Der Mann aus Montenegro Miloš, der neue Gitarrengott
13.07.2011, 12:35 Uhr
Eigentlich wollte Miloš Karadaglic Geige spielen.
(Foto: Olaf Heine / Deutsche Grammophon)
Kaum ein Instrument nimmt sich so leicht zur Hand wie die Gitarre. Und doch war die klassische Gitarre in einer Zeit voller Wundergeiger und Piano-Zwillinge ein wenig aus dem Blickwinkel geraten. Das ändert sich mit Miloš Karadaglic nun zum Glück wieder. Der Mann aus Montenegro bringt die Saiten zum Klingen, die so lange verstimmt waren. Und macht im Interview mit n-tv.de klar: Er spielt nicht einfach nur Gitarre, er lebt sie. Und liebt sie.
n-tv.de: Wie war denn das Konzert, das du im Berliner "Berghain" gegeben hast?
Miloš Karadaglic: Es war fantastisch. Ich bin wirklich glücklich. Es waren tolle Leute da, in einem ganz speziellen Ambiente, es war sehr relaxt und voller positiver Energie.
Es war ja richtig heiß - war das das erste Mal, dass du draußen gespielt hast?
Ja, das war tatsächlich das erste Mal, und es war toll, auch wenn es für mich wirklich sehr ungewöhnlich war. Ich habe schon oft in Clubs gespielt, in London, in Paris oder New York, aber noch nie in einem Open-Air-Club. Die Musik, die ich gespielt habe, hat ausgezeichnet dazu gepasst. Ich werde also eine ganz besondere Erinnerung an Berlin haben.
Wir hätten gedacht, dass du bereits draußen gespielt hast, Gitarrenmusik ist doch klassisch für Abende an der frischen Luft ...
Ja, aber es braucht eben auch eine gewisse Akustik für die Gitarre, das macht es wieder kompliziert. Es geht schon draußen, das ist richtig, aber so wie ich an die Musik herangehe, ist es normalerweise besser, drinnen zu spielen. Aber gestern war es so toll, dass ich es kaum erwarten kann, hier wieder open air zu spielen.
Brauchst du denn dieses mediterrane Gefühl für deine Musik? Und was machst du, wenn du kein Meer oder den Sonnenuntergang in der Nähe hast?
Ja, das stimmt, das brauche ich wirklich, dieses Gefühl, denn es erinnert mich immer an meine Kindheit. Und meine Kindheit ist sehr wichtig für mich und dafür, wie ich der Erwachsene geworden bin, der jetzt Musik macht. Ich habe immer viel Zeit, eigentlich den ganzen Sommer, mit meiner großen Familie am Meer verbracht. Und jetzt ist es mir fast egal, an welchem Meer ich mich befinde, ob Nordsee, Mittelmeer oder die Karibik, selbst, wenn es nur ein kleiner Tümpel ist - ich brauche das Wasser. Das entspannt mich, und dann bin ich kreativ. Dann fließt es nur so aus meinen Fingern.
Wenn wir jetzt an diese schöne Urlaubszeit denken, an das Meer und die Leichtigkeit: Wie passt das dann zusammen mit dem, was gerade in Griechenland passiert? Beeinflusst dich das in irgendeiner Art und Weise?
Ja, das ist alles sehr schrecklich und anstrengend, aber ich vermische Politik nicht mit Musik, das kann ich gar nicht. Und jetzt war ich lange in den USA, da kriegt man nicht so viel mit über diese Themen. Aber nein, wenn ich länger darüber nachdenke, dann lasse ich mich nicht allzu sehr von außen beeinflussen, wenn es um meine Musik geht.
Was hast du denn in den USA gemacht?
Es war einfach fantastisch. Ich war in New York, Philadelphia und Washington und habe Konzerte gegeben, außerdem ist dort gerade meine CD herausgekommen, also habe ich die natürlich überall vorgezeigt. (lacht) Ich habe so viele Leute kennengelernt, so viele Interviews gegeben, es hat einfach Spaß gemacht, ich bin ganz begeistert von dieser Zeit.
Es heißt ja, dass die Gitarre zu den "vergessenen, vernachlässigten Instrumenten" gehört. Wie erklärst du dir das?
Ich glaube nicht, dass die Gitarre wirklich vergessen wurde, aber sie war tatsächlich eine Zeit lang aus dem Fokus verschwunden. In den 70ern war sie eigentlich zum letzten Mal so richtig im Mainstream vertreten. Nach dieser Zeit ist die klassische Gitarre in einer Art Nische verschwunden, sie war einfach nicht mehr so angesagt, die Musik hatte sich eben verändert und der Geschmack. Aber in ihrer kleinen Nische hat die Gitarre sich natürlich weiterentwickelt, da ist eine Menge passiert. Das hat die Mehrheit gar nicht so mitbekommen und insofern ist es schon richtig, zu denken, dass Gitarrenmusik im klassischen Sinne ein wenig vergessen wurde. Aber das ändert sich ja gerade wieder, hoffe ich! Als ich ein Student war, ist mir das gleich klar geworden: Das ist nicht fair, dass die Gitarre da so vor sich hin dümpelt, das muss sich ändern. Und da habe ich beschlossen, dass man die Gitarre wieder vor einem breiteren Publikum spielen müsste, denn die Gitarre ist eigentlich ein leicht zugängliches Instrument.
Wie bist du denn überhaupt an die Gitarre geraten?
Ich bin ja in Montenegro aufgewachsen, und das ist nicht unbedingt ein typisches Land für klassische Musik. Aber da ich einfach sehr musikalisch war, habe ich meinen Vater gebeten, mich zur Musikschule zu bringen. Und da hat man festgestellt, dass ich sehr talentiert war, dass ich ein gutes Gehör für Musik hatte. Dann habe ich selbst vorgeschlagen, dass ich ja Geige lernen könnte, aber das fanden meine Eltern grausam, sie hatten Angst vor den schrecklichen Geräuschen, die ich diesem Instrument entlocken würde. Und da sie keine Musiker waren, haben sie mich gebeten, mit etwas Leichterem anzufangen. Dann sagte ich: "Gut, ich möchte Klavier lernen!", aber das war meinen Eltern zu teuer. Und dann hat mein Vater mir eine alte Gitarre in die Hand gedrückt. Das war cool, ich habe sie von Anfang an geliebt. Natürlich wollte ich damals ein Rockstar werden. (lacht) Da meine Eltern zwar nicht viel über Musik wussten, aber erkannt haben, dass ich eine Menge davon verstehen könnte, haben sie mich seitdem immer unterstützt. Mein Vater kramte dann in seiner alten Plattensammlung herum und fand eine von Andrés Segovia (Anm. d. Red.: Spanischer Gitarrist, der großen Einfluss auf die Entwicklung des klassischen Gitarrespiels im 20. Jahrhundert hatte). Diese Musik hat mein Leben für immer verändert - das wollte ich auch können! Er hat mir gezeigt, dass die klassische Gitarrenmusik etwas Besonderes ist - und das will auch ich zeigen.
Würdest du auch gerne mal singen oder ein anderes Instrument spielen?
Na ja, ich glaube, ich sollte es bei der Gitarre belassen. (lacht) Und es gibt noch so vieles, was ich auf der Gitarre spielen möchte. Aber ich habe große Lust, mit anderen zusammenzuarbeiten. Und das müssen nicht unbedingt klassische Musiker sein, das kann ganz andere Stilrichtungen bedeuten: Avantgarde, Pop - es kann nur gut werden. Was ich mir auch gut vorstellen kann, ist Flamenco-Musik oder jemand mit indischen Einflüssen, einfach Cross Music! Ich glaube daran, dass solche Erfahrungen und solche Zusammenarbeit einen nur besser machen.
Sitzt du manchmal einfach da und spielst so vor dich hin oder für deine Freunde?
Nein, das mache ich nie, denn wenn ich mit Freunden zusammen bin, ist mir immer eher danach zu singen, aber nicht Gitarre zu spielen, das ist zu speziell für mich. Und außerdem mache ich das ja jeden Tag. Aber für mich selbst klimpere ich schon, natürlich.
Komponierst du auch selbst?
Ich glaube, das wird erst später kommen. Dafür brauche ich noch mehr Erfahrung, um eigene Stücke zu komponieren.
Du hast mal gesagt, dass du Gitarre gelernt hast, um Mädchen zu beeindrucken - hat es funktioniert?
Ja, ich kann mich nicht beklagen! (lacht) Aber das ist doch der Traum eines jeden Jungen, der eine Gitarre in die Hand nimmt. Deswegen ist die Gitarre ja auch so ein beliebtes Instrument. Natürlich vor allem für Rockstars.
Wolltest du nie E-Gitarre lernen?
Na ja, ich kann mich auf einer klassischen Gitarre einfach besser ausdrücken, und darum geht es mir: meine Gefühle zu zeigen und den Zuhörern eine gute Zeit zu verschaffen. Ich weiß nicht, ob die E-Gitarre da so gut zu mir passen würde. Ich habe ja auch während meines Studiums viel Kammermusik mit anderen zusammen gespielt, das ist eben eher meine Welt. Und ich liebe es, mit Sängern zusammen aufzutreten, das ist eine perfekte Kombination: Gitarre und Gesang. Aber jetzt konzentriere ich mich erstmal auf mein Soloprojekt.
Welche Musik hörst du privat am liebsten?
Viele verschiedene Genres, um ehrlich zu sein, aber ich liebe die Oper und ich liebe Diana Krall. Ich mag es gerne, meinen Horizont zu erweitern.
Was vermisst du am meisten, wenn du unterwegs bist?
Oh, natürlich meine Familie und meine Freunde, das Essen meiner Mutter in Montenegro, aber ganz ehrlich, ich habe mir dieses Leben ausgesucht. Ich liebe es zu reisen und ich komme auch gerne wieder nach Hause, aber ich mag es wirklich, unterwegs zu sein. Das ist nichts Schlimmes für mich. Ich freue mich schon darauf, wieder nach Deutschland zu kommen, ich werde im Dezember wieder hier sein. Ich habe eine riesige Tour vor mir, Europa, Asien, in Amerika war ich gerade, aber ich freue mich unglaublich darauf. Ich möchte mein Leben gerade auf keinen Fall ändern.
Mit Miloš Karadaglic sprach Sabine Oelmann
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Quelle: ntv.de