschaftsbilder und schnelle Schnitte reißen den Zuschauer mit. "Streif - One Hell of a Ride" ist eine Darbietung der besonderen Art, die für Nicht-Skifahrer vielleicht manchmal das rechte Maß vermissen lässt. Für jeden, der selbst mal da oben oder an der Strecke stand, ist der Film sicher eine Inspiration und eine Dokumentation dessen, was geht - und was nicht.
Quelle: ntv.de, Michael Brehme, dpa