Im Namen der Menschlichkeit "Nürnberg": Kriegsverbrecher vor Gericht
12.09.2011, 07:14 Uhr
		                      Die Darstellerriege des Films kann sich sehen lassen: Max von Sydow, Jill Hennessy, Alec Baldwin, Christopher Plummer und Brian Cox (vl.n.r.)
Mai 1945: Deutschland hat den Zweiten Weltkrieg verloren. In Nürnberg, dem geistigen Zentrum des Dritten Reiches, werden 22 namhafte Nazis persönlich des Angriffskrieges und organisierter Massenvernichtung angeklagt: Im Namen der Gerechtigkeit.
Hermann Göring? "Nicht schuldig!" Rudolf Hess? "Nein, nein." Joachim von Ribbentrop? "Nicht schuldig." Wilhelm Keitel? "Nicht schuldig." Ernst Kaltenbrunner? "Ich bekenne mich nicht schuldig." Alfred Rosenberg? "Nicht schuldig." Hans Frank? "Nicht schuldig:" Wilhelm Frick? "Nicht schuldig." Julius Streicher? "Nicht schuldig." Walther Funk? "Nicht schuldig." Hjalmar Schacht? "Nicht schuldig!" Karl Dönitz? "Nicht schuldig." Erich Raeder? "Nicht schuldig." Baldur von Schirach? "Nicht schuldig." Fritz Sauckel? "Nicht schuldig." Alfred Jodl? "Nicht schuldig." Franz von Papen? "Nicht schuldig." Arthur Seiss-Inquart? "Nicht schuldig." Albert Speer? "Nicht schuldig!" Konstantin von Neurath? "Nicht schuldig." Sowie Hans Fritzsche? "Nicht schuldig."
Es ist 1945. Nürnberg. Die fränkische Metropole, in der Hitler die Nürnberger Gesetze unterzeichnete, die das Schicksal der europäischen Juden besiegelten. Nürnberg, das geistige Zentrum des Dritten Reichs. Der Ort ist wohl gewählt: Nürnberg ist Schauplatz des gleichnamigen Kriegsverbrechertribunals, eines elfmonatigen Prozesses - im Namen der Menschlichkeit und bis dahin einmalig in der Menschheitsgeschichte. "Nürnberg" heißt auch der bei Capelight erschiene Film mit Alec Baldwin als Robert Jackson, dem Chefankläger der Alliierten.
Auf der Anklagebank sitzt die nach dem Zweiten Weltkrieg noch übrige Führungsriege von Nazi-Deutschland: 22 Angeklagte darunter Reichsmarschall Göring (Brian Cox), Generalfeldmarschall Keitel, Großadmiral Dönitz, Generaloberst Jodl, Speer (Herbert Knaup), Hess, von Ribbentrop und Frank, der "Judenschlächter von Krakau".
Geschichtliches Zeitzeugnis
Ihnen allen wird der Prozess gemacht. Verstöße gegen Friedensverträge, gegen Grenzverträge, gegen die Genfer Konventionen und die Haager Landkriegsordnung und und und. Die Angeklagten stehen stellvertretend für den Nationalsozialismus an sich vor Gericht. "Ich will den Nationalsozialismus vor Gericht stellen, damit er sich selbst entlarvt. Außerdem will ich, dass so etwas nie wieder passiert", sagt der britische Ankläger Sir David Maxwell-Fyfe (Christopher Plummer) dann auch treffend.
Von den Angeklagten verspürt kaum einer Reue, am allerwenigsten Göring. Dennoch: Im Film kommt er als Sympathieträger daher, stiehlt mit seiner süffisanten, jovialen Art den eigentlichen "Guten" wie Jackson die Show. Das mag nicht so gewollt sein, die schauspielerische Klasse von Cox stellt die von Baldwin aber in den Schatten.
Dennoch: "Nürnberg" ist ein geschichtliches Zeitzeugnis. Fast 180 Minuten lang. Und trotzdem sehenswert. Das liegt ebenso an der namhaften Darstellerriege wie an den verwendeten Bild- und Tonaufnahmen der Original-Gerichtsverhandlungen von 1945/46.
Langsam, aber direkt
Es dauert rund eine Stunde, bis der Film wirklich in den Bann zieht, bis er unter die Haut geht. Als Originalaufnahmen aus Konzentrationslagern wie Dachau gezeigt werden, muss der Zuschauer kräftig durchatmen. Wem diese gezeigten Original-Bilder nicht an die Nieren gehen, sollte sich an einen Psychologen wenden. Sie machen deutlich, warum es dieses Kriegsverbrechertribunal gegeben hat.
Mag sein, dass der Zeitpunkt falsch war und es immer noch Menschen gibt, die das Gerichtsverfahren als lästige Siegerjustiz abtun. Bei den Bildern halb verhungerter, abgemagerter und toter Menschen ist die Frage nach dem "Warum" obsolet.
"Nürnberg": Zeitzeugnis und ewiges Mahnmal
Laut Jackson sollte der Prozess das "künftige Verhalten der Nationen" beeinflussen und "Einfluss auf die künftige Geschichte der Menschheit nehmen". Seit damals ist eine Menge Zeit ins Land gegangen. Und angesichts von Guantanamo und Abu Ghraib sowie des Krieges gegen den Terror erscheint der Film wie ein ewiges Mahnmal. Göring soll damals gesagt haben: "Der Sieger wird immer der Richter sein. Und der Besiegte immer der Angeklagte." Dem stehen die Worte Jacksons gegenüber: "Wir haben die Möglichkeit, eine Zukunft zu formen, in der Angriffskriege als das behandelt werden, was sie sind, was sie sind: ein Verbrechen!"
Aufwühlend und bewegend
Diese beiden Aussagen allein beweisen, dass auch mehr als 65 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges selbiger als Thema immer noch "up to date" ist. "Nürnberg", als TV-Film gedreht, mit zwei Emmys ausgezeichnet und für drei Golden Globes nominiert, ist durchweg namhaft besetzt und - typisch Hollywood - auch mit einer Lovestory versehen, die den Film, der jetzt bei Capelight als DVD erschienen ist, merklich auflockert.
Die Liebesgeschichte basiert aber nicht auf den damaligen Ereignissen. Auch sonst gibt es einige andere, wenn auch kleine Abweichungen vom geschichtlichen Ereignis des Kriegsverbrechertribunals. Alles in allem schaden sie nicht, auch wenn sie überflüssig erscheinen und die Geschichte für sich spricht: Ein merklich immer verrückter werdender Hess, ein bis zuletzt von der Sache überzeugter Göring und ein zusehends zweifelnder Speer. Geschichte ist immer sehenswert, egal wie schrecklich und aufwühlend sie auch sein mag. "Nürnberg" ist das beste Beispiel.
Quelle: ntv.de