Kino

"The Guard" mit Brendan Gleeson Ein Ire sieht schwarz

Rassistischer Trinker mit einer Schwäche für Huren und einem großen Herzen: Sergeant Boyle.

Rassistischer Trinker mit einer Schwäche für Huren und einem großen Herzen: Sergeant Boyle.

Einem kauzigen, irischen Dorfbullen wird in einem Drogenfall ein eleganter, schwarzer FBI-Agent zur Seite gestellt. Tausendmal gesehen? Mitnichten. Denn das ist nicht Hollywood, das ist Irland. Und das macht "The Guard" zum witzigsten und originellsten "Buddy-Cop-Film" überhaupt.

Boyle kennt alle in Connemara - ob tot oder lebendig.

Boyle kennt alle in Connemara - ob tot oder lebendig.

"Das wird deiner Mommy nicht gefallen." Müssen die zugedröhnten Jugendlichen ausgerechnet während seiner Dienstzeit mit dem Auto gegen den Baum knallen? Da bleibt Sergeant Boyle nur, schnell die Drogen aus den Hosentaschen der Verunglückten wegzuwerfen. Na gut, eine Tablette kann man ja noch kosten. Gerry Boyle (Brendan Gleeson) ist Polizist in Connemara, einem kleinen Nest an der irischen Westküste, wo ihn alle kennen - und er sie. Seinem Beruf geht er mit zynischem Realismus nach, für etwaigen Enthusiasmus hat er schon zu viel gesehen: Drogen, Waffendeals mit der IRA, das alles entlockt ihm höchstens noch ein Zucken mit der Augenbraue, bevor er sich fluchend an die Arbeit macht. "Ihr konntet mich nicht einfach in Ruhe lassen, oder?" ist die Frage, die er am dringendsten klären muss. Besonders, wenn geheimnisvolle Tote in Ferienwohnungen gefunden werden.

Und dann bahnt sich vor seiner Küste auch noch ein millionenschwerer Drogendeal an. Ausgerechnet Boyle, dem "einfachen Landknecht", für den schon Dubliner Kollegen Großstadtfuzzies sind, wird nun wegen der heißen Fracht FBI-Agent Wendell Everett zur Seite gestellt. Da kann sich Boyle nicht mehr beherrschen: Ein Schwarzer als Polizist? Sind das nicht alles selbst Drogendealer? Und was soll der ganze Zirkus der Krawattenträger mit Fahndungsfotos und Landkarten, wo er ihnen doch schon den ersten Verdächtigen auf dem Silbertablett oder vielmehr im Leichenschauhaus präsentieren kann? Denn der Tote aus der Ferienwohnung ist einer der Drogendealer.

"Ich bin Ire, Rassismus ist Teil meiner Kultur".

"Ich bin Ire, Rassismus ist Teil meiner Kultur".

Bei so viel Unvermögen nimmt man sich am besten erst einmal einen wohlverdienten freien Tag für die pikanten Hobbys und lässt den FBI-Schnösel alleine zurechtkommen. Everett findet bei seinen Ermittlungen schnell heraus, dass selbst die Pferde auf der Koppel kooperativer sind als die misstrauischen Bewohner von Connemara. Er sei hier in Irland – wenn er verstanden werden wolle, müsse er schon nach England fahren, wird ihm unmissverständlich bedeutet. Als Everett und Boyle sich schließlich notgedrungen zusammenraufen, kommen sie der Lösung des Falls deutlich näher. Denn Boyle entpuppt sich als letzte moralische Instanz der örtlichen Polizei und Everett als loyaler Kollege, der auch Rückendeckung gibt, wenn nötig. Und der immerhin Erfahrung mit Schussverletzungen hat. Ja, sie tun tatsächlich weh.

Trockener Humor statt Schenkelklopfer

"Buddy Cop"-Filme, wo zwei unterschiedliche Männer auf Verbrecherjagd gehen, gibt es zuhauf – ob "Starsky & Hutch" oder die "Lethal Weapon"-Serie mit Mel Gibson und Danny Glover. Meistens muss ein weißer Polizist mit einem schwarzen Detektiv zusammenarbeiten, aber immer treffen Welten aufeinander. Doch "The Guard" ist anders – mehr Irland, weniger Hollywood. Mehr durchaus zünftiger, aber trockener Humor, weniger billige Schenkelklopfer.

Grandioser Filmspaß.

Grandioser Filmspaß.

Brendan Gleeson, hierzulande vor allem bekannt für seine Rolle als "Mad-Eye Moody" in der "Harry Potter"-Saga, schafft einen Sergeant Boyle, der einem trotz oder gerade wegen seiner Schwächen ans Herz wächst. Jeder derbe, politisch unkorrekte Spruch, einfach jede "verfickte Scheiße" wird Boyle sofort verziehen. Schon alleine für die liebevolle Art, mit der er sich um seine sterbende Mutter kümmert. "Wie bei den meisten Zynikern steckt irgendwo in ihm ein Idealist", sagte der Schauspieler Gleeson über Sergeant Boyle. "Er ist ziemlich pingelig, was das Thema Integrität angeht, gleichzeitig achtet er aber nicht pedantisch auf das Gesetz, wenn es für ihn keinen Sinn ergibt. Das ist für einen Gesetzeshüter doch ein wenig unvorteilhaft."

Das perfekte Gegenstück zum Knautschgesicht Gleeson ist der elegante Don Cheadle. Je ungehobelter Gleeson, desto eloquenter Cheadle, je bodenständiger Gleeson, desto abgehobener Cheadle – diese Formeln gehen auf. Ein weiteres Highlight sind die philosophisch veranlagten Drogendealer (u.a. Mark Strong). Genüsslich nimmt Filmemacher John Michael McDonagh jedes Klischee auseinander, all die albernen Codewörter aus unzähligen Polizistenfilmen, und lässt seine Kriminellen stattdessen darüber nachdenken, ob sie Sozio- oder Psychopathen sind und was eigentlich der Unterschied ist.

Wie das ungleiche Duo den Fall schließlich löst, ist da fast schon Nebensache, zu herrlich sind die Dialoge und politisch unkorrekten Pointen. "The Guard", der an den Kinokassen der erfolgreichste irische Independentfilm aller Zeiten war, unterhält und fesselt bis zum klassischen Showdown, der hier dann doch nicht fehlen darf. Doch einen Hollywood-Schluss muss niemand fürchten, sondern kann sich entspannt auf ein Ende mit irischem Augenzwinkern freuen. Und wer noch nicht genug vom irischen Humor hat, dem seien auf der DVD noch das Making of und besonders die Outtakes, die gestrichenen Szenen, empfohlen.

"The Guard" im n-tv Shop

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen